Das Überfahren einer Leiche stellt keinen Unfall im Straßenverkehr im Sinne von § 142 StGB dar – diese Erkenntnis hat das AG Hagen jüngst in einem Beschluss festgehalten. Die Staatsanwaltschaft hatte die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis einer Frau beantragt, die sich nach dem Überfahren einer Leiche vom Unfallort entfernt haben soll. Das Gericht sah jedoch keinen dringenden Tatverdacht und wies den Antrag zurück (Beschluss vom 06.06.2025 – 66 Gs 733/25).
Der Sachverhalt erschließt sich aus dem gerichtlichen Beschluss nicht weiter als wie folgt: Die Frau soll laut Staatsanwaltschaft mitten am Tag mit ihrem Pkw der Marke Renault vor einem Haus den Leichnam einer Verstorbenen überfahren haben. Anschließend, so der Vorwurf, habe sie sich vom Unfallort entfernt, ohne Feststellungen zu ihrer Person oder zum Unfallhergang zu ermöglichen. Grundsätzlich macht sich, wer nach einem Unfall einfach das Weite sucht, nach § 142 StGB strafbar – eine vom früheren Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) angedachte Entschärfung bei Sachschäden blieb vor dem Ampel-Aus auf der Strecke.
Das AG Hagen stellte nun fest, dass es keinen dringenden Tatverdacht hinsichtlich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort sehe, und prüfte dazu den Sachverhalt schulbuchmäßig durch: § 142 StGB setze das Vorliegen eines Unfalls im Straßenverkehr voraus. Ein Unfall im Straßenverkehr, so die gängige Definition, ist jedes plötzliche, mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs ursächlich zusammenhängende Ereignis, durch das ein nicht nur belangloser Fremdschaden verursacht wird. Doch eben einen solchen Schaden vermochte das Gericht hier nicht zu erkennen.
AG: Eine Leiche hat keinen materiellen Wert
Eine Beschädigung der Leiche komme nicht infrage, da diese im zivilrechtlichen Sinn zwar eine Sache sei, jedoch keinen Sachwert repräsentiere, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen könne, so das Gericht. Es fehle deshalb auch an einem auf Sach- oder Personenschadensersatz gerichteten Feststellungsinteresse Dritter. Ein Schadensersatzanspruch resultiere auch nicht aus einer etwaigen Verletzung des Totenfürsorgerechts, da dieses weder Bestandteil des Vermögens der Erbinnen und Erben sei noch durch das Überfahren beeinträchtigt werde. Eine etwaige Verletzung des Pietätsempfindens der Angehörigen stelle ebenfalls keine Schädigung im Rechtssinne dar.
Doch selbst wenn man einen dringenden Tatverdacht annehmen wollte, fügte das Gericht an, fehle es an den weiteren Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB setze die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 142 StGB voraus, dass der Täter oder die Täterin wisse oder wissen könne, dass beim Unfall ein Sachschaden entstanden sei.
Für das Vorliegen eines bedeutenden Schadens setze die überwiegende Rechtsprechung derzeit eine Grenze von mindestens 1.500 Euro an, führte das AG aus. Das Gericht habe aber nicht feststellen können, ob überhaupt nach objektivem Maßstab ein entsprechender Schaden entstanden sei. Doch selbst wenn man dies unterstellen würde, wäre ein solcher nicht messbar. Auch könne nicht unterstellt werden, dass im Fall der Schädigung einer Leiche per se, auch ohne dessen Bezifferung, ein bedeutender Schaden eingetreten sei.
Das AG Hagen wies somit den Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zurück.