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USA: Sind die Abgaben zum Universaldienstfonds verfassungswidrig?

RA Dr. Axel Spies ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Morgan, Lewis & Bockius in Washington DC und Mitherausgeber der MMR.

MMR 2025, 161   Die Überschrift klingt speziell, aber es geht um ein ganz grundsätzliches Thema, nämlich was eine Regulierungsbehörde verfassungsrechtlich bei der Umsetzung allgemeiner Gesetzesregeln darf und was nicht - auch mit Konsequenzen für die Debatte zur TK-Regulierung in Europa. Das Thema „Universaldienst“ ist dafür nur der Aufhänger. Die bald anstehende höchstrichterliche Klärung wird in Washington DC mit Spannung erwartet.

Universaldienst in der EU/Deutschland

RL (EU) 2018/1972 v. 11.12.2018 (Elektronische Kommunikationskodex-RL - EECC) beschreibt den Sinn und Zweck des Universaldienstes in Erwägungsgrund 212 EECC wie folgt: „Der Universaldienst stellt ein Sicherheitsnetz dar, durch das zumindest ein gewisses Mindestmaß an Diensten für alle Endnutzer und zu erschwinglichen Preisen für Verbraucher in Fällen gewährleistet werden soll, in denen ansonsten die Gefahr einer sozialen Ausgrenzung bestehen würde, da unzureichende Zugangsmöglichkeiten die Bürger an einer uneingeschränkten sozialen und wirtschaftlichen Teilhabe an der Gesellschaft hindern würden.“ Mit Inkrafttreten des überarbeiteten TKG am 1.12.2021 in Deutschland wurde der bisherige Universaldienst durch ein Recht auf Versorgung mit TK-Diensten ersetzt. Im Kern mit dem gleichen Ziel: ein Mindestangebot an TK-Diensten, das allgemein verfügbar sein muss, an Sprachkommunikationsdiensten sowie ein schneller Internetzugangsdienst (§ 157 Abs. 2 TKG). Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage soll damit nun vor allem nicht mehr nur ein „funktionaler“ (§ 78 Abs. 2 Nr. 1 TKG 2012), sondern ein „schneller“ Internetzugang verfügbar sein. Um die damit einhergehende Belastung des Verpflichteten in grundrechtskonformer Weise zu mindern, sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen einen finanziellen Ausgleich vor. Dieser wird nur auf entsprechend „begründeten“ Antrag gewährt (§ 162 Abs. 1 TKG).

Universaldienst in den USA auf der Kippe

Der US-Ansatz ist ähnlich wie der des EECC, geht aber darüber hinaus. „Universaldienst“ ist ein Eckpfeiler des Gesetzes, mit dem die Federal Communications Commission (FCC) gegründet wurde (Communications Act von 1934). Seitdem hat das System des Universaldienstes unstreitig dazu beigetragen, dass TK-Dienste so gut wie überall verfügbar sind, selbst in abgelegenen ländlichen Gebieten. Heutzutage erkennt die FCC das Hochgeschwindigkeitsinternet als die wesentliche Kommunikationstechnologie des 21. Jahrhunderts an und arbeitet daran, Breitband so allgegenwärtig verfügbar wie Sprachdienste zu machen, was allein aufgrund der geografischen Struktur der USA mit vielen dünn besiedelten Gebieten, viel Geld erfordert. „Universal Service Fund“ (USF) ist der Name des Fonds und des Bündels von FCC-Programmen und -Richtlinien zur Umsetzung dieses Prinzips.

