JuMiKo-Beschlüsse: Verfassung besser schützen, Kriminalität im Internet und schnellere Asylverfahren
v.l.n.r.: Anna Gallina, Justizsenatorin Hamburg, Kathrin Wahlmann, Justizministerin Niedersachsen und Georg Eisenreich, Justizminister Bayern / © dpa | Julian Stratenschulte

Zum Ende der 2-tägigen Konferenz in Hannover haben die Länder-Vertreter 50 Beschlüsse gefasst. Unter anderem fordern sie eine Ergänzung des Grundgesetzes und Strafschärfungen im Bereich der digitalen und Hass-Kriminalität.

Die 95. Justizministerkonferenz in Hannover geht zu Ende. Ein Schwerpunkt der Tagung war die Resilienz des Rechtsstaats, über den die Ministerinnen und Minister anlässlich des 75. Jubiläums des Grundgesetzes diskutierten. Sie begrüßten die Überlegungen, das Bundesverfassungsgericht stärker im Grundgesetz zu verankern und es so vor demokratiefeindlichen Angriffen zu schützen. Im Beschluss heißt es, man wolle in gemeinsamen Gesprächen zwischen Bund und Ländern eine Ergänzung der Artikel 93 und 94 GG prüfen.

Besonderer Abwägung bedürfe dabei die verfassungsrechtliche Verankerung der Zweidrittelmehrheit für die Wahl der Verfassungsrichterinnen und -richter sowie ein Ausgleichsmechanismus für Wahlblockaden und die Frage, ob Änderungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes die Zustimmung des Bundesrates erfordern sollen.

Die Justizministerinnen und Justizminister beklagten außerdem Intransparenz beim Gesetzgebungsverfahren. Der Grad der Beteiligung der Länder am Gesetzgebungsverfahren im Bundesrat richtet sich nach der Art des Gesetzes. Bei einem Zustimmungsgesetz hat der Bundesrat mehr Mitspracherecht als bei einem reinen Einspruchsgesetz. Gesetzesvorlagen enthielten in der Regel aber keine Angaben, ob und aus welchen Gründen das Gesetz einer Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht. Eine solche regelmäßige Begründung forderten die Mitglieder der JuMiKO nun vom Bundesjustizminister.

Hass, Hetze und Cyber-Mobbing

Ein weiteres großes Thema der Konferenz war der Umgang mit Hasskriminalität und Mobbing – insbesondere im Internet. Menschen müssten vor neuen Gefahren der digitalen Welt geschützt werden, hieß es etwa aus Bayern, dazu gehöre auch der Schutz vor sogenanntem Cyber-Mobbing.  Dazu fassten die Ministerinnen und Minister gleich mehrere Beschlüsse.

Zum einen forderten sie den Bundesjustizminister auf, zu prüfen, wie Beleidigungen mit rassistischem, antisemitischem oder menschenverachtendem Inhalt verfolgt werden können – auch dann, wenn kein Strafantrag vorläge.

Gerade im Bereich des Cyber-Mobbings seien zudem nicht alle Fallgestaltungen strafrechtlich erfasst. In einem zweiten Beschluss baten sie den Bundesjustizminister, strafschärfende Regelungen im Bereich der Cyber-Kriminalität zu prüfen - insbesondere für Fälle, in denen die Täter im Auftrag oder mit Billigung eines (fremden) Staates handeln.

Insgesamt sahen die Justizministerinnen und Justizminister mit Sorge eine Zunahme von Hass und Hetze sowie eine gesamtgesellschaftliche Zunahme von rassistischen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Beleidigungen. Laut Beschluss sollen auch sexualbezogene Beleidigungen in die Prüfung miteinbezogen werden, genauso wie sogenannte Hate Storms - also von mehreren Personen nebeneinander begangene Beleidigungen im Internet.

Deep-fakes, schnellere Asylverfahren und "Zuchtmittel"

Beschlossen wurde auch ein Antrag aus Hamburg zum zivilrechtlichen Umgang mit sogenannten Deep-fakes, also manipulierten Fotos, Videos und Audiodateien. Die Minsterinnen und Minister sahen Bedarf für neue gesetzgeberische Maßnahmen. Damit Betroffene sich schneller, einfacher und ohne großes Kostenrisiko zur Wehr setzen könnten, sollten insbesondere Betreiber sozialer Netzwerke in die Verantwortung genommen werden. Zudem stellt der Beschluss Regulierungsbedarf bei den Programmen fest, mit denen Deepfakes erstellt werden können. Diese sollten etwa zur Verwendung von Wasserzeichen verpflichtet werden, um die Manipulation erkennbar zu machen.

Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen hatten zudem Erfolg mit einem Beschlussvorschlag zum Thema Verfahrensbeschleunigung. Die Verwaltungsprozesse, so heißt es im Beschluss, sollten effektiver ausgestaltet werden, insbesondere bei Asylverfahren. Für diese solle zukünftig, so der Vorschlag der Ministerinnen und Minister, originär der Einzelrichter oder die Einzelrichterin zuständig sein. § 76 AsylG solle dahingehend geändert werden.

Schließlich wollen die Justizministerinnen und Justizminister den Begriff der "Zuchtmittel" aus dem JGG streichen lassen. Dem Begriff liege ein überholtes Erziehungsverständnis zugrunde. Durch seinen Ursprung im Nationalsozialismus sei er außerdem mit einem faschistisches Menschenbild verknüpft. Der Bundesjustizminister solle einen Gesetzentwurf mit einem zeitgemäßen Vorschlag zur Ersetzung des Begriffs der "Zuchtmittel" vorlegen.

Rechtsstaatskampagne soll Nachwuchs anlocken

Schließlich haben sich die Länder-Vertreter auf eine gemeinsame Rechtsstaatskampagne geeinigt. Diese solle die rechtsstaatliche Bedeutung der Justiz in den Mittelpunkt rücken, das gesellschaftliche Interesse an dieser beleben und mit der Darstellung ihrer vielfältigen Berufsmöglichkeiten zu einer effektiven Nachwuchsgewinnung beitragen.

Bei der Justizministerkonferenz kommen die 16 Landesjustizministerinnen und -minister zusammen; der Bundesjustizminister nimmt als ständiger Gast teil. Die Beschlüsse der JuMiKo geben relevante Impulse für rechtspolitische Debatten. Insgesamt 66 rechtspolitische Themen wurden während der zweittägigen Konferenz in der niedersächsischen Landeshauptstadt behandelt, 50 Initiativen wurden beschlossen.

Redaktion beck-aktuell, dd, 6. Juni 2024 (ergänzt durch Material der dpa).