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21. Frankfurter Medienrechtstage 2025 - Medien und Wahlen

Anouk Frühauf studiert Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

MMR-Aktuell 2025, 01360   In einer Welt, in der politische Debatten vor allem in sozialen Netzwerken, Kommentarspalten und viralen Videos stattfinden, ist der Einfluss der Medien auf die Meinungsbildung von grundlegender Bedeutung. Dennoch hätte das Thema der 21. Frankfurter Medienrechtstage „Medien und Wahlen“, elf Tage vor der Bundestagswahl, kaum aktueller sein können. Am 12.2.2025 eröffneten Prof. Dr. Johannes Weberling, Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder), Prof. Dr. Benjamin Lahusen, Dekan der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina, und Christoph Plate, Leiter des Medienprogramms Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sofia, die Veranstaltung und versammelten Wissenschaftler, Journalisten und Juristen, um die Wechselwirkungen zwischen Medien, Desinformation und demokratischen Prozessen zu analysieren. In Kooperation mit der Konrad-Adenauer-Stiftung bot die Konferenz eine Plattform für den Austausch über Wahlberichterstattung, digitale Medien und regulatorische Herausforderungen. Prof. Dr. Weberling skizzierte vier zentrale Aspekte der Debatte: die Förderung von Qualitätsjournalismus, die öffentliche Diskussion, die Bekämpfung von Desinformation und die Entwicklung nachhaltiger Medienstrukturen.

Erste Rednerin war Karen Kaiser, Syndikusanwältin und General Counsel der Associated Press (New York), die die medialen Herausforderungen der US-Wahlen durchleuchtete. Besondere Aufmerksamkeit widmete sie der Rolle Künstlicher Intelligenz (KI). Diese habe durchaus positive Anwendungen, etwa bei der Analyse von Wahldaten oder der Erkennung von Fake News. Gleichzeitig stelle sie jedoch eine ernsthafte Gefahr dar. So seien erstmals massenhaft KI-generierte Falschinformationen eingesetzt worden, darunter zB computergenerierte Anrufe mit irreführenden Wahlinformationen. Die Geschwindigkeit und Skalierbarkeit solcher Manipulationen machten deutlich, dass bestehende Regulierungslücken dringend geschlossen werden müssten. Parallel dazu hätten sich Journalisten und Journalistinnen zunehmender Bedrohung ausgesetzt gesehen. Hasskampagnen, strategische Klagen (SLAPP-Klagen) und die gezielte Diffamierung von Medien führten zu einer gefährlichen Arbeitsumgebung. Soziale Netzwerke dominierten zudem den politischen Diskurs, verstärkten polarisierende Inhalte und erschwerten eine faktenbasierte Meinungsbildung. Kaiser forderte eine verstärkte Medienkompetenz und Transparenz in der Berichterstattung. Medienhäuser müssten mit verstärkten Faktenchecks und der Offenlegung von Quellen das Vertrauen der Öffentlichkeit zurückgewinnen. Zudem sei eine strengere Regulierung von KI und sozialen Netzwerken notwendig, um Wahlmanipulationen entgegenzuwirken.

Unter der Moderation von Christoph Plate analysierten Mircea Toma (Nationaler Rat für Audiovisuelle Medien Rumänien, Bukarest), Dalibor Bubnjevic (Chefredakteur NIP „Zrenjanin“ a.D.) und Alexander Kachamov (Rechtsanwalt, Sofia) anschließend die Mechanismen der Wahlbeeinflussung in Südosteuropa.

Mircea Toma schilderte die jüngsten Wahlen in Rumänien, bei denen ein zuvor kaum bekannter Kandidat innerhalb weniger Wochen 23% der Stimmen erhielt. Die Wahl wurde daraufhin annulliert. Offiziell wegen „systemischer Risiken“, tatsächlich jedoch als Reaktion auf eine orchestrierte Desinformationskampagne, die vor allem über soziale Netzwerke lief. Innerhalb kurzer Zeit wurden u.a. über 25.000 neue Accounts aktiviert, die gezielt Inhalte verbreiteten. Diese als „Astro-Turfing“ bekannte Strategie suggerierte eine organische Bewegung, die tatsächlich künstlich erzeugt wurde. Laut den Diskussionsteilnehmern sei es primär Frustration und Entfremdung von der politischen Elite, die Menschen anfälliger für Manipulationen mache. Die fehlende Regulierung digitaler Plattformen erschwere eine wirksame Gegenwehr. Während die Justiz in Rumänien die Wahl annullierte, blieb die eigentliche Ursache, die massive digitale Manipulation, unaufgearbeitet. Die Teilnehmer waren sich einig, dass Plattformbetreiber wie TikTok und Meta eine größere Verantwortung übernehmen müssten. Solange sie Manipulationsstrategien nicht aktiv bekämpften, seien staatliche Institutionen nahezu machtlos. Die Debatte machte deutlich, dass digitale Wahlbeeinflussung eine zunehmende Bedrohung für demokratische Prozesse darstellt und ohne strengere Regulierung weiter an Einfluss gewinnen wird.