Mit dem Telecommunications Act von 1996 wurde das traditionelle Ziel des Universaldienstes um einen verbesserten Zugang zu TK-Diensten und fortgeschrittenen Diensten, wie zB Hochgeschwindigkeitsinternet, für alle Verbraucher zu gerechten, angemessenen und erschwinglichen Preisen erweitert - primär für ländliche und Inselgebiete sowie für Verbraucher mit niedrigem Einkommen. Weitere Mittel fördern den Zugang zu Hochgeschwindigkeitsinternet in Schulen, Bibliotheken und ländlichen Gesundheitseinrichtungen des Landes. Die FCC richtete dazu vier Programme innerhalb des USF ein:

# Connect America Fund (früher bekannt als High-Cost Support) für ländliche Gebiete;

# Lifeline (für Verbraucher mit niedrigem Einkommen), einschließlich Initiativen zur Erweiterung des Telefondienstes für Bewohner von Stammesgebieten;

# Dienste für Schulen und Bibliotheken (E-Rate) und

# Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum.

Der Universaldienstfonds wird durch Beiträge von TK-Anbietern finanziert, die auf der Grundlage ihrer zwischenstaatlichen und internationalen Endnutzereinnahmen berechnet werden. Alle Betreiber und bestimmte Anbieter von TK-Diensten müssen einen Beitrag zum USF leisten. Zu diesen Unternehmen gehören Festnetz- und Mobilfunkunternehmen und bestimmte Anbieter von Voice over Internet Protocol (VoIP). Der genaue Prozentsatz, den die Unternehmen beisteuern (der USF-Beitrags-Faktor), wird jedes Quartal auf der Grundlage der prognostizierten Nachfrage/Kosten nach der Universaldienst-Finanzierung angepasst. Die FCC berechnet daraus den vierteljährlichen Beitrags-Faktor im Verhältnis zu den Endnutzer-Einnahmen aus den zwischenstaatlichen und internationalen TK-Diensten der Beitragszahler. Derzeit beläuft sich dieser Faktor auf (erhebliche) 35,8% des Betrags, den die Anbieter ihren Privat- und Geschäftskunden für zwischenstaatliche und internationale Anrufe oder Dienste in Rechnung stellen. Der individuelle Beitrag ist ein separater Posten auf jeder TK-Rechnung - leicht erkennbar für die Endnutzer. Mit anderen Worten: Die TK-Anbieter geben die USF-Gebühren in voller Höhe in Form von separaten Rechnungsposten an ihre Kunden weiter.

Die privatrechtlich organisierte Universal Service Administrative Company (USAC) verwaltet mit rd. 700 (!) Mitarbeitern die vier Programme und zieht die Gelder für den USF unter Aufsicht der FCC ein. Die USAC legt die Beitragssätze fest, versendet die Rechnungen an die Anbieter, zieht Gebühren ein und zahlt Gelder an begünstigte Programme aus.

Streitfall vor dem Obersten Gerichtshof der USA

Am 22.11.2024 nahm der US Supreme Court den Streitfall Federal Communications Commission vs. Consumers' Research zur Entscheidung an - einen Fall, der die seit Jahren vor sich hin köchelnde Debatte zum Gesetzesvorbehalt weiter anheizt. Die Kernfrage ist, inwieweit US-Verfassungsrecht der Delegation von Befugnissen an Behörden und/oder an private Einrichtungen Grenzen setzt.

Das Berufungsgericht des Fünften Gerichtsbezirks kam zu folgenden Schlüssen:

1. Die Finanzbeiträge zum Universaldienst, die von TK-Anbietern geleistet und an die Verbraucher weitergegeben werden, stellen eine Steuer und keine Verwaltungsgebühr dar.

2. Der US-Kongress hat die Befugnis zur Besteuerung der FCC unzulässig und verfassungswidrig delegiert, weil er es versäumt hat, der FCC die erforderliche Orientierungshilfe für ihr Ermessen mitzugeben.

3. Die FCC hat ihre eigenen Befugnisse unzulässigerweise an die USAC delegiert.

4. Selbst wenn die o.g. Delegationen von Befugnissen einzeln jeweils zulässig wären, überschreitet die Kombination beider Delegationen insgesamt die verfassungsrechtlichen Grenzen.

