Dipl.-Jur. Luis Blödorn und Stud. iur. Yorllina Harms
MMR-Aktuell 2025, 01297 Unter dem Titel „Gaming und eSport: Digitales Spielfeld und rechtliche Grenzen“ lud das Kompetenzzentrum eSport der Leibniz Universität Hannover (Ke§H) am 17.4.2025 zur diesjährigen, nunmehr dritten Tagung. Unter der Prämisse, aktuelle Fragestellungen zu diskutieren und die rechtlichen Grenzen des eSports zu beleuchten, gewährte die gut besuchte Tagung Einblicke in diverse Bereiche des eSports und Gamings sowohl aus rechtswissenschaftlicher wie auch aus praktischer Perspektive.
Das 2021 von Prof. Dr. Margrit Seckelmann, M. A., und RA Dr. Andreas H. Woerlein, LL. M., gegründete Kompetenzzentrum widmet sich rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit Gaming und eSport, um die in der Gesellschaft seit Jahren immer populärer werdenden Phänomene (rechts-)wissenschaftlich einzuordnen. Zudem fungiert das Kompetenzzentrum als Ansprechpartner für Politik, Verbände und Behörden. Auch die diesjährige Tagung begann mit einer Begrüßung der beiden Gründer, die dabei einen Überblick über die Arbeit des vergangenen Jahres gaben. Daran schloss sich das bereits zur Tradition gewordene Grußwort des Dekans der Juristischen Fakultät Hannover, Prof. Dr. Jan Eichelberger, LL.M. oec., an. In diesem blickte Eichelberger auf die letzten beiden Tagungen zurück und betonte die etablierte Relevanz des eSports, der längst kein Nischenthema mehr sei.
Im Folgenden skizzierte Dr. Alexander Georgiadis, Referatsleiter beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, in seinem Grußwort, weshalb sich auch das Niedersächsische Wirtschaftsministerium mit dem Thema eSport befasst und welche Auswirkungen dieses Thema auf die Arbeit des Ministeriums hat.
Hieran schloss sich der erste Vortrag von Dipl.-Jur. Florian Mäder vom Kompetenzzentrum eSport der Leibniz Universität Hannover mit dem Titel „Digitales Spielfeld, reale Risiken: Blockchain-Gaming im Kontext des Beschäftigten- und Minderjährigendatenschutzes“ an. In seinem Beitrag ging Mäder auf das Phänomen der Blockchain-Technologie ein und erläuterte anhand eines play2earn-Spiels die Zusammenhänge und Probleme vor allem im Kontext des Minderjährigenschutzes. Hierbei stellte er fest, dass Spieler von blockchainbasierten Games einschließlich Minderjähriger auch als „Beschäftigte“ iSd Datenschutzes gelten und zeigte verschiedene rechtliche Folgeprobleme auf. Zudem analysierte Mäder die Regelungen im Beschäftigten- sowie Minderjährigendatenschutz, die nach seiner Auffassung zusammengelesen werden müssten. Er kam zu der Schlussfolgerung, dass durch gänzlich neue Anwendungsbereiche entstandene Rechtslücken künftig geschlossen werden müssen. Im Rahmen seiner Dissertation möchte er hierzu einen Beitrag leisten.
Im zweiten von insgesamt sechs Vorträgen setzte sich Dipl.-Jur. Jasmin Dolling, LL.B. von der Forschungsstelle Games-Recht der Bucerius Law School zu dem Thema „Graphic violence, explicit sexual activity: Maßstäbe der Sittenwidrigkeit im Immaterialgüterrecht“ mit der komplexen rechtlichen Bewertung von Darstellungen von Gewalt und Sexualität in digitalen Spielen auseinander. Anlass war das unionsmarkenrechtliche Eintragungsverfahren Nr. 017282203, bei dem das EUIPO im Herbst 2024 dem englischen Entwicklerstudio Rebellion Developments den Schutz der Kill Cam Funktion aus ihrer Sniper Elite-Reihe verwehrte. Vor dem Hintergrund, dass die Ablehnung auch und vor allem mit einer Sittenwidrigkeit begründet wurde, arbeitete Dolling nach einer Einordnung der Bedeutung des Registerschutzes für Games heraus, dass Sittenwidrigkeit im Registerrecht ein regelmäßig wiederkehrendes Kriterium sei. In der Folge ging sie der Frage nach, wie Sittenwidrigkeit definiert werden könne und wann die Schwelle zur Sittenwidrigkeit erreicht sei, und bezog dafür insb. den Jugendschutz sowie gesellschaftliche Moralvorstellungen ein. Hierbei erwog Dolling aufgrund der stark subjektiven Prägung der Sittenwidrigkeit auch eine Abschaffung dieses Kriteriums.