Der Austausch über den Umgang mit Desinformation in Südosteuropa zeigte, dass sich die Regionen trotz unterschiedlicher politischer Rahmenbedingungen mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sehen. Moderiert von Frank Priess, Journalist aus Berlin, beleuchteten Viktorija Car von der Universität Split und Hyrije Mehmeti von der Universität Prishtina die strukturellen Ursachen und Konsequenzen von Falschinformationen in Kroatien und Kosovo. Viktorija Car stellte die aktuelle Medienlandschaft Kroatiens vor und verwies auf eine Untersuchung der London School of Economics, die fünf zentrale Probleme der modernen Informationskrise identifiziert hatte. Verwirrung beschreibt die Unsicherheit darüber, welchen Quellen zu trauen ist. Zynismus entsteht durch wachsendes Misstrauen gegenüber Medien, wodurch sowohl seriöse als auch manipulative Inhalte abgelehnt werden. Fragmentierung wird durch Informationsblasen verstärkt, die Gruppen isolieren und alternative Perspektiven ausblenden. Verantwortungslosigkeit zeigt sich in der fehlenden ethischen Regulierung großer Plattformen, die zudem ihre Fact-Checking-Maßnahmen zunehmend reduzieren. Apathie führt dazu, dass Bürger und Bürgerinnen sich aufgrund des Vertrauensverlustes in Medien und demokratische Institutionen aus politischen und gesellschaftlichen Prozessen zurückziehen. Car kritisierte, dass die EU zwar Millionen in Fact-Checking-Initiativen investiere, jedoch nicht gezielt Journalisten und Journalistinnen unterstütze, die Desinformation an der Quelle bekämpfen könnten. Viele Medienhäuser stünden unter erheblichem finanziellem Druck, was investigativen Journalismus erschwere. Dies mache unabhängige Berichterstattung anfälliger für politische Einflussnahme und wirtschaftliche Zwänge. Hyrije Mehmeti schilderte die angespannte Lage in Kosovo, wo politische Einflussnahme auf Medien systematisch betrieben werde. Das ehemals unabhängige Medienkomitee sei mittlerweile stark von politischen Interessen durchdrungen. Besonders bei den Wahlen sei es zu groß angelegten Desinformationskampagnen gekommen, die mit KI generierte Inhalte nutzten. So wurden zB Fake-Bilder verbreitet, die eine nichtexistierende US-Militärunterstützung für bestimmte Kandidaten suggerierten. Gleichzeitig habe die Regierung nationale Fernsehsender boykottiert und eine zunehmend feindselige Rhetorik gegenüber Journalisten und Journalistinnen etabliert. Es wurde nochmals verdeutlicht, dass soziale Medien gezielt zur Verbreitung von Desinformation genutzt werden, da Algorithmen polarisierende Inhalte bevorzugen. Besonders problematisch sei der Einfluss externer Akteure, etwa aus Russland und den USA, die den Kosovo-Serbien-Konflikt für geopolitische Zwecke instrumentalisierten. Einigkeit bestand darüber, dass dringend strengere Regulierung nötig sei, da staatliche Akteure in Südosteuropa Medien über Werbefinanzierung unter Druck setzten. Der European Media Freedom Act (EMFA) solle hier mehr Transparenz schaffen. Zudem müsse sowohl in die Ausbildung von Journalisten und Journalistinnen als auch in die Medienkompetenz der Bevölkerung investiert werden, da viele Nachrichten vorrangig über soziale Netzwerke konsumierten. Insgesamt wurde deutlich, dass Desinformation nicht nur ein Medienproblem ist, sondern ein Zusammenspiel politischer, wirtschaftlicher und technologischer Faktoren, das eine engere Zusammenarbeit von Regierungen und Zivilgesellschaft erfordert.

