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Vorschlag gegen Verfassungsfeinde: So soll das BVerfG geschützt werden

Von Redaktion beck-aktuell | Jul 24, 2024
Das BMJ sowie Ver­tre­ter von SPD, Grü­nen, FDP und CDU/CSU haben sich auf meh­re­re Än­de­run­gen des GG ver­stän­digt. Auch bei mehr An­ti­de­mo­kra­ten im Bun­des­tag soll das BVerfG stets ar­beits­fä­hig, seine Un­ab­hän­gig­keit keine Frage von ein­fa­chen Mehr­hei­ten mehr sein. Doch die Pläne rei­chen nicht allen.

"Das BVerfG soll jetzt weniger auf die Gutwilligkeit des einfachen Gesetzgebers angewiesen sein, um seine richterliche Unabhängigkeit auszuüben." Das sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), als er am Dienstagmittag gebeten wurde, die Einigung seines Hauses mit den Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und der Union in einfachen Worten zu erklären. Das BVerfG in Karlsruhe sei immer stark gewesen, unabhängig und nie "an der kurzen Leine, auch wenn der einfache Gesetzgeber das hätte tun können", sagte Buschmann. "Diese Beziehung des Wohlwollens ersetzen wir jetzt durch eine verfassungsrechtliche Beziehung, künftig ist die Unabhängigkeit des BVerfG nicht mehr nur eine Frage der politischen Kultur, sondern des Verfassungsrechts."

Und wenn, so der Bundesjustizminister, viele Abgeordnete im Bundestag säßen, die nicht daran interessiert sind, dass das BVerfG arbeiten kann, dann könne nach den Plänen der Regierungsfraktionen und der CDU/CSU künftig der Bundesrat als Ersatzwahlgremium einschreiten.

Das klingt einfacher, als das Vorhaben sich gestaltete. Der gemeinsame Vorschlag, der nach Angaben der Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitiker der beteiligten Parteien in insgesamt acht langen Sitzungen erarbeitet wurde, sieht nun vor, zentrale Strukturvorgaben aus dem BVerfGG in das GG zu übernehmen und so der einfachen Mehrheitsentscheidung des einfachen Gesetzgebers zu entziehen. Die Art. 93 und Art. 94 GG, die bisher den Status des BVerfG im GG regeln, sollen ergänzt werden. Ohne Zweidrittelmehrheit kann das dort Geregelte dann nicht mehr geändert werden. Außerdem soll eine Öffnungsklausel im Grundgesetz eine Blockade lösen: Wenn das gesetzlich zuständige Wahlorgan (also der Bundestag oder der Bundesrat) eine vakante Richterstelle nicht rechtzeitig neu besetzt, soll das andere Organ das Wahlrecht ausüben können.

"Gerichte oft mit banalen Instrumenten plattgemacht"

Die Amtszeit der Richter (12 Jahre) soll ebenso ins Grundgesetz übernommen werden wie die Altersgrenze (68 Jahre). Sachlich sind keine Änderungen geplant, 16 Richterinnen und Richter in zwei Senaten sollen es bleiben, die nicht wiedergewählt werden können und, wenn es noch keine Nachfolge für sie gibt, noch bis zur Wahl im Amt bleiben. Auch die Bindungswirkung von BVerfG-Entscheidungen und die Geschäftsordnungsautonomie des Gerichts sollen in den Art. 9394 GG mitnormiert werden.

Die Demokratie werde angegriffen. Oft seien es banale, triviale Instrumente wie die Geschäftsordnung, über die Gerichte plattgemacht werden könnten, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz. Deshalb solle auch die Karlsruher Geschäftsordnungsautonomie "mit einem schlankem Satz" im GG verankert werden, erklärte die CSU-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion für Recht, Innen, Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten, Andrea Lindholz. "Richter sollen im Zweifel darauf verweisen können, dass ihre Geschäftsautonomie im Grundgesetz steht", sagte sie. Und stellte klar, dass das im Zweifel auch die Reihenfolge der Aktenbearbeitung betreffe.

