Christina Etteldorf ist Wissenschaftliche Referentin am Institut für Europäisches Medienrecht e. V. (EMR), Saarbrücken.
MMR-Aktuell 2024, 01439 Der EuGH hat mit Entsch. v. 29.2.2024 – C-679/22 – EU-Kommission/Irland festgestellt, dass Irland durch Nichtumsetzung der RL 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (AVMD-RL) in der durch die RL (EU) 2018/1808 geänderten Fassung gegen seine Pflichten aus Art. 2 AVMD-RL verstoßen hat. Er ordnete daher die Zahlung eines Pauschalbetrags iHv 2,5 Mio. EUR an, den der Mitgliedstaat an die EU-Kommission zu zahlen hat. Für jeden weiteren Tag der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung wird außerdem ein tägliches Zwangsgeld von 10.000 EUR fällig.
Die AVMD-RL wurde 2018 umfassend reformiert. Neben der Konkretisierung von Zuständigkeitskriterien hinsichtlich des Herkunftslandprinzips, Anpassungen in den Bereichen Jugendschutz und Hassrede sowie der Verschärfung qualitativer und Liberalisierung quantitativer Werbebestimmungen, war wesentliches Element dieser Reform vor allem die Einführung von Regeln für Video-Sharing-Plattformen. Insbesondere sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass solche Dienste zumindest ähnlichen Vorschriften in Bezug auf Werbung, Jugendschutz und bestimmte illegale Inhalte unterliegen wie bislang Fernseh- und Video-on-Demand-Dienste. Für nutzergenerierte Inhalte soll daher die Ergreifung angemessener Maßnahmen wie etwa die Einführung von Kennzeichnungs-, Melde- und Altersverifikationssystemen im mitgliedstaatlichen System vorgeschrieben werden. Diese Regeln waren von den Mitgliedstaaten bis September 2020 umzusetzen. Da es nach Ablauf dieser Frist nicht zu einer Notifizierung eingeführter gesetzlicher Regeln durch Irland bei der EU-Kommission gekommen war – eine entsprechende Pflicht trifft die Mitgliedstaaten nach Art. 2 AVMD-RL – leitete diese ein Verfahren ein, das letztlich in der Erhebung einer Klage beim EuGH im November 2022 mündete. Am 2.3.2023 trat in Irland der Online Safety and Media Regulation Act 2022 in Kraft, der die wichtigsten Bestimmungen der Änderungs-RL aus 2018 umsetzt. Da die EU-Kommission der Auffassung war, dass Irland damit zwar teilweise, aber nicht vollständig seinen Notifizierungs- und Umsetzungspflichten nachgekommen war, änderte sie die ursprüngliche Klage vor allem in der Höhe des geforderten Bußgelds zwar ab, verfolgte sie aber dennoch dem Grunde nach weiter.
Der EuGH folgte nunmehr der Argumentation der EU-Kommission. Die Geldstrafe iHv 2,5 Mio. EUR wird auf Basis von Art. 260 Abs. 3 AEUV erlassen und erfolgt wegen der (unbestritten) nicht erfolgten Notifizierung trotz Bestehens einer Notifizierungspflicht. Der EuGH war der Ansicht, dass ein Pauschalbetrag als Strafe festgesetzt werden müsse, um einen Abschreckungseffekt für künftige ähnliche Verstöße zu erzielen. Was die Höhe des Betrags betrifft, berücksichtigte der EuGH die Schwere der Vertragsverletzung, deren Dauer und Irlands Zahlungsfähigkeit. In Bezug auf den ersten Faktor wurde betont, dass die RL ein wichtiges Instrument zur Anpassung der EU-Vorschriften an die raschen (Konvergenz-)Entwicklungen auf dem Markt für audiovisuelle Mediendienste seien und ihre Nichtumsetzung daher verfolgte Ziele wie Jugend- und Verbraucherschutz torpediere. Die Schwere des Verstoßes werde darüber hinaus noch dadurch verschärft, dass auch der Online Safety Act 2023 keine vollständige Umsetzung vornehme, insbesondere den so wichtigen Bereich des Schutzes von Minderjährigen weitestgehend auslasse. Auch dort vorgesehene Möglichkeiten der Selbst- und Ko-Regulierung, die potenziell auch im Bereich Jugendschutz ergriffen werden könnten, seien eben noch nicht praktisch umgesetzt. Die Fortdauer des Verstoßes war auch Grund für die zusätzliche Auferlegung eines täglichen Zwangsgelds iHv 10.000 EUR neben dem zu zahlenden Pauschalbetrag.
Besonders relevant ist das Urteil – bzw. viel mehr noch die (weiterhin) nicht vollständige Umsetzung der AVMD-RL – in Irland, das durch das tägliche Zwangsgeld nun unter Druck gesetzt wird, weil den Regeln das Herkunftslandprinzip zu Grunde liegt. (Auch) Video-Sharing-Plattformen müssen sich demnach grundsätzlich (nur) an das Recht desjenigen Staates halten, in dem sie ihre Hauptniederlassung haben. Für die meisten großen Angebote wie YouTube, aber auch soziale Netzwerke wie Instagram oder TikTok, die ebenfalls unter den Begriff der Video-Sharing-Plattform fallen können, ist das Dublin, Irland.
Weiterführende Links
Vgl. auch Etteldorf MMR-Aktuell 2022, 449229 mwN.