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EU: Sehr große Online-Plattformen veröffentlichen DSA-Transparenzberichte

Ass. iur. Christina Etteldorf ist Wissenschaftliche Referentin am Institut für Europäisches Medienrecht e. V. (EMR), Saarbrücken.
MMR-Aktuell 2023, 01207     Ende Oktober bis Anfang November 2023 sind die unter dem Digital Services Act (DSA) benannten sehr großen Online-Plattformen und Suchmaschinen erstmals ihren neuen Transparenzpflichten aus Art. 42 DSA nachgekommen und haben ihre Transparenzberichte veröffentlicht. Diese enthalten u. a. detaillierte Angaben zur (auch automatisierten) Inhaltemoderation, zum Umgang mit behördlichen und gerichtlichen Anordnungen und zu durchschnittlichen Nutzerzahlen pro Mitgliedstaat. Die auch öffentlich zugänglichen Berichte sollen zusammen mit der von der EU-Kommission verwalteten Transparenzdatenbank in Zukunft für mehr Transparenz und Verantwortlichkeit der Plattformen beim Umgang mit (illegalen) Inhalten sorgen. Umfang und Schwerpunkte, die in den Berichten von den 17 verschiedenen sehr großen Online-Plattformen und zwei sehr großen Online-Suchmaschinen gesetzt werden, sind aber sehr unterschiedlich.

Am 25.4.2023 benannte die EU-Kommission 17 Dienste als sehr große Online-Plattformen (Alibaba AliExpressAmazon, Apple AppStoreBooking.comFacebook, Google Play, Google Maps, Google Shopping, InstagramLinkedInPinterestSnapchatTikTokTwitterWikipedia, YouTube und Zalando) und zwei als sehr große Online-Suchmaschinen (Bing und Google Search). Die Pflichten des DSA gelten daher nach Ablauf der viermonatigen Schonfrist für diese bereits seit Ende August. Nach Art. 42 Abs. 1 DSA waren sie daher auch verpflichtet, ihre Transparenzberichte spätestens zwei Monate nach Geltungsbeginn zu veröffentlichen – eine Frist, die, teils mit einigen Tagen Verzögerung, auch von allen Plattformen eingehalten wurde. Dies gilt auch für Amazon und Zalando, die derzeit vor dem EuG gegen ihre Benennung als sehr große Online-Plattform vorgehen, aber dennoch entsprechende Berichte veröffentlicht haben.

Die Transparenzberichte erstrecken sich gem. Art. 1524 und 42 DSA auf eine Vielzahl von Angaben. Dazu gehören insbesondere umfassende Informationen zur Inhaltemoderation, u. a. zu Anzahl von und Umgang mit Beschwerden, behördlichen und gerichtlichen Anordnungen sowie der eigenen Inhaltepolitik, ob und inwiefern dabei automatisierte Verfahren zum Einsatz kommen und welche Rolle eine menschliche Kontrolle dabei spielt, ebenso wie die Frage der Qualifizierung und Schulung dieses Personals. Darüber hinaus sind Angaben über die durchschnittlichen monatlichen aktiven Nutzerzahlen zu machen, aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten. Trotz einheitlicher Vorgaben im DSA fällt dabei auf, dass die Transparenzberichte in Umfang und Detailtiefe vergleichsweise unterschiedlich sind (zB umfasst der Bericht von Wikipedia lediglich fünf Seiten, derjenige von Pinterest etwa 80 Seiten), was auch der Unterschiedlichkeit der adressierten Dienste von Marktplätzen über Suchmaschinen bis hin zu Video-Sharing-Plattformen geschuldet ist. Aufbau und Umfang sind insbesondere bei ähnlichen Plattformen wie sozialen Netzwerken vergleichbar. Begleitet werden die Transparenzberichte gerade bei diesen regelmäßig von detaillierten Berichten über Einzelfälle der Inhaltemoderation in CVS-Formaten, die deutlich umfangreicher sind.

Substanzielle Unterschiede zeigen sich u. a. bei den Angaben zur Umsetzung von Anordnungen (Art. 9 DSA) und Informationsbegehren (Art. 10 DSA) der Mitgliedstaaten. So hat zB Apples AppStore im Berichtszeitraum (ein Monat) lediglich eine Anordnung von einem Mitgliedstaat erhalten, gegen einen illegalen Inhalt vorzugehen, sowie acht mitgliedstaatliche Informationsbegehren. LinkedIn hat keine Anordnungen und 78 Informationsbegehren, Wikipedia und Bing keines von beidem erhalten. Bei X (ehemals Twitter) waren es sechs Anordnungen und 1.728 Informationsbegehren innerhalb von zwei Monaten oder bei TikTok 17 Anordnungen und 452 Informationsbegehren. Ähnlich verschieden sind auch die Beschwerdezahlen: Facebook listet in seinen Angaben im Berichtszeitraum von fünf Monaten 923 Beschwerden unter dem Mechanismus nach Art. 16 DSA auf, YouTube dagegen 40.090 (davon 36.658 in Bezug auf Urheberrechtsverletzungen) im Berichtszeitraum von nur einem Monat und Snapchat für einen Berichtszeitraum von fünf Monaten 17.267.985 (davon jeweils knapp ein Drittel sexuelle Inhalte und Hassinhalte), ohne dabei aber explizit auf den EU-Raum oder Art. 16 DSA abzustellen. Daran lässt sich auch erkennen, dass die Transparenzberichte (noch) nicht ohne Weiteres unmittelbar vergleichbar sind. Das ist einerseits den unterschiedlichen Berichtszeiträumen geschuldet. So berichtete Facebook zB über einen Zeitraum von fünf Monaten (April bis September) ähnlich wie Amazon und Snapchat (jedoch zu einem anderen Zeitraum: Januar bis Juni), Google (Search, Maps, Play, Shopping und YouTube), Pinterest und Booking.com dagegen nur über einen Zeitraum von einem Monat (August bis September). Das wird sich aber voraussichtlich in den kommenden halbjährlich zu veröffentlichenden Berichten einpendeln. Zum anderen ist insbesondere bei der Inhaltemoderation kein einheitlicher Aufbau zu Grunde gelegt, auf welche Mechanismen (außerhalb von behördlichen Anordnungen) sich die Daten beziehen und welche Kategorien inhaltlich zu unterscheiden sind (zB Hass und Gewalt, sexuelle Inhalte, Privatsphäreschutz etc), sodass die Plattformen bislang sehr verschieden informieren. So begreift zB Snapchat das Vorgehen gegen Kindesmissbrauchsmaterialien als eigenen, aus der weiteren Statistik ausgeklammerten separaten Berichtsbereich und LinkedIn differenziert zB nach Jobangebots-Posts und inhaltlichen Posts. Das könnte sich möglicherweise in Zukunft durch Leitlinienvorgaben der EU-Kommission ändern, wie es bereits innerhalb der eingerichteten Transparenzdatenbank durch ein Template für die Plattformen erfolgt ist.

Ab Februar 2024 wird der DSA auch auf weitere Vermittlungsdienste anwendbar sein, die dann ebenfalls ihren abgestuften Transparenzberichtspflichten nach Art. 15 und 24 DSA nachkommen müssen.

Weiterführende Links

Vgl. auch Etteldorf MMR-Aktuell 2023, 458859; dies. MMR-Aktuell 2023, 01176; MMR-Aktuell 2023, 01174; Maucher MMR-Aktuell 2023, 01182; Ukrow MMR-Aktuell 2023, 01177 und Kandov MMR 2023, 659.

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