Die Diskussion zur Rolle der Medienaufsicht verdeutlichte, wie unterschiedlich die regulatorischen Herausforderungen in Europa sind. Ralitsa Stoycheva (Konrad-Adenauer-Stiftung, Sofia) moderierte das Panel zwischen Dr. Marco Holtz (Stellvertretender Direktor der Landesmedienanstalten Berlin-Brandenburg), Orest Dabija (Rat für Audiovisuelle Medien, Chisinau) und Mircea Toma (Nationaler Rat für Audiovisuelle Medien, Bukarest). Dr. Holtz erläuterte das deutsche Modell der Medienaufsicht, das durch die Landesmedienanstalten organisiert ist und auf die Sicherung von Medienvielfalt, Transparenz und die Regulierung von Rundfunk- und Online-Medien abzielt. Er präsentierte den „InfoMonitor 2025“, der zeigt, dass das Vertrauen in etablierte Medien stark mit dem Vertrauen in demokratische Institutionen korreliert. Er verwies auf Maßnahmen gegen Desinformation, darunter Verfahren gegen Russia Today (RT) wegen fehlender Sendelizenz sowie Klagen gegen Plattformen wie Spotify, um Transparenz in der algorithmengesteuerten Nachrichtenverbreitung zu gewährleisten. Dennoch bleibe die Zersplitterung der Zuständigkeiten zwischen den Landesmedienanstalten eine Herausforderung. Toma schilderte die Lage in Rumänien, wo die Regulierung bislang primär auf den klassischen Rundfunk ausgerichtet war und digitale Medien erst kürzlich in den Fokus rückten. Massive Desinformationskampagnen während der letzten Wahlen hätten jedoch gezeigt, dass Plattformen wie TikTok gezielt zur Manipulation genutzt würden. Die EU-Kommission habe innerhalb von 48 Stunden Erklärungen von TikTok eingefordert, doch effektive Gegenmaßnahmen blieben aus. Toma betonte, dass es in Rumänien an technischer Expertise und finanziellen Ressourcen fehle, um digitale Desinformation wirksam zu bekämpfen. Orest Dabija beschrieb die besonders angespannte Situation in Moldau, wo russische Propaganda weite Teile der audiovisuellen Medienlandschaft dominiere. Die staatlichen Institutionen seien kaum in der Lage, dem entgegenzuwirken, da viele Medienplattformen im Ausland gehostet würden und somit außerhalb der moldauischen Regulierungshoheit lägen. Zwar gebe es eine enge Zusammenarbeit mit der EU, um Strategien gegen Fake News zu entwickeln, doch fehle es an ausreichenden finanziellen Mitteln und Personal, um diese Vorgaben konsequent durchzusetzen. In der abschließenden Diskussion wurde die Frage erörtert, ob eine einheitliche europäische Medienaufsichtsstruktur notwendig sei. Während Dr. Holtz das deutsche Regulierungssystem als mögliches Modell für Europa sah, forderte Toma eine stärkere Koordination zwischen den nationalen Regulierungsbehörden, um digitale Desinformation effektiver zu bekämpfen. Dabija betonte, dass besonders kleinere Staaten wie Moldau mehr Unterstützung durch EU-Institutionen benötigten, um gegen mediale Einflussnahme aus dem Ausland gewappnet zu sein. Man sei im Konsens darüber, dass eine wirksame Regulierung digitaler Plattformen entscheidend ist, um demokratische Prozesse vor Manipulation und gezielter Desinformation zu schützen. Während Deutschland bereits über etablierte Strukturen verfüge, seien viele europäische Länder auf eine stärkere europäische Zusammenarbeit angewiesen, um sich gegen hybride Bedrohungen im digitalen Raum zu wappnen.

