CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
Zeitschrift für Datenschutz | Banner

ITM 25 Jahre Symposium

Amelie Mehlan ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) – offentl.-rechtl. Abt. – in Münster.

MMR-Aktuell 2023, 455498    Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der öffentlich-rechtlichen Abteilung des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM) in Münster fand am 11.11.2022 ein Symposium zum Thema „Medienvielfalt und kommunikative Chancengleichheit zwischen dualer Rundfunkordnung und digitaler Plattformökonomie“ statt. Für das Symposium versammelten sich zahlreiche Vertreter aus Medien, Verwaltung, Wissenschaft und digitalen Plattformen in Berlin im Haus der Bundespressekonferenz. Organisiert wurde die Veranstaltung von Deutschlandradio und dem ITM.

1. Eröffnung und Begrüßung

In seiner Eröffnungsrede betonte Stefan Raue (Intendant Deutschlandradio) die demokratiesichernde Funktion der Medien. Anhand von Beispielen verdeutlichte er die Wichtigkeit von Vielfalt im Journalismus. Er warf den Blick hierfür auf die jüngsten US-amerikanischen politischen Geschehnisse oder die Finanzierungsprobleme des Lokaljournalismus in Deutschland. Gleich sei den Beispielen, dass die Medienlandschaft von mehreren Seiten gleichzeitig unter Druck geraten sei, was einen garantierten Zugang zu journalistisch geprüften Fakten für die Bevölkerung zunehmend erschwere. Jedoch könne nur durch hochwertige Informationen die Möglichkeit der Teilhabe an einem demokratischen Diskurs gesichert werden. Raue schloss mit der Forderung, dass der private und öffentlich-rechtliche Rundfunk sich in den kommenden Jahren weiterentwickeln müssten, um nicht nur fortbestehen zu können, sondern auch wirksam seine demokratiefördernde Rolle auszufüllen (Raue MMR 2022, 999 f.).

Es folgte ein Grußwort von Ernst Elitz (Gründungsintendant Deutschlandradio). Elitz betonte die Relevanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und spannte den Bogen zu den aktuellen Diskussionen rund um digitale Plattformen. Im Mittelpunkt stehe die Frage, wie man weiterhin die Validität von Informationen sicherstellen könne. Elitz plädierte dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunkt und die digitalen Plattformen dabei Hand in Hand arbeiten sollten. Kooperative Projekte dieser Parteien seien nicht nur denkbar, sondern vielversprechend. Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk könne dabei eine Gatekeeper-Funktion für zuverlässige Informationen zukommen.

 

2. 25 Jahre Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht

Die Laudatio zum 25. Geburtstag der öffentlich-rechtlichen Abteilung des ITM hielt Dieter Dörr (Direktor a.D. des Mainzer Medieninstituts). Dörr fand nicht nur lobende Worte für Bernd Holznagel und das ITM, sondern führte durch die Themen der letzten 25 Jahre Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (Dörr MMR 2022, 1001). Dörr zeigte die dramatischen Veränderungen in diesen Bereichen auf, welche der Erfindung des modernen Buchdrucks durch Gutenberg in nichts nachstehen würden. Diese Veränderungen seien jedoch noch lange nicht abgeschlossen und stellten den europäischen und nationalen Gesetzgeber und die Rspr. weiterhin vor große Herausforderungen. Anhand des Beispiels der Diskussion rund um die sog. Upload-Filter (dazu Holznagel ZUM 2000, 1), verdeutlichte Dörr die Meinungsmacht der Intermediären, insb. auch, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen.

 

3. Erste Podiumsdiskussion: Gegengewicht, Vielfalt und Verlässlichkeit?

Die Keynote-Speech hielt Christoph Neuberger (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin). Neuberger skizzierte die Herausforderungen des Journalismus durch die Digitalisierung der Medien. Nach Neuberger stecke der Journalismus in einer dreifachen Krise:  ökonomisch, identitär und qualitativ (Neuberger MMR 2022, 1012 (1014)). Schaue man sich die klassische Funktion des Journalismus als Gatekeeper und Vermittler in der Öffentlichkeit an, so stelle sich mit Hinblick auf die Digitalisierung die Frage, wie die Innovationsfähigkeit und Finanzierung des Journalismus sichergestellt werden könne, um letztlich seine zentrale Funktion zu erhalten (Neuberger MMR 2022, 1012 (1014)).

Die erste Podiumsdiskussion unter Leitung von Bettina Schmieding (Deutschlandradio) vertiefte diese Themen. Stephan Detjen (Deutschlandradio) leitete den Austausch damit ein, dass er auf die Funktion der Bundespressekonferenz verwies und diese bei der Frage der Mitgliedschaft für digitale Anbieter mit Abgrenzungsproblematiken konfrontiert sei. Im digitalen Zeitalter könne theoretisch jeder berichterstattend tätig werden. Hiervon „Qualitätsjournalismus“ abzugrenzen sei eine Herausforderung. Eva Flecken (Direktorin der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg) ging auf die Herausforderungen einer solchen Abgrenzung ein, indem sie die Entscheidung der Landesmedienanstalten verteidigte, Russia Today Deutschland keine Sendelizenz zu erteilen (Pressemitteilung der Medienanstalt Berlin-Brandenburg v. 18.3.2022). Hieran könnte man sehen, welche Relevanz den Landesmedienanstalten zukomme. Sie würden als unabhängige Organe eine demokratiefördernde Medienaufsicht ausüben.

