Die FDP hingegen will die Schuldenbremse nicht antasten und stattdessen Sozialleistungen auf den Prüfstand stellen – die Partei wandte sich zudem abermals gegen Steuererhöhungen. SPD-Chef Lars Klingbeil warnte vor einem Modernisierungsstopp in Deutschland.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte in seinem Urteil vom Mittwoch untersagt, Corona-Kredite nachträglich für Klimaschutz und die Modernisierung der Industrie umzuwidmen (Urteil vom 15.11.2023 – 2 BvF 1/22). Es fehlen daher 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds, einem wirtschaftlich vom Kernhaushalt getrennten Sondervermögen. Die große Frage ist, wie die Ampel-Koalition dieses Finanzloch stopfen wird.
Politiker von SPD und Grünen gegen drastische Einsparungen
Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darf nicht dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben." Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. "Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf dem Status quo ausgeruht. Das spüren wir gerade jeden Tag, wenn Züge nicht fahren oder Brücken nicht tragen", sagte der SPD-Parteichef.
Auch Grünen-Parteichefin Ricarda Lang machte am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" deutlich, dass sie wenig von einem strikten Sparkurs hält. Die Logik, nun müsse der Gürtel enger geschnallt werden, werde am Ende nicht funktionieren. "Denn so würden wir uns in eine wirtschaftliche und damit auch in eine soziale Krise in diesem Land hineinsparen." Gerade am Sozialen zu sparen, sei keine gute Idee, denn die Regierung müsse auch den sozialen Zusammenhalt erhalten. "Wir wissen, dass gerade insbesondere rechte Parteien soziale Sorgen, Ängste der Menschen immer wieder mobilisieren."
Gefragt nach den Prioritäten der Grünen, wo gespart werden könne, sagte Lang: "Wir können gerne über klimaschädliche Subventionen sprechen." Das Umweltbundesamt (UBA) hatte darauf hingewiesen, dass sich im Jahr 2018 die umweltschädlichen Subventionen auf mindestens 65 Milliarden Euro beliefen – neuere Daten liegen nicht vor.
FDP will Sozialleistungen überprüfen
Hingegen sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr der Funke-Mediengruppe (Montag), die Koalition müsse auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten könne. "Tatsache ist, dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann." Steuererhöhungen seien dagegen der falsche Weg, um die Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen.
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge sprach sich für Änderungen an der Schuldenbremse aus. "Wir Grünen werben schon seit vielen Jahren dafür, die Schuldenbremse zu reformieren, da sie ökonomisch schlecht gemacht ist", sagte sie dem "Tagesspiegel" (Montag). Die Regel bremse notwendige Investitionen aus und sei "in ihrer jetzigen Form eine Belastung für den Wirtschaftsstandort Deutschland". Jetzt zeige sich zudem, dass die Schuldenbremse auch in Krisenzeiten nicht flexibel genug sei, um Menschen und Unternehmen richtig zu unterstützen.
Streitpunkt Schuldenbremse
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine.
Die Schuldenbremse gehört zu den zentralen Wahlversprechen der FDP, bei den Grünen und in der SPD ist sie hingegen umstritten. So hatte Bundesfinanzminister und FDP-Parteichef Christian Lindner der "Bild am Sonntag" gesagt: "Die neue Rechtsklarheit ist kein Anlass, die Schuldenbremse zu schleifen, sondern sie zu stärken."
Die oppositionelle Union warnte die Regierungskoalition davor, die Schuldenbremse auszusetzen. "Die einzige Notlage, die wir haben, ist vielmehr eine von der Bundesregierung selbstverursachte politische Notlage", sagte CDU/CSU-Chefhaushälter Christian Haase den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Es gibt aber keine ökonomische Notlage, denn sonst hätte die Bundesregierung diese ja schon kurz nach ihrer Herbstprognose im Oktober erklären müssen."