Die abschließende Diskussionsrunde beleuchtete die Verbreitung von Desinformation im Bundestagswahlkampf und mögliche Gegenmaßnahmen. Prof. Dr. Weberling moderierte die Debatte zwischen Dr. Jörg Frederik Ferreau (Rechtsanwalt, Köln), Beate Bias (stv. Chefredakteurin, Märkische Oderzeitung/Lausitzer Rundschau/Oranienburger Generalanzeiger, Frankfurt/O.) und Susann Michalk (stv. Digitalchefin Märkische Oderzeitung/Lausitzer Rundschau/Oranienburger Generalanzeiger, Frankfurt (Oder)). Dr. Ferreau erläuterte die juristischen Rahmenbedingungen: Während Desinformation nicht grds. strafbar sei, könne sie rechtliche Konsequenzen haben, etwa bei falschen Wahlinformationen oder Deepfake-Videos, die gezielt zur Täuschung eingesetzt würden. Er veranschaulichte dies anhand eines manipulierten Videos mit Bundeskanzler Scholz, dessen Verbreitung das LG Berlin untersagte. Zudem verwies er auf eine falsche Berichterstattung des rbb über den Bundestagskandidaten Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen), welche das LG Hamburg aufgrund unzureichender Faktenlage stoppte. Bias schilderte die Herausforderungen für Medienhäuser. Wahlkämpfe würden zunehmend in sozialen Netzwerken entschieden, wo manipulative Kampagnen, Fake News und gezielte Cyberangriffe auf Redaktionen zunähmen. Journalisten und Journalistinnen seien vermehrt Drohungen und Druck ausgesetzt, insb. durch parteinahe Gruppen. Michalk erläuterte Gegenmaßnahmen ihres Medienhauses: verstärkte Faktenprüfung durch Kooperation mit der dpa, gezielte Hintergrundanalysen zur Entlarvung manipulativer Narrative und Schulprojekte zur Förderung von Medienkompetenz bei Jugendlichen. Auch technologische Schutzmaßnahmen seien entscheidend, um Redaktionen gegen Cyberangriffe abzusichern. Die Diskussion machte deutlich, dass Desinformation nur durch eine Kombination aus juristischen, journalistischen und gesellschaftlichen Maßnahmen effektiv bekämpft werden kann und dass soziale Netzwerke stärker in die Verantwortung genommen werden müssen und die digitale Medienkompetenz der Bevölkerung dringend verbessert werden sollte, um demokratische Prozesse zu schützen.

Der zweite Tag begann mit einem Panel über die Macht von Big Tech und die Bekämpfung von Informationsmanipulation im digitalen Raum. Moderiert von Ralitsa Stoycheva diskutierten Prof. Dr. Martin Andree (Universität zu Köln), Karen Kaiser und Lutfi Dervishi (Albanisches Zentrum für Qualitätsjournalismus, Tirana) über die wachsende Kontrolle weniger Technologieunternehmen über den digitalen Informationsraum. Die Teilnehmer betonten, dass Plattformen wie Google, Meta, X und TikTok nicht nur Inhalte, sondern auch den digitalen Werbemarkt dominieren, wodurch klassische Medien wirtschaftlich unter Druck geraten. Polarisierende und oft fragwürdige Inhalte werden algorithmisch bevorzugt, wodurch politische Debatten gezielt gesteuert werden können. Ein zentraler Streitpunkt war das Intermediärsprivileg, das Plattformen erlaubt, Inhalte zu monetarisieren, ohne für deren Wahrheitsgehalt haftbar gemacht zu werden. Kritiker forderten eine Abschaffung dieser Sonderstellung sowie strengere Regeln zur Offenlegung von Daten, zur algorithmischen Transparenz und zur Regulierung von KI-generierten Inhalten. Besonders besorgniserregend sei der zunehmende Einsatz von Deepfakes und Bot-Netzwerken, die gezielt genutzt werden. Die Diskussion machte deutlich, dass bisherige Regulierungsversuche nicht ausreichen, um die monopolartige Stellung der Big Tech zu brechen. Die Teilnehmer plädierten für eine Kombination aus Marktöffnung, Deregulierung von Alternativen und klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen, um Transparenz, Rechenschaftspflicht und demokratische Strukturen zu sichern.