Otfried Jarren (em. Professor Universität Zürich) warf die Frage auf, wie journalistische Produkte zu erkennen und zu schützen seien. Als Möglichkeit sieht er die Vergabe standardisierter Qualitätssiegel. Karl-E. Hain (Institut für Medienrecht an der Universität zu Köln) hielt dem mit einem grundlegenden Bedenken entgegen, dass die Regulierung von Medien nicht das Entscheidende sei, um die durch die Digitalisierung entstandene Diskurskriese zu lösen. Man müsse vielmehr an die Wurzel der Probleme ansetzen, um aus einer Demokratiekrise herauszukommen. Jarren wies darauf hin, dass eine solche Entwicklung beim Aufkommen neuer Techniken nicht ungewöhnlich sei. Neue Medien müssten sich immer erst kulturell finden. Es sei die Frage nach der Regulierung der übergeordneten Infrastruktur zu stellen. Vergleichbar wie die Regulierung der Bahn oder Energiewirtschaft, müsse es Vorgaben für den digital-medialen Bereich geben.

Flecken warf die Frage auf, welche Behörde für eine solche Regulierung zuständig sein könne und verwies auf europarechtliche Diskussionen zur Staatsferne. Insb. im medialen Bereich sei dieses Kriterium jedoch von größter Relevanz. Dem schloss sich auch Danjela Beaujean (Geschäftsführerin VAUNET) an. Für sie stelle die Staatsferne vor allem ein Problem in den Mitgliedstaaten dar. Sie verwies jedoch auch darauf, dass man sich neben regulierungsrechtlichen Fragen auch die Frage der finanziellen Förderung unabhängiger Medien stellen müsse.

 

4. Zweite Podiumsdiskussion: Safeguarding Media Freedom in Europe

Die zweite Podiumsdiskussion behandelte das Thema „Safeguarding Media Freedom in Europe“ und präsentierte osteuropäische Blicke auf aktuelle medienrechtliche Themen. Judit Bayer (Budapest Business School) gab einen Überblick über den Kommissionsentwurf des European Media Freedom Acts (EMFA) (Bayer VerfBlog, 2022/9/15). Sie betonte die Bedeutung des MFA für osteuropäische Mitgliedstaaten. Für viele Mitgliedstaaten könne der MFA richtungsweisend sein und „einen Samen der Medienfreiheit pflanzen, aus welchem letztendlich ein früchtetragender Baum der Demokratie sprießen könne.“

Gabor Polyak (Eötvös Loránd University, Budapest) kritisierte den Kommissionsentwurf hingegen scharf. Die Kommission sei schon jetzt nicht in der Lage, eine effektive Rechtsdurchsetzung von ihren Mitgliedstaaten zu fordern. Die Pressefreiheit in Ungarn sei zB in größter Gefahr, was letztendlich auch die Demokratie des Landes angreife. Dies hätte nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Arbeit der EU selbst, sodass diese sich mit der mangelhaften Durchsetzung ins eigene Fleisch schneide.

Dem schloss sich der Beitrag von Dariia Opryshko (Philip Schwarz Fellow am ITM, Münster) an. Opryshko gab eine Übersicht über die von der Ukraine ergriffenen medienrechtlichen Regulierungen, die auf Grund des russischen Angriffskriegs erlassen wurden. Die Ukraine sieht sich systematischer russischer Desinformation ausgesetzt. Um die Sicherheit der Bevölkerung und ukrainischen Truppen zu gewährleisten, hat die ukrainische Regierung medienrechtliche Reformen erlassen. Diese sehen teilweise starke Eingriffe in die Pressefreiheit vor (Opryshko Ad Legendum 2022, 261). Der ukrainische Gesetzgeber sei aber bestrebt, die Pressefreiheit auch in Kriegszeiten zu wahren und habe zunächst sehr stark regulierende Normen entsprechend überarbeitet.

 

5. Dritte Podiumsdiskussion: Gemeinwohlorientierte Regulierung digitaler (Medien-)Plattformen als Herausforderung für das Recht

In der Keynote-Speech stellte Jürgen Kühling (Vorsitzender Monopolkommission und Universität Regensburg) die These auf, dass die anfängliche Nichtregulierung von Plattformen auf Missverständnissen basiere (Kühling MMR 2022, 1016). Freedom of Speech müsse sich nicht überall durchsetzen, da Intermediäre Zündstoff für Konflikte seien könnten. Den aktuellen Regulierungsmix in MStV, NetzDG und zukünftig dem Digitale-Dienste-Gesetz sei angemessen, einer positiven Vielfaltsregulierung bedürfe es (derzeit) nicht.

Hieran schloss sich unter der Leitung von Andreas Grünwald (Morrisson Forster, ITM) die Podiumsdiskussion an. Klaus Müller (BNetzA) ließ sich nicht zu einer Aussage hinreißen, wem die Rolle des Digital Services Koordinators iRd Umsetzung des Digitale Dienste Gesetzes zukomme (Müller MMR 2022, 1007). Dies müsse der Bundestag entscheiden. Er sehe jedoch eine Herausforderung darin, dass die Aufgabe eine große Bandbreite mit sich brächte, die nur schwer von einer Behörde zu erfüllen sei. Justus Haucap (Universität Düsseldorf) gab zu bedenken, dass der „Outcome“ auf Plattformen grundsätzlich schwer zu regulieren sei. Daher sei eine sich vortastende Regulierung der richtige Ansatz. Sabine Frank (YouTube Europa) stellte die Rolle von rechtlichen Regulierungsvorgaben an sich in Frage (Frank MMR 2022, 1026). Sie verwies darauf, dass YouTube den Großteil seiner Löschungen nicht auf Grund des NetzDG vornehme, