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EuGH: Verhältnis zwischen Vertraulichkeitsschutz und Meinungs- und Informationsfreiheit

Dr. Jörg Ukrow, LL. M. Eur., ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Instituts für Europäisches Medienrecht e. V. (EMR) und stellvertretender Direktor der Landesmedienanstalt Saarland (LMS).

MMR-Aktuell 2024, 01333   Der EuGH hat (Urt. v. 18.1.2024 – C-451/22) eine für das Medienrecht bedeutsame Entscheidung im Kontext der schon vor dem 24.2.2022 bestehenden militärischen Auseinandersetzungen in der Ostukraine getroffen. Am 17.7.2014 hatten 298 Personen ihr Leben verloren, als das Flugzeug, das den Flug Malaysia Airlines MH17 von Amsterdam (Niederlande) nach Kuala Lumpur (Malaysia) durchführte, von einer russischen Rakete über Hrabove abgeschossen wurde, einem Dorf in der schon damals von prorussischen Separatisten kontrollierten Region Donbass im Osten der Ukraine. 2018 ersuchten zwei niederländische Medienunternehmen, RTL Nederland und RTL Nieuws, die niederländische Regierung um Informationen zu diesem Thema. Der zuständige Minister für Justiz und Sicherheit lehnte diese Anfrage ab und berief sich dabei auf die Vertraulichkeit der betreffenden Informationen nach dem nationalen Recht und dem Unionsrecht.

Aus Sicht von RTL bestand ein solches Vertraulichkeitserfordernis nicht. Zudem berief sich RTL iRd Rechtsmittels, das der Sender beim niederländischen Staatsrat eingelegt hatte, auf das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit sowie auf die besondere Rolle als „Wachhund“, die den Presseorganen in diesem Zusammenhang zukomme.

Vor diesem Hintergrund hat der EuGH in seinem Urteil festgestellt, dass Art. 15 VO (EU) 376/2014v. 3.4.2014 über die Meldung, Analyse und Weiterverfolgung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt im Licht des in Art. 11 GRCh verankerten Rechts auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit dahin auszulegen sei, dass die im Besitz der zuständigen nationalen Behörden befindlichen Informationen über ein flugsicherheitsbezogenes Ereignis iSv Art. 2 Nr. 7 VO (EU) Nr. 376/2014 in geänderter Fassung einer Vertraulichkeitsregelung unterliegen, die zur Folge hat, dass weder die Öffentlichkeit noch ein Medienunternehmen ein Recht darauf hat, in irgendeiner Form Zugang zu ihnen zu erhalten.

In seinem Urteil bestätigt der Gerichtshof, dass die Vertraulichkeit der Informationen über Flugstörungen und -unfälle ein zentraler Bestandteil des Überwachungs- und Kontrollsystems ist, das der Unionsgesetzgeber zu dem Zweck eingerichtet hat, die Flugsicherheit zu verbessern, und das darauf beruht, dass diese Informationen gesammelt, unter den Behörden ausgetauscht und analysiert werden. Er unterstreicht, dass es sich dabei um eine strenge Vertraulichkeit handelt, die für alle Informationen gilt, die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu diesem Zweck erfasst oder erstellt werden. Diese Vertraulichkeitspflicht hat zur Folge, dass es verboten ist, solche Informationen zu anderen Zwecken, gleich welcher Art, zur Verfügung zu stellen oder zu verwenden.

Der EuGH stellt außerdem fest, dass diese allgemeine und strenge Vertraulichkeitsregelung zwar geeignet ist, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit zu beeinträchtigen, dass sie aber gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zu der mit ihr verfolgten Zielsetzung steht. Sie hindert die Öffentlichkeit und die Medien nämlich nicht daran, sich über dieses Thema aus anderen Quellen oder auf anderem Wege zu informieren. Ferner schließe sie nicht jede Möglichkeit der Offenlegung der fraglichen Informationen aus, da die zuständigen Behörden oder Gerichte der Mitgliedstaaten von Amts wegen entscheiden können, bestimmte dieser Informationen unter ihrer Kontrolle zu veröffentlichen, sofern dies mit dem Schutz der Flugsicherheit vereinbar ist.

Weiterführende Links

Vgl. auch Schoch ZGI 2023, 251.

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