RA Bastian Orlowski, zugleich Promotionsstudent an der Leibniz Universität Hannover, befasste sich sodann in seinem Vortrag „Scouting ohne Kenntnis der Spieler – Rechtsverletzende Innovation?“ mit dem sog. Active Scouting. Dabei handelt es sich um eine Praxis, bei der internationale agierende eSport-Teams unter Nutzung Künstlicher Intelligenz eine Vielzahl personenbezogener Daten von potenziellen zukünftigen Teammitglieder verarbeiten, ohne dass die betroffenen Spieler hiervon Kenntnis erlangen. Orlowski stellte im Rahmen seines Vortrags Teile seiner Dissertation vor und untersuchte die mit dem Active Scouting einhergehenden arbeits- und datenschutzrechtlichen Problematiken. Zudem befasste er sich eingehend mit der Frage, ob diese Praxis zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich sein könne.
Weiter bereicherte Martin Müller, Vizepräsident des eSport-Bund Deutschland e.V. (ESBD), unter dem Titel „Zurück in die Zukunft – Quo vadis E-Sport“ die Vortragsreihe um eine praxisnahe Perspektive. In einem persönlichen und zugleich fundierten Erfahrungsbericht blickte er zurück auf 45 Jahre Computerspielwettbewerbe und zeichnete die Entwicklung des eSports in Deutschland nach. Dabei ordnete er die Transformation in verschiedene Epochen ein und setzte diese auch in einen internationalen Kontext. Zugleich blickte Müller auf den Status Quo und zeichnete ein mögliches Bild des eSports im Jahr 2030. Dabei kam er zu dem Schluss, dass es viel zu diskutieren und zu entscheiden gebe, um den Anschluss Deutschlands an die Weltspitze nicht zu verlieren und die brückenbauende Funktion des eSports zu erhalten.
Im Rahmen seines Vortrags „Von Brüssel nach Berlin – Die Regulierung von Lootboxen im europäischen und nationalen Recht“ widmete sich Dipl.-Jur. Philip Mayer, LL.B. vom Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht der Universität Münster den rechtlichen Besonderheiten von Lootboxen in digitalen Spielen. Zunächst analysierte er die Regulierungsansätze auf europäischer Ebene und stellte dabei anschaulich das Verbot von sog. „Dark Patterns“ nach Art. 25 Abs. 1 DSA sowie den Online-Schutz Minderjähriger nach Art. 28 Abs. 1, 2 DSA dar. In einem zweiten Schritt systematisierte und beleuchtete Mayer die Regulierung von Lootboxen im nationalen Recht, vor allem nach dem Lauterkeits-, dem Verbraucherschutz-, dem Jugendschutz- sowie dem Glücksspielrecht. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass Lootboxen de lege lata in vielfältiger Weise erfasst seien und den lediglich partiellen Schutzlücken durch geringfügige Korrekturen Abhilfe geschaffen werden könnte. Zugleich bilanzierte Mayer auch, dass ein Problem im Vollzug des geltenden Rechts liege, hier jedoch eine Zunahme etwa mit Blick auf die niederländischen Verbraucherschutzbehörden festzustellen sei.
Dipl.-Jur. Tarmio Frei LL.B., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Recht und Digitalisierung der Bucerius Law School, beleuchtete abschließend mit seinem Vortrag „Every step you take, I’ll be watching you: Datenschutzrechtliche Probleme automatischer Anti-Cheat-Software in Videospielen“, inwieweit datenschutzrechtliche Herausforderungen bei diesen bestehen. Hierzu stellte er zunächst zwei verschiedene Arten von Anti-Cheat-Software vor: Während eine auf dem Server scanne, ob übermenschliches Spielverhalten vorliege, werde bei der zweiten Variante der Computer des Spielers nach Auffälligkeiten durchsucht, etwa im Arbeitsspeicher oder bei aktiven Fenstern und Prozessen. Daran anknüpfend ging Frei auf die Balance zwischen dem Schutz vor Cheating und den potenziellen Eingriffen in die Privatsphäre der Spieler ein. Insb. thematisierte er die Gefahren für die einzelnen User durch schnelle Überwachung und Missbrauchsgefahr sowie die rechtlichen Anforderungen, vor allem der erforderlichen Einwilligung nach § 25 TDDDG. Zum Schluss stellte er verschiedene Lösungsideen vor, um auch den Wünschen und Erwartungen der Spielenden gerecht zu werden. Wie auch bei den vorherigen Beiträgen wurden diese Ideen unter den Teilnehmenden angeregt diskutiert.
Insgesamt stellte die Tagung eine mehr als gelungene Fortsetzung der beiden vorherigen Tagungen dar. Für die knapp 50 Teilnehmenden bot sie nicht nur ein spannendes und abwechslungsreiches Programm, sondern auch eine geeignete Plattform für gehaltvolle Diskurse und persönliche Gespräche. So konnte die Tagung durch vielfältige Perspektiven neue Impulse für die weitere Forschung setzen.
Dipl.-Jur. Luis Blödorn ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Rechtsinformatik der Leibniz Universität Hannover.
Stud. iur. Yorllina Harms ist studentische Hilfskraft am Institut für Rechtsinformatik der Leibniz Universität Hannover.