Den Abschluss der 21. Frankfurter Medienrechtstage bildete eine Diskussion über die Rolle der Zivilgesellschaft in Wahlzeiten. Unter der Moderation von Prof. Dr. Weberling debattierten Dragan Sekulovski (Verband der Journalisten Mazedoniens, Skopje), Dr. Ivo Indzhov (Politologe, Sofia) und Benjamin Piel (Chefredakteur, Weser Kurier, Bremen) über Medienlandschaften, politische Einflussnahme und die Herausforderungen für unabhängigen Journalismus. Sekulovski gab Einblicke in die nordmazedonische Medienlandschaft, die trotz der geringen Bevölkerungszahl von über 300 Medien geprägt sei. Staatliche und parteipolitische Finanzierung schaffe jedoch ein Abhängigkeitsverhältnis, das die Unabhängigkeit des Journalismus gefährde. Zudem würden während Wahlkämpfen kurzfristig Online-Medien gegründet, um öffentliche Mittel für politische Kampagnen zu erhalten. Ein geplantes Gesetz zur verpflichtenden Registrierung von Online-Medien solle diesem Missbrauch entgegenwirken. Dr. Indzhov unterstrich, dass in Bulgarien öffentliche Gelder oft intransparent an Medien vergeben würden, um regierungskritische Berichterstattung zu verhindern. In einem solchen Umfeld sei es für investigative Journalisten und Journalistinnen schwer, unabhängig zu arbeiten. Staatliche Medienförderung könne sinnvoll sein, müsse aber strengen Transparenzvorgaben unterliegen, um politische Einflussnahme zu verhindern. Piel richtete den Blick auf Deutschland und warnte davor, die Lage als unproblematisch anzusehen. Besonders in ländlichen Regionen drohten Medienwüsten, in denen kaum noch unabhängige Berichterstattung stattfände. Während Lokalzeitungen schrumpften oder verschwanden, verbreiteten sich Desinformationsquellen ungehindert. Zudem beobachte er, dass klassische Medien zunehmend an der Aufmerksamkeitslogik sozialer Netzwerke ausgerichtet würden und dabei oft emotionale statt gesellschaftlich relevante Themen bevorzugten. Die Diskussion machte deutlich, dass die Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle bei der Förderung unabhängiger Medien spiele. Sekulovski betonte die Bedeutung von ethischen Richtlinien, journalistischen Schulungen und einer stärkeren Regulierung politisch finanzierter Medien. Piel kritisierte das deutsche Bildungssystem, das Medienkompetenz nur unzureichend vermittle und hob hervor, wie wichtig es sei, junge Menschen frühzeitig für Qualitätsjournalismus zu sensibilisieren. Eine starke Zivilgesellschaft und unabhängige Medien sind untrennbar miteinander verbunden. Es braucht rechtliche, finanzielle und gesellschaftliche Maßnahmen, um journalistische Unabhängigkeit zu sichern und Desinformation entgegenzuwirken.

Die 21. Frankfurter Medienrechtstage machten deutlich, dass sich die Herausforderungen im Umgang mit Desinformation, Medienregulierung und digitaler Meinungsbildung weltweit ähneln. Trotz unterschiedlicher politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen stünden viele Staaten vor denselben Problemen: Desinformation als systematische Bedrohung, die fehlende Regulierung großer Plattformen und der wirtschaftliche Druck auf unabhängigen Journalismus. Ebenso ähneln sich die vorgeschlagenen Lösungsansätze, die sich auf Regulierung, mediale Selbstkontrolle und gesellschaftliches Engagement stützen. Die Notwendigkeit klarer rechtlicher Vorgaben wurde vielfach betont. Gesetze hinken der technologischen Entwicklung hinterher, wodurch digitale Manipulationen weitgehend unkontrolliert bleiben. Nationale Regulierungen greifen hier zu kurz, denn das Internet ermöglicht eine nie dagewesene Geschwindigkeit und Reichweite der Informationsverbreitung, was herkömmliche Kontrollmechanismen vor enorme Herausforderungen stellt. Genau deshalb wurde deutlich, dass Regulierung allein nicht ausreiche. Ohne die kritische Medienkompetenz der Gesellschaft bleiben selbst die besten gesetzlichen Maßnahmen in ihrer Wirkung begrenzt. Die Medienrechtstage zeigten, dass Ideen, Expertise und ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Problems vorhanden sind. Doch ebenso wurde deutlich, dass die Teilnahme am Diskurs gering blieb. Die Beeinflussung der Meinungsbildung und damit auch von Wahlen kann nicht von Einzelnen gelöst werden. Die Sicherung faktenbasierter Berichterstattung liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Politik, Medienhäusern und der Zivilgesellschaft. Die Erkenntnisse und Lösungsansätze dieser Tagung sollten über die Fachöffentlichkeit hinaus in eine breitere Debatte über die Zukunft der Medien und demokratischer Informationsräume eingebracht werden.

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