In der aktuellen Ausgabe der Rubrik Tech & Tools wird eine kostenlose Transparenzplattform im Internet vorgestellt, um praktisch relevante Informationen über Videoverhandlungen an deutschen Gerichten zu sammeln und zu veröffentlichen.
Welches Problem löst Videoverhandlung.de?
Bereits vor über 20 Jahren ist die Verhandlung im Wege der „Bild- und Tonübertragung“ in den Zivilprozess
eingeführt worden. Die Anwendung des § 128a ZPO setzt allerdings eine entsprechende technische Ausstattung des Gerichts voraus, sodass die Möglichkeit der Videoverhandlung lange ein Schattendasein führte. Dann fegte die Corona-Pandemie durchs Land und auf einmal gab es ein gesteigertes Interesse daran, Gerichtsverhandlungen durchzuführen, ohne dass sich alle Beteiligten zusammen in einem Raum befinden müssen.
Die praktischen Erfahrungen mit der Vorschrift sind seitdem überwiegend positiv und das Interesse an Videoverhandlungen hat auch nach dem Ende der Pandemie nicht nachgelassen. Das größte Problem stellt aber wohl immer noch die technische Ausstattung und die Bereitschaft dar, sich auf die digitale Transformation von Gerichtsverhandlungen einzulassen.
Der Gesetzgeber hat im Sommer 2024 mit dem Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten den § 128a ZPO erneut überarbeitet und ergänzt. Trotzdem ist es in der Praxis immer noch schwer zu erkennen, welche technische Ausstattung die einzelnen Gerichte haben und wie diese mit Anträgen auf Videoverhandlungen umgehen.
Wie genau funktioniert Videoverhandlung.de?
Auf der Webseite Videoverhandlung.de werden Informationen darüber gesammelt und veröffentlicht, an welchen Gerichten in Deutschland die technischen Voraussetzungen für eine Videoverhandlung vorliegen, wie die technische Qualität beurteilt wird sowie in wie vielen der erfassten Fälle Videoverhandlungen gestattet oder abgelehnt wurden.
Auch die konkreten Ablehnungsgründe können erfasst werden. Die Webseite enthält eine Suchmaske, die es erlaubt, gezielt nach bestimmten Gerichten zu suchen. Ansonsten können die Ergebnisse beispielsweise auch nach Bundesländern sortiert angezeigt werden.
Aktuell sollen bereits zirka 13.000 Daten erfasst worden sein. Für das LG Hamburg wird beispielsweise angegeben, dass die Qualität der technischen Ausstattung mit fünf von fünf Sternen bewertet wird. Von den 254 erfassten Anträgen sollen 236 stattgegeben und nur 18 abgelehnt worden sein. Die meisten Ablehnungen seien damit begründet worden, dass eine Videoverhandlung in dem konkreten Verfahren ungeeignet sei, beispielsweise wegen einer anstehenden Beweisaufnahme.
Die Daten können von jedermann ergänzt werden. Die Angaben werden dann nach internen Vorgaben vor der Veröffentlichung überprüft. Zudem besteht die Möglichkeit, sich einen Account anzulegen. Die Identität des Inhabers wird dann einmalig verifiziert. Anschließend müssen die Einträge nicht mehr gesondert freigegeben werden.
Wer sind die Betreiber von Videoverhandlung.de?
Videoverhandlung.de ist ein Pro-Bono-Projekt, ins Leben gerufen von Dr. Christian Schlicht (Richter am LG, Mitgründer der digitalen richterschaft), Philipp Mayr (Fachinformatiker), Mathias Schuh (Doktorand an der Universität zu Köln, Mitgründer recode.law) und Prof. Dr. Simon J. Heetkamp (TH Köln/ivwKöln, Mitgründer der digitalen richterschaft).
An wen richtet sich Videoverhandlung.de?
Videoverhandlung.de richtet sich nach eigener Aussage an alle an Gerichtsprozessen beteiligte Personen, an Forschende
und an Entscheidungsträger.
Was kostet Videoverhandlung.de?
Die Benutzung der Webseite ist vollständig kostenlos.