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Belgien: EuGH-Vorlage wegen Klage gegen Umsetzung der DSM-Richtlinie in Belgien

Christina Etteldorf ist Wissenschaftliche Referentin am Institut für Europäisches Medienrecht e. V. (EMR), Saarbrücken.

MMR-Aktuell 2024, 01795   Mit Entscheidung v. 26.9.2024 hat das belgische Verfassungsgericht ein bei ihm anhängiges Verfahren zur Nichtigerklärung des belgischen Gesetzes, das die RL (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt (DMS-RL) umsetzt, ausgesetzt und dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Das Verfahren ist beim EuGH als Rs. C-663/24 anhängig. Die Fragen betreffen vor allem die Auslegung des Leistungsschutzrechts für Presseverlage (Art. 15 DSM-RL) und die Haftungsmodifikationen für Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten (Art. 17 DSM-RL), die unter dem Stichwort „Upload-Filter“ Gegenstand von Diskussionen im Gesetzgebungsprozess waren. Kl. des Nichtigkeitsverfahrens sind dabei vor allem große Tech-Firmen wie Googe und Meta.

Mit Gesetz v. 19.6.2022 hat Belgien die DSM-RL im nationalen Recht umgesetzt. Verschiedene Vorschriften dieses Umsetzungsgesetzes, vor allem diejenigen, die die Art. 15 ff. DSM-RL implementieren, werden seit Anfang 2023 mit Nichtigkeitsklagen vor dem belgischen Verfassungsgericht angegriffen. Unter den Kl. befinden sich dabei vor allem große international agierende Konzerne wie die amerikanische Google LLC und ihre irische Tochterfirma Google Ireland Ltd., die belgische Spotify Belgium SA und die schwedische Spotify AB, die irische Meta Platforms Ireland Ltd, die belgische Streamz SRL und die belgische Sony Music Entertainment Belgium SA. Konkret geht es insbesondere um Art. 38 und 39 des belgischen Gesetzes, die das Leistungsschutzrecht für Presseverlage umsetzen, und Art. 54 des belgischen Gesetzes, der einen Vergütungsanspruch gegenüber Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten in Fällen der Verletzung des Rechts auf öffentliche Wiedergabe regelt. Gerügt wird, dass das belgische Recht über den von der DSM-RL vorgesehenen Rahmen in unzulässiger Weise hinausgeht. Entsprechendes spiegelt sich auch in den 13 sehr detaillierten Vorlagefragen wider, die das Verfassungsgericht an den EuGH richtet.

Erstens will das vorlegende Verfassungsgericht wissen, ob Art. 15 DSM-RL nationalen Vorschriften entgegensteht, die ein klar definiertes Verfahren für die Umsetzung des Leistungsschutzrechts vorsehen, das von einer Verwaltungsbehörde überwacht und gerichtlich überprüft werden kann und das dazu führen kann, dass Presseverleger für die Online-Nutzung ihrer Presseveröffentlichungen entschädigt werden müssen, unabhängig davon, ob sie diese selbst online gestellt haben. Die zweite Vorlagefrage betrifft die mögliche Reichweite von Informationspflichten vor dem Hintergrund von Art. 15 DSM-RL und den Grundrechten. Dabei geht es darum, ob und inwieweit die Online-Dienste auch zur Auskunft über vertrauliche Informationen über die Nutzung von Presseveröffentlichungen verpflichtet werden können, etwa auch dann, wenn die von Presseverlegern im Gegenzug erwirtschafteten Gewinne aus der Online-Nutzung dabei nicht berücksichtigt werden. Drittens wird gefragt, ob auch eine allgemeine Verpflichtung vor dem Hintergrund dieser Vorschriften zulässig ist, die Online-Dienste zum Abschluss von Vereinbarungen mit jedem Presseverleger zwingt, ohne dabei zu unterscheiden, ob der Inhalt urheberrechtlich geschützt ist oder nicht oder ob die Nutzer auf die betreffenden Veröffentlichungen in ihrer Gesamtheit oder nur auf Auszüge davon zugreifen können. Die vierte Frage hinsichtlich der Umsetzung von Art. 15 DSM-RL betrifft die Einschlägigkeit einer Notifizierungspflicht nach Art. 1 Abs. 1 lit. f RL (EU) 2015/1535 für solche nationalen Regeln.

In Bezug auf Art. 1617 und 18 DSM-RL sowie Art. 56 AEUV fragt das belgische Verfassungsgericht (fünftens bis achtens), ob hiermit eine nationale Regelung vereinbar ist, die ein unveräußerliches und nicht übertragbares Recht auf eine obligatorische Vergütung einführt, das aber im Fall bereits abgetretener Rechte nur von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden kann. Und, neuntens, ob auch hierfür eine Notifizierung erforderlich ist. Die restlichen Vorlagefragen betreffen ähnliche Vereinbarkeitsfragen – hier auch im Lichte der Urheberrechts-RL – in Bezug nicht auf die in der DSM-RL adressierten Diensteanbieter für das Teilen von Online-Inhalten, sondern auf Streaming-Anbieter, die das belgische Recht ebenfalls Pflichten unterwirft.

Weiterführende Links

Vgl. auch Etteldorf MMR-Aktuell 2022, 448562; Kaiser MMR-Aktuell 2021, 441542 und Peter MMR-Aktuell 2022, 444953.

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