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Kreß, Crowdwork

Dr. Jens Tiedemann ist Direktor des ArbG Sieg-burg.

Stefan Kreß, Crowdwork, Schriften zum Bürgerlichen Recht, Bd. 525, Berlin (Duncker & Humblot) 2021, ISBN 978-3-428-18211-4, 69,90 EUR

MMR-Aktuell 2024, 02011   Die Arbeitswelt verändert sich durch die Digitalisierung rasant und es entstehen zB neue Formen der (Zusammen-)Arbeit. Digitale Plattformen ermöglichen es hierbei, Aufgaben gegenüber einer Vielzahl von Personen (sog. Crowdworker) auszuschreiben, um zügig und kostengünstig Ergebnisse geliefert zu bekommen. Je nach Sichtweise wird entweder die Gefahr eines „digitalen Prekariats“ (S. 22) beschworen oder es wird die Flexibilität und das große Maß der Selbstbestimmung dieser Tätigkeit betont. Im Kern geht es dabei im Regelfall darum, ob Crowdworker rechtlich als Selbstständige oder als abhängig Beschäftigte anzusehen sind.

Kreß stellt daher in seiner Arbeit zunächst den Untersuchungsgegenstand näher dar, nimmt eine Begriffsbestimmung von Crowdwork und stellt die Umsetzung in der Praxis vor. Je nach Vertragsgestaltung stellen sich die rechtlichen Bindungen bei externer/interner sowie direkter/indirekter Crowdwork unterschiedlich dar, wobei es im Wesentlichen davon abhängt, ob der sog. Crowdsourcer auch die Plattform, über die die Mikrojobs angeboten werden, selbst betreibt.

Im dritten und aus arbeitsrechtlicher Sicht entscheidenden Kapitel stellt Kreß unter ausführlicher Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des BAG dar, unter welchen Voraussetzungen von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist und wendet dies auf Crowdwork an (S. 55-76). Zurecht enthält sich Kreß allgemeinen Festlegungen, denn für die zutreffende Beurteilung des Arbeitnehmerstatus kommt es auf konkrete Umstände des Einzelfalls an, die nach § 611a Abs. 1 S. 5 BGB in eine umfassende Würdigung einzustellen sind, wobei es nach § 611a Abs. 1 S. 6 BGB im Zweifel auf die tatsächliche Durchführung des Rechtsverhältnisses ankommt. Da die Dissertation noch im Jahre 2020 fertig gestellt wurde, obgleich sie erst im Jahre 2021 erschienen ist, konnte sie das wegweisende Urteil des 9. Senats des BAG zum Arbeitnehmerstatus eines Crowdworkers (Urt. v. 1.12.2020 – 9 AZR 102/20) leider nicht berücksichtigen. Den hohen Wert der vorliegenden Arbeit erkennt man leicht daran, dass Kreß bereits Themen anspricht, die auch der 9. Senat für maßgeblich hält, zB die Relativierung von (angeblicher) Weisungsfreiheit durch die faktischen Bindungen, die mit der zwingenden Nutzung der Plattform (S. 61) oder einer App verbunden sind. Auch die Frage, ob es nicht eine verbindende „Klammer“ aller Mikrojobs gibt, die ein einheitliches Arbeitsverhältniss und nicht jeweils kurze Sachgrundbefristungen nahelegen, wird angesprochen (S. 74 f.). Auch die Höchstpersönlichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung wird erörtert, wenn der Plattformbetreiber durch seine AGB die Weitergabe des Benutzerkontos an Dritte untersagt. Allerdings spricht – soweit ersichtlich – Kreß nicht den für das BAG entscheidenden Umstand an, dass die Crowdwork auch durch ein Anzeizsystem Bindungen erzeugen kann, wenn sie den „Spieltrieb“ der Crowdworker anspricht (neudeutsch: Nudging), damit diese durch Weiterarbeit einen höheren Level erreichen, mehr verdienen und eine größere Anzahl an Mikrojobs erledigen können.

In den weiteren Kapiteln erörtert Kreß noch die AGB-Kontrolle der Plattformverträge und den Vergütungsschutz, diskutiert in einer globalen und digitalen Welt bei grenzüberschreitender Crowdwork Fragen des internationalen Privat- und Zivilprozessrechts und widmet sich auch den sozialversicherungsrechtlichen Fragen der Crowdwork. Abgerundet wird das Werk durch einen „Blick“ in die Glaskugel, indem mögliche Handlungsoptionen des (europäischen) Gesetzgebers sowie die unterschiedlichen Interessen von Gewerkschaften, Crowdworkern, Plattformbetreibern und Crowdsourcern bzgl. der Regulierung von Plattformtätigkeiten aufgezeigt werden (s.a. Krause NZA 2022, 521). IRe Rezension können naturgemäß nur schlaglichtartig einzelne Themen herausgegriffen werden, sodass auf weitere Details dieser Kapitel nicht eingegangen werden kann.

Das vorliegende Werk reiht sich ein in eine Vielzahl monographischer Werke zur Crowdwork (vgl. Pacha, Crowdwork, 2018; Mayr, Arbeitsrechtlicher Schutz Soloselbstständiger am Beispiel der Plattformarbeit, 2021; Schneider-Dörr, Crowd Work und Plattformökonomie, 2021; Walzer, Der arbeitsrechtliche Schutz der Crowdworker, 2019; Warter, Crowdwork, 2016; Gärtner, Koalitionsfreiheit und Crowdwork, 2020). Im Ergebnis lässt sich sagen, dass die sorgfältig und umfassend recherchierte und mit Fundstellen belegte Arbeit sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie sich nicht allein auf den Rechtsstatus des Crowdworkers verengt, sondern das Phänomen Crowdwork umfassend darstellt. Sie bewertet sämtliche rechtlich relevanten Aspekte und ihre jeweiligen Wechselwirkungen und gibt eine Vielzahl an Anregungen. Das Buch bietet damit denjenigen, die sich in das Thema Crowdwork einarbeiten müssen, eine vorzügliche Orientierungshilfe, vor allem auf Grund des umfangreichen Literaturverzeichnisses. Insgesamt gibt es eine Leseempfehlung, da die Arbeit anders als manch andere Dissertation flüssig geschrieben ist. 

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