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Rolle und Aufgabe von juristischen Fachzeitschriften - Gedanken zu 25 Jahren MMR

Anke Zimmer-Helfrich ist Leiterin Zeitschriften der Neuen Medien und Chefredakteurin der Zeitschrift für IT-Recht und Digitalisierung (MMR) seit 1998. Der Beitrag basiert auf ihrem Beitrag in FS Tinnefeld, 2022, S. 145 ff. mwN.

MMR 2023, 1   Nach meinem ausführlichen Rück- und Ausblick zur MMR anlässlich ihres 20jährigen Bestehens (MMR 2018, 1), erlauben Sie mir, Ihnen zum 25jährigen Jubiläum einen Einblick in die Aufgaben einer Fachzeitschrift und deren Redaktion am Beispiel der MMR zu geben.

Die Anfänge der ersten wissenschaftlichen Zeitschrift in deutscher Sprache geht auf Christian Thomasius zurück, der 1688 die „Monatsgespräche“ veröffentlichte. Diese Entwicklung hängt eng mit der Entstehung der modernen Wissenschaften, dem Bedürfnis nach Austausch der Erkenntnisse von Gelehrten und auch der Entwicklung der Drucktechnologie zusammen. Eine Motivation, die sich auch knapp 350 Jahre später nicht wirklich verändert hat, wenn auch das reine Printwerk immer mehr der Vergangenheit angehört und an die Stelle der Drucktechnologie die digitale Verbreitung getreten ist. Aktuell gibt es weltweit rund 6.300 gelistete juristische Fachzeitschriften.

Diese quantitative Entwicklung ist Folge der anhaltenden Informationsflut und wird parallel noch verstärkt durch Veröffentlichungen in Internetforen, auf Self-Publishing-Plattformen, eigenen Homepages bzw. Unternehmensseiten sowie Kurzmeldungen in Social-Media-Foren. Das steigende Bedürfnis nach Fachinformationen der jeweiligen Zielgruppe auf der einen Seite, aber auch die Überforderung mit der schier nicht endenden Möglichkeit, noch mehr Informationen zu einem einzelnen Stichwort zu erhalten auf der anderen Seite, bergen ein Dilemma: Wie kommt man an verlässliche, geprüfte und auch wissenschaftlich haltbare Informationen?

Unabhängig davon, ob es sich um eine Fachzeitschrift wie die MMR aus einem Fachverlag, Open-Access-Zeitschriften oder auch als Fachinformation erklärte Meldungen im Internet handelt, gilt es die Qualitätsmerkmale festzustellen, die die jeweiligen Beiträge ausmachen. Hierbei kommt Fachzeitschriften eine besondere Rolle und Aufgabe zu und ist eine Herausforderung für alle Redaktionen und Lesenden gleichermaßen in Zeiten von Fake-News, Robo-Journalism und Artificial Intelligence in der Medienbranche.

Wissenschaft allgemein und vor allem auch die Rechtswissenschaft im Besonderen brauchen den offen geführten Diskurs, die freie Meinungsbildung und -äußerung sowie das beständige Hinterfragen von Meinungen, Gerichtsentscheidungen und Verwaltungsanweisungen sowie der auch immer größer werdenden Flut an Gesetzesinitiativen und -vorhaben auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

Aufgabe von Fachredaktionen wie der MMR ist es, genau diese Vielfalt an Themen rechtzeitig aufzuspüren, die entsprechenden Experten als Autoren auszumachen, Themen und Standpunkte zu diskutieren und zu begleiten sowie ein unabhängiges Forum für verschiedene Interpretationen und Auslegungen zu sein und mit der jeweiligen Publikation zu schaffen. Diese als „Gelehrtenkommunikation“ beschriebene Funktion aus den Anfängen der Fachzeitschriften ist weiterhin ein zentraler Bestandteil einer Fachredaktion, obwohl festzustellen ist, dass der Ruf der Leser-Zielgruppen nach Handlungsanweisungen und Mustern statt nach wissenschaftlicher Diskussion und Auslegung von Rechtsbegriffen immer größer wird.

Die wesentlichen Funktionen eines wissenschaftlichen Periodikums liegen in der Feststellung und Datierung der Urheberschaft des Autors, der gezielten Verbreitung an ein Zielpublikum durch Branding eines bestimmten Fachmediums, der Sicherstellung der Qualität des Beitrags durch ein Peer-Review-Verfahren und der Langzeitarchivierung einer zitierfähigen Version. Diese althergebrachten Kriterien aus den Anfängen der Fachzeitschriften gelten auch heute noch uneingeschränkt und geben einen ersten guten Indikator für eine verlässliche Quelle.

Je unabhängiger eine Redaktion in der Auswahl der Themen, Autoren und in der Bewertung von Sachverhalten ist, umso größer ist die Zusammenschau möglichst vieler wissenschaftlich begründeter Meinungen bei der Kommentierung und Darstellung von neuen Themen, Gesetzesvorhaben, internationale Entwicklungen und auch der einschlägigen Rechtsprechung sowie deren Kommentierung.

Eine Fachredaktion hat als höchste Aufgabe die Kanalisierung der Informationsflut, aber ohne zu zensieren. Ziel muss es sein, in dem zu verantwortenden Publikationsorgan ein Forum für jegliche Meinung zu bilden, wenn diese wissenschaftlich begründet ist. Nur so kann ein offener Diskurs in alle Richtungen geführt und die Meinungsvielfalt gewährleistet werden.