Unter anderem in Polen war das Verfassungsgericht zuerst dadurch am ordnungsgemäßen Arbeiten gehindert worden, dass so viel Arbeit einging, dass die Richterinnen und Richter nicht dazu kamen, Gesetzesvorhaben der PIS-Regierung zu überprüfen. "Man hat in Osteuropa gesehen, wie schnell der Abbau des Rechtsstaats erfolgte, indem die dortigen Verfassungsgerichte lahmgelegt wurden", kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer und Justiziar der SPD-Bundestagsfraktion Johannes Fechner (SPD) das Vorhaben, das BVerfG resilienter zu machen.

Richterwahlen: Wenn der Bundestag nicht entscheidet

Die geplante Öffnungsklausel im Grundgesetz soll erlauben, dass im Fall einer Blockade eines Wahlorgans das Wahlrecht auch durch das andere Wahlorgan ausgeübt werden kann: Kommt der Bundestag zu keinem Ergebnis, kann der Bundesrat die Wahl durchführen und andersherum.

Konkret soll, wenn ein Wahlorgan sich nicht einigen kann oder die Wahl durch eine Sperrminorität blockiert wird, das BVerfG drei Kandidatinnen oder Kandidaten vorschlagen können. Dies ist bisher schon so im BVerfGG vorgesehen; Bundestag und Bundesrat sollen an diese Vorschläge auch weiterhin nicht gebunden sein. "Hat das zuständige Wahlorgan nach drei Monaten keinen Nachfolger gewählt, kann auch das andere Wahlorgan an seiner Stelle einen Richter wählen", so das BMJ, das diesen Plan als "Ersatzwahlmechanismus" bezeichnet. Beide Wahlorgane seien somit weiterhin gleichermaßen zur Wahl berechtigt, keines habe Vorrang – zum Zuge komme das Organ, dem die Wahl zuerst gelinge. Damit könnte, so das BMJ, zeitweilig "von der verfassungsrechtlichen Vorgabe abgewichen werden, dass die Mitglieder des BVerfG zur Hälfte von Bundesrat und Bundestag gewählt werden."

Erforderlich für die Wahl der Richterinnen und Richter soll weiterhin eine Zweidrittelmehrheit für eine Kandidatin oder einen Kandidaten sein. Dieses Mehrheitserfordernis wird aber nicht ins GG übernommen, könnte also theoretisch weiterhin mit einfacher Mehrheit abgeändert werden. Nach beck-aktuell-Informationen war das einer der am stärksten umstrittenen Punkte in den langen Verhandlungen zwischen den beteiligten Fraktionen. Vor allem die Union tut sich mit zu vielen Verfassungsänderungen schwer. Aber auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Stephan Thomae, erklärte, was seit Monaten in der Politik und seit Jahren in der Rechtswissenschaft diskutiert wird: Ein hohes Quorum bedeute auch eine niedrige Sperrminorität, deshalb wolle man diesen Punkt schließlich nicht ins Grundgesetz übernehmen. Die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien hielten sich an die offenbar getroffene Sprachregelung: Das Wichtigste sei gewesen, eine Lösung gegen obstruktive, destruktive Minderheiten im Bundestag zu finden. Das sei gelungen.

Konstruktive, vertrauliche Beratungen

Auch Konstantin von Notz, dessen Grüne Fraktion auch die Zwei-Drittel-Mehrheit gern ins Grundgesetz übernommen hätte, sprach von Gegenargumenten, die sich hören ließen, zum Beispiel, wie auch die Union betone, "nicht in jeder zweiten Woche das Grundgesetz zu ändern" und nannte die jetzt erzielte Einigung eine sehr gute Regelung.

Überhaupt zeigten die Rechtspolitikerinnen und – politiker, durchweg selbst Juristinnen und Juristen, sich am Dienstag in ihrer Pressekonferenz mehr als zufrieden und fast schon demonstrativ einig. Vergessen das Hin und Her, die einmal vor allem von der Unionsfraktion zu-, dann wieder abgesagten Gespräche. Durchweg lobten die Beteiligten am Dienstag die ausführlichen Beratungen, die konstruktive Atmosphäre, die Ruhe und die Zeit, die man sich habe nehmen können, und nicht zuletzt die Vertraulichkeit der monatelangen Verhandlungen "auf hohem Niveau", wie Justizminister Buschmann es nannte – und es sich nicht nehmen ließ, hinzuzufügen "Wenn wir in der Ampelkoalition diesen Arbeitsmodus häufiger übernehmen würden, wäre es kein Nachteil."

Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Richterbund (DRB) begrüßten die Einigung. DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn sagte: "Die Beispiele Polens und Ungarns haben auf alarmierende Weise gezeigt, wie schnell selbst vermeintlich stabile Rechtsstaaten kippen können, sofern illiberale Kräfte es darauf anlegen."

Der DAV zeigte sich ebenfalls grundsätzlich angetan von der Einigung, die Court Packaging wie zum Beispiel in den USA unmöglich mache - sie geht den Anwältinnen und Anwälten aber nicht weit genug. Durch den Ersatzwahlmechanismus bei Blockade eines Wahlorgans sei die Zweidrittelmehrheit zwar zumindest faktisch abgesichert, erklärte Ulrich Karpenstein, Vizepräsident des DAV und Verfassungsrechtler bei Redeker Sellner Dahs.

Wichtig sei aber, dass künftige Änderungen des BVerfGG und insbesondere die Quoren für Richterwahlen und BVerfG-Entscheidungen nicht länger mit einer einfachen Mehrheit des Bundestages abgeändert werden könnten. Der DAV fordere deshalb weiterhin, dass zumindest wesentliche Verfahrens- und Wahlregelungen einer Zustimmung des Bundesrates bedürfen und verwies auf die Vorschläge der Justizministerkonferenz, die sich im Juni für noch weitergehende Änderungen ausgesprochen hatte.

Jetzt sind die Länder dran – und haben viel zu tun

Während Ansgar Heveling (CDU/CSU) und Stephan Thomae (FDP) in den Vordergrund stellten, mit den Änderungen, auf die man sich jetzt geeinigt habe, werde Bewährtes auch für stürmische Zeiten geschützt, will offenbar auch der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende von Notz am Schutz der Verfassungshüter in Karlsruhe dranbleiben. Das sei kein "statisches Ding", sagte er am Dienstag, "wir sollten genau gucken, wie die juristischen Debatten laufen und Dynamiken erkennen, auch in anderen Ländern, wo neue Angriffspunkte sind."

Er hoffe zudem, dass von dem jetzt erzielten guten Ergebnis für Änderungen des Grundgesetzes zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts auch eine Signalwirkung für die Länder ausgehe. "Diese Diskussionen könnten in Landesparlamenten gut geführt werden", so von Notz. Johannes Fechner (SPD) ging noch weiter: "Wir sollten auch eine Diskussion führen, ob es nicht auch bei den ordentlichen Gerichten Bedarf gibt an gesetzlichen Regelungen, um sie zu schützen."

Das BMJ und die Fraktionen wollen nach Angaben von Marco Buschmann nun zeitnah einen Gesetzentwurf aus der Mitte des Bundestages einbringen. Ziel sei es, das Gesetzgebungsverfahren für mehr Resilienz des BVerfG noch in dieser Legislaturperiode zum Abschluss zu bringen. Wie auch die CSU-Abgeordnete Lindholz zeigte der Justizminister sich optimistisch, dass die Ländervertreterinnen und -vertreter, mit denen man inoffiziell bereits im Gespräch sei, die Vorschläge "mit gewissem grundsätzlichem Wohlwollen aufgreifen" würden, zumal eine Reihe von deren Anregungen Gehör gefunden habe. Auch die Richterinnen und Richter des BVerfG, die sich selbst publizistisch zu Wort gemeldet hätten und mit denen man auch während der Phase der politischen Willensbildung in Kontakt gewesen sei, würden dann offiziell eingebunden. "Niemand braucht die Sorge zu haben, dass man in Karlsruhe kalt und unangenehm überrascht sein wird", sagte der Bundesjustizminister.

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