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Laude, Automatisierte Meinungsbeeinflussung

Dr. Jens Milker, LL.M. (Trinity College Dublin), ist Richter am Verwaltungsgericht Mainz. Die Rezension gibt ausschließlich seine persönliche Auffassung wieder.
Lennart Laude, Automatisierte Meinungsbeeinflussung, Schriften zum Medienrecht und Kommunikationsrecht, Tübingen (Mohr Siebeck) 2021, ISBN 978-3-16-160116-3, 109 EUR

MMR-Aktuell 2023, 455253    „Social Bots sind automatisierte Accounts in sozialen Netzwerken, die bestimmte Aktionen ausführen können, welche im Kontext des jeweiligen Netzwerks als menschliches Verhalten erscheinen“ (S. 38). Deren Existenz und das von ihnen ausgehende tatsächliche Bedrohungspotenzial für die öffentliche Meinungsbildung wird in der Medienforschung kontrovers diskutiert.  In der Rechtswissenschaft ist das Thema zuletzt im Rahmen der Schaffung einer entsprechenden Kennzeichnungspflicht für Netzwerkbetreiber in § 18 Abs. 3 MStV näher diskutiert worden (s. dazu etwa https://www.telemedicus.info/neue-pflichten-fuer-telemedien-online-presse-und-social-bots-im-mstv/). Laude hat sich in seiner Dissertation damit in ansprechender Weise befasst.

Zunächst enthält die Dissertation (Kapitel 1, S. 7 bis 84) die Darstellung tatsächlicher und technischer Grundlagen, die – auch für geübte Nutzer sozialer Netzwerke ohne „IT-Hintergrund“ – einen nicht nur unerheblichen Erkenntnisgewinn bescheren. Ebenso zur Sprache kommt die im Zuge der letzten Jahre aufgekommene Ansicht, die das Gefährdungspotenzial oder gar die Existenz von Social Bots negiert (S. 66 f.); diese nicht unumstrittene tatsächliche Ausgangslage tut der rechtswissenschaftlichen Relevanz des Themas aber keinen Abbruch.

Auf Basis der (allgemeinen) Ausführungen zur Grundrechtsträgerschaft – insbesondere auch für die Netzwerkbetreiber (Art. 19 Abs. 3 GG) – und zur Reichweite der relevanten Schutzbereiche und Schrankenvorbehalte im Bereich der sozialen Netzwerke (Kapitel 2, S. 85 bis 140) kommt Laude dann konkret hinsichtlich des Einsatzes von Social Bots zu dem überzeugenden Schluss, dass hierbei auf Grund einer subjektiven Zurechnung zum Verwender der persönliche Schutzbereich der Meinungsfreiheit eröffnet ist (Kapitel 3, S. 146 bis 169); im Übrigen folgt eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem sachlichen Schutzbereich – etwa einschließlich Schutzbereichsausnahmen auf Grund einer mit der fehlenden Offenlegung der Bot-Eigenschaft einhergehenden Identitätstäuschung – und Schranken (Kapitel 3, S. 170 bis 205).

Eine spannende weitere Facette beleuchtet Laude in Kapitel 4 (S. 207 bis 254) in Gestalt der Nutzung von Social Bots durch staatliche oder staatsnahe Akteure. Abschließend setzt Laude sich unter Berücksichtigung objektiv-rechtlicher Grundrechtskomponenten und staatlichen Schutzpflichten mit den Regulierungsoptionen de lege lata und de lege ferenda für den Einsatz von Social Bots unter Präsentation eines eigenen Regulierungsmodells auseinander (Kapitel 5, S. 255 bis 339).

Nach alledem handelt es sich um eine Dissertation, deren Inhalt nicht nur konkret in Bezug auf Social Bots, sondern auch allgemein für die Automatisierung menschlicher Verhaltensweisen – insbesondere die Frage der Zurechnung – wesentliche Erkenntnisse bereithält.

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