Der US Supreme Court wird in der letzten Instanz über zwei wichtige Rechtsfragen entscheiden:

# Ist die Ermächtigung der FCC, die Höhe der USF-Gebühren festzulegen wegen der Non-Delegation-Doctrine (in etwa „Lehre vom Gesetzesvorbehalt“) verfassungswidrig, weil der FCC zu viel Regelungsbefugnis übertragen wird?

# Verstößt die Übertragung von Befugnissen der FCC an die USAC als privatrechtliche Organisation gegen die Non-Delegation-Doctrine?

Consumers' Research, die Klägerin, argumentiert, dass das USF-System klar gegen die genannte Doktrin verstoße, da es dazu führe, dass „ein privates Unternehmen die Amerikaner unter Androhung von Strafe und ohne echte staatliche Rechenschaftspflicht jedes Jahr mit Milliarden von Dollar besteuert.“ Die FCC argumentiert, dass die Regeln keineswegs gegen die Non-Delegation-Doctrine verstoßen, da der Kongress „verständliche Grundsätze“ festgelegt habe, die der FCC vorgeben, wie sie zu handeln habe; die USAC übe nur die Verwaltungsbefugnis über den Fonds aus, habe kein Ermessen und werde von der FCC engmaschig überwacht. Die mündliche Verhandlung vor den US Supreme Court findet am 26.3.2025 statt, das Urteil wird im Sommer 2025 erwartet.

Weitreichende Konsequenzen nicht nur für die FCC

Ein Verbot des Systems des Universaldienstes würde dem jüngsten Trend des Gerichts entsprechen, die Macht der Behörden einzuschränken, wie in der Leitentscheidung Loper Bright Enterprises vs. Raimondo, Corner Post vs. Board of Governors of the Federal Reserve System etc zu sehen war (s. Analyse bei Spies MMR-Aktuell 2024, 01542). Wenn der US Supreme Court wie das Berufungsgericht entscheidet, dass die öffentliche Übertragung der Rechtsetzungsbefugnis an die FCC gem. Abschnitt 254 US Communications Act verfassungswidrig ist, wird damit das gesamte USF-Programm rechtlich gekippt. Die praktischen Auswirkungen wären erheblich: Es könnte für die FCC schwierig oder gar unmöglich sein, auf bereits gesammelte USF-Mittel zuzugreifen und sie auszuzahlen. Wenn das Oberste Gericht der FCC keine großzügigen Übergangsfristen einräumt, könnte damit das gesamte US-System des Universaldienstes wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

Die Entscheidung des US Supreme Court könnte weiter Kreise auf das US-Verwaltungsrecht im Allgemeinen ziehen, insbesondere auf alle Bundesbehörden, die befugt sind, Gebühren festzusetzen oder den Einzug der Gebühren an private Einrichtungen zu delegieren. In einem kürzlich beim US Supreme Court eingereichten Schriftsatz verteidigt die FCC ihre USF-Regeln im Allgemeinen und den Beitragsfaktor im Besonderen, während sich die Richter darauf vorbereiten, den möglicherweise folgenreichsten FCC-Fall seit Jahren mündlich zu verhandeln. Strenge Vorgaben des Gerichts zum Gesetzesvorbehalt würden dazu führen, dass so gut wie alle Ermessensentscheidungen einer Behörde in Frage gestellt werden: im Umweltrecht, bei Finanzdienstleistungen, im Gesundheitswesen und mehr. Im TK-Bereich stünde zB zur Debatte, ob die FCC die Befugnis hat, sog. private lines (Punkt-zu-Punkt-Verbindungen mittels vordefinierter physischer oder virtueller Übertragungswege) zu regulieren. Ob der US-Kongress die bestehenden Gesetzeslücken nach einer Entscheidung zügig füllt, ist fraglich. Mit weiteren Klageverfahren gegen die FCC und andere US-Behörden ist dann in jedem Fall zu rechnen.

Washington DC, im März 2025

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