Tanktop-Verbot im Fitnessstudio: Gericht sieht Männer diskriminiert
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Weil man keine Bodybuilder ansprechen wollte, untersagte ein Fitnessstudio seinen Gästen, Muskelshirts zu tragen – allerdings nur den Männern. So geht es nicht, meint ein Kunde – und jetzt auch das AG Bad Urach.

 

Der Streit um Gleichberechtigung von Frauen und Männern wird seit vielen Jahren auf den unterschiedlichsten gesellschaftlichen wie auch juristischen Ebenen ausgefochten. Die Bandbreite reicht bislang von Geschlechter-Quoten für Vorstände und Parlamente bis hin zum Recht von Frauen, "oben ohne" einen Wasserspielplatz zu betreten.

Nun hat er – kaum überraschend – einen der wenigen Orte erreicht, an dem seit jeher alle sozialen Gruppen ohne viel Reibung aufeinandertreffen: das Fitnessstudio. Hier wird gemeinsam geschwitzt und geschwätzt, gelitten und gekeucht – der Körperkult schweißt alle zusammen. So dachte man jedenfalls bisher. Doch nun bricht – wie sollte es in Deutschland anders sein – eine Hausordnung das fragile soziale Gefüge auf und beschert dem Geschlechterkampf eine neuerliche Gerichtsentscheidung, diesmal aus dem Amtsgericht im beschaulichen Bad Urach in der Schwäbischen Alb (Urteil vom 14.02.2024 1 C 161/23).

Dort hatte ein Fitnessstudio in seinen Räumlichkeiten das Tragen von sogenannten Muskelshirts, also weit ausgeschnittenen ärmellosen Sportshirts, untersagt. Der Grund: Man wollte das sonst gelegentlich in diesen Etablissements anzutreffende Bodybuilder-Klientel vermeiden – jene Männer, die ihre meist sehr eindrucksvolle und über Jahre mühsam antrainierte Muskelpracht durch das Tragen eben jener spärlichen Oberkörperbekleidung zur Schau stellen. Ob dies eine Entscheidung für ein vermeintlich gehobenes Klientel war, das zudem bereit ist, die rund 70 Euro monatlichen Mitgliedsbeitrag fürs Hantelstemmen zu bezahlen, ist nicht überliefert.

Studio wollte Bodybuilder-Klientel vermeiden

Fakt ist, dass ein Kunde des Studios sich hierdurch als Mann diskriminiert fühlte. Das grundsätzlich auf einem Aushang geschlechtsneutral formulierte Verbot werde nämlich ausschließlich gegenüber Männern durchgesetzt, argumentierte er. Nachdem er nach eigener Aussage diverse Male vom Personal ob seiner Trainingskleidung ermahnt und einmal gar des Studios verwiesen worden war, machte der Mann seinem Ärger per E-Mail Luft. Und damit nicht genug: Er habe sich sogar an das Sozialministerium und den Landesbeauftragten für Gleichstellung gewendet, trug er im Rahmen seiner späteren Klage vor.

Ein Mitarbeiter des Studios ließ ihn daraufhin zunächst wissen, dass man am Verbot festhalte, ihm aber ein Sonderkündigungsrecht anbiete. Später ruderte das Studio zurück und verkündete per neuem Aushang: "Ab dem 1. Mai sind Tanktops wieder erlaubt". Die Mitgliedschaft des Klägers endete kurz darauf, was ihn aber nicht davon abhielt, vor Gericht zu ziehen. Er verlangte vor dem AG Bad Urach vom Fitnessstudio Unterlassung solcher Kleidervorschriften und Schadensersatz für die erlittene Diskriminierung in Höhe von 1.500 Euro. Er betonte dabei, in die Bemessung müsse auch einfließen, dass auch das "dritte Geschlecht" benachteiligt werde und das Fitnessstudio vor Ort quasi eine Monopolstellung habe, was es faktisch unmöglich mache, einfach das Studio zu wechseln.

Das Studio berief sich auf seine unternehmerische Entscheidung, für ein bestimmtes Bodybuilder-Klientel unattraktiv sein zu wollen. Daher sei es auch gerechtfertigt, die Kleiderordnung nur gegenüber Männern durchzusetzen, da Frauen ärmellose Shirts "aus funktionalen oder vielleicht auch aus Gründen der Eitelkeit" trügen, nicht jedoch, um ihre Muskelmasse zur Schau zu stellen.

Müssen Bodybuilder Männer sein?

Das Gericht gab der Klage am Ende teilweise statt: Der auf Unterlassung von derartigen Verboten gerichtete Antrag des nicht anwaltlich vertretenen Klägers hatte zwar wegen seiner bereits beendeten Mitgliedschaft keinen Erfolg und auch die Entschädigung fiel nicht so hoch aus wie erhofft. Doch den symbolischen Erfolg kann ihm keiner nehmen, 250 Euro sprach ihm das Gericht zu. Das AG sieht in der Praxis, das Muskelshirt-Verbot nur gegenüber Männern durchzusetzen, tatsächlich eine verbotene Diskriminierung im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGG.

Das Gericht war davon überzeugt, dass es in dem Fitnessstudio tatsächlich eine Kleiderordnung gegeben habe, die spezifisch männliche Kunden adressierte. Dabei sei unerheblich, ob dies ausdrücklich auf dem Aushang gestanden habe; schließlich könne auch die faktische Durchsetzung eines allgemein gehaltenen Verbots bei Fokussierung auf eine spezifische Gruppe diskriminierend wirken.

Den Einwand der unternehmerischen Entscheidung gegen ein unerwünschtes Bodybuilder-Klientel ließ der Richter auch nicht gelten. Schon mit einer Definition des unerwünschten Typus "Bodybuilder" tat er sich schwer. So müsste doch, wenn das Unterscheidungskriterium die Zurschaustellung von Muskeln sei, dies auch für Frauen in vergleichbarer Kleidung gelten. Es sei daher schon nicht ersichtlich, wie das Studio sein Ziel mit einer geschlechtsspezifischen Regelung erreichen wolle.

Bei der Höhe der Entschädigung blieb das Gericht gleichwohl deutlich unter dem geforderten Betrag, so weit ging die klägerische Betroffenheit in den Augen des Amtsrichters dann doch nicht. Schließlich habe er weiter dort trainieren dürfen und sei schon nach eigener Darstellung lediglich ein einziges Mal des Studios verwiesen worden. Außerdem sei das Verbot im Anschluss aufgehoben worden. Ein 3,5-facher Monatsbeitrag sei zur Kompensation daher ausreichend, befand das AG. Auf 4/5 der Kosten blieb der Sportler deshalb sitzen.

AG Bad Urach, Urteil vom 14.02.2024 - 1 C 161/23

Redaktion beck-aktuell, Maximilian Amos, 6. März 2024.