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EuGH: TK-Anbieter können gegen Pauschalzahlungen zu TK-Überwachung verpflichtet werden

Dr. Jörg Ukrow, LL.M.Eur., ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Instituts für Europäisches Medienrecht e.V. (EMR) und stellvertretender Direktor der Landesmedienanstalt Saarland (LMS).

MMR-Aktuell 2023, 456625    Der EuGH (Urt. v. 16.2.2023 – C-339/21; MMR wird die Entscheidung demnächst veröffentlichen) hat entschieden, dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die keine vollständige Erstattung der den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste bei der Ermöglichung einer rechtmäßigen Überwachung der elektronischen Kommunikation durch die zuständigen nationalen Behörden tatsächlich entstandenen Kosten vorsieht.

In Italien sind die TK-Betreiber nach Art. 28 und 96 des Decreto legislativo n. 259 – Codice delle comunicazioni elettroniche (gesetzesvertretendes Dekret Nr. 259 über das Gesetzbuch über die elektronische Kommunikation) v. 1.8.2003 verpflichtet, auf Verlangen der Justizbehörden gegen die Zahlung von Pauschalsätzen Maßnahmen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs (Sprachkommunikation, computergestützte und telematische Kommunikation sowie Datenverkehr) durchzuführen. Die Beträge, die sie hierfür erhalten, wurden durch ein interministerielles Dekret v. 28.12.2017 geändert. Dieses Dekret legt fest, dass die Erstattungen der Kosten im Zusammenhang mit diesen Überwachungsmaßnahmen um mindestens 50% gekürzt werden sollten. Die betroffenen TK-Betreiber klagten vor den italienischen Gerichten auf Nichtigerklärung dieses Dekrets und brachten vor, dass die vorgesehenen Beträge die entstandenen Kosten nicht vollständig deckten.

Der italienische Staatsrat (Consiglio di Stato), bei dem Rechtsmittel gegen die klageabweisenden gerichtlichen Entscheidungen eingelegt wurden, wollte vom EuGH in einem Vorabentscheidungsersuchen wissen, ob das Unionsrecht verlangt, dass die Kosten, die den Betreibern iRd Durchführung solcher Überwachungsvorgänge tatsächlich entstanden sind, vollständig erstattet werden.

Mit Urteil v. 16.2.2023 verneint der EuGH diese Frage. Das Unionsrecht stehe einer nationalen Regelung nicht entgegen, die keine vollständige Erstattung der Kosten vorschreibt, die den Anbietern elektronischer Kommunikationsdienste bei der Ermöglichung der rechtmäßigen Überwachung der elektronischen Kommunikation durch die zuständigen nationalen Behörden tatsächlich entstanden sind, sofern diese Regelung nicht diskriminierend, verhältnismäßig und transparent ist.

Der EuGH führt aus, dass die Allgemeingenehmigung für die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder -dienste nach dem europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EKEK) von den Mitgliedstaaten an bestimmte Bedingungen geknüpft werden kann. Zu diesen Bedingungen zählt die Ermöglichung der rechtmäßigen Überwachung des TK-Verkehrs.

Hieraus ergebe sich, dass der Unionsgesetzgeber weder vorgeschrieben noch ausgeschlossen hat, dass die Mitgliedstaaten die Kosten erstatten, die den Unternehmen, die die rechtmäßige Überwachung des TK-Verkehrs ermöglichen, entstanden sind. Die Mitgliedstaaten verfügen daher über einen Ermessensspielraum. Das Unionsrecht verlange mithin insbesondere auch keine vollständige Erstattung der den Betreibern elektronischer Kommunikationsdienste iRd Durchführung solcher Überwachungsvorgänge tatsächlich entstandenen Kosten.

Nach Auffassung des EuGH hat Italien von diesem Ermessensspielraum unter Wahrung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz Gebrauch gemacht. Die vorgesehenen Erstattungen seien nämlich nicht diskriminierend, insbesondere für alle Betreiber von elektronischen Kommunikationsdiensten in Italien vergleichbar, da sie auf der Grundlage von einheitlichen Pauschalsätzen vorgesehen seien. Bei der Berechnung dieser Sätze würden unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes der technologische Fortschritt in dem Sektor, infolge dessen bestimmte Leistungen weniger kostenaufwendig geworden sind, sowie der Umstand berücksichtigt, dass diese Leistungen für allgemeine Zwecke im öffentlichen Interesse wesentlich sind und nur von den TK-Betreibern erbracht werden könnten. Schließlich würden die Pauschalsätze transparent durch einen förmlichen Verwaltungsakt festgelegt, der veröffentlicht und frei einsehbar ist.

Weiterführende Links

Vgl. auch OLG Köln ZD 2016, 228 und OVG Berlin-Brandenburg MMR 2010, 269.

 

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