Zu bedenken bleibt jedoch, dass solche unabhängigen und mit Fachexperten besetzen Redaktionen aufwändig sind und folglich Geld kosten. Der Markt muss auch weiterhin bereit sein, für diese Art der unabhängigen qualitätsorientieren Informationsaufbereitung zu zahlen. Wie kann die künftige Informationsbeschaffung aussehen bzw. was sind die Formate, die im Hinblick auf Fachbeiträge und Entscheidungskommentierungen neben den traditionellen rechtswissenschaftlichen Publikationen bereits existieren? Gerade in diversen Internet- und Social-Media-Foren, Blogs sowie Self-Publishing-Plattformen nimmt die Verbreitung von Kurzmeldungen, Nachrichten, aber auch längeren Abhandlungen zu speziellen rechtlichen Fragestellungen täglich zu.

Diese Möglichkeit der freien Meinungsäußerung und auch der schnellen, unkomplizierten Verbreitung von Ansichten und raschen Einschätzungen bzw. Sachverhaltseinordnungen ist für den offenen Diskurs und auch die Meinungsvielfalt von unschätzbarem Wert. Entspricht dies doch dem Gedanken des freien Internets, des freien Austauschs von Meinungen und Einschätzungen. Doch so verführerisch die Vorstellung der unbegrenzten Verfügbarkeit aller Informationen und Meinungspluralität sein mag, so schränkt diese Freiheit zugleich den Einzelnen enorm ein. Die Informationsflut ist so groß, dass wiederum verlässliche Parameter und Filter benötigt werden, um diese sinnvoll nutzbar zu machen und um sich den Aussagegehalt verlassen zu können. Niemand ist in der Lage sämtliche Informationen zu sichten und zu prüfen. Fachredaktionen - wie der MMR als verlässlicher Informationsmittler - jedoch schaffen dies zumindest in einem verlässlichen Umfang und mit einer entsprechenden Gewichtung.

Die erhebliche Dynamik der Digitalisierung in nahezu allen Lebensbereichen stellt für eine wissenschaftliche Zeitschrift wie die MMR einen signifikanten Einschnitt dar. Dieses Umdenken bezieht sich jedoch primär auf die Ver- und Aufbereitung der Information und weniger auf die o.g. angelegten Qualitätsmaßstäbe.

Anders als in den Naturwissenschaften wird in den Sozial- und Geisteswissenschaften dennoch nach wie vor für einen erheblichen Teil der kostenpflichtigen Zeitschriften eine Print- neben der Online-Version produziert. Dies wird sich in den nächsten Jahren allein durch die Rezipienten und deren Studien- und Arbeitsverhalten deutlich ändern und die gedruckte Ausgabe noch stärker zurückdrängen.

Die bestehenden juristischen Datenbanken werden auch hier den Schritt nach der gelungenen Digitalisierung der Inhalte in die komplette digitale Transformation gehen müssen. Diese Transformationsprozesse haben bereits begonnen. Die Tendenz weg vom Print zu den reinen digitalen Fachzeitschriften wird aber die Funktion „Print on Demand“ zumindest noch für eine Übergangszeit bis hin zur kompletten digitalen Arbeitswelt mit sich bringen.

Ziel der MMR und der Redaktion wird es weiterhin sein, die unterschiedlichen Strömungen, Meinungen und Ideen in einem Rechtsgebiet aufzugreifen, sie zu vergleichen und in einen Kontext zu setzen ohne dabei inhaltlich einzugreifen. Editorials und Kommentare können inhaltlich pointiert und ausgewiesen an mancher Stelle Stellung beziehen, aber nicht iSe wissenschaftlichen Fachbeitrags. Die Aufgabe wird es sein, die Masse an Informationen zu sichten und in den richtigen Kontext zu setzen. Dabei geht es aber nicht um eine Bewertung oder Gewichtung, sondern um die Gewährleistung der Meinungspluralität.

Neben dem schnellen Post oder einer Kurzeinschätzung im Blog besteht in der Rechtswissenschaft zudem weiterhin eine große Motivation für Autoren wissenschaftlich fundierte Fachbeiträge zu verfassen. Die Steigerung der eigenen Bekanntheit und Fachreputation, aber auch wissenschaftliche Reputation, machen dies notwendig. Dieses Interesse bedingt einen hohen Qualitätsanspruch an das publizierende Fachmedium.

Es ist jedoch eine zusätzliche inhaltliche Verschränkung der Social-Media-Kanäle, Blogs usw. mit den jeweiligen Fachmedien zu erwarten. Einen Weg, den die MMR seit einiger Zeit verstärkt geht.

Die MMR ist seit 25 Jahren als unabhängiges Publikationsorgan mit einer hervorragenden Herausgeberschaft eine vertrauenswürdige Quelle für seriöse wissenschaftliche Abhandlungen. Die nachfolgenden Beiträge von 18 Autorinnen und Autoren aus dem Herausgeberkreis zeigen dabei einen kleinen Ausschnitt des breiten Themenspektrums der Zeitschrift in dieser Jubiläumsausgabe.

Mein besonderer Dank gilt neben der Herausgeber- und Autorenschaft, den Kooperationspartnern und den vielen Gratulanten, die in den Umschlagseiten ihre Wünsche formuliert haben, vor allem meiner Kollegin Frau Eva Wanderer, ohne deren Mitwirkung dieses Heft nicht so termingerecht gefüllt worden wäre.

München, im Januar 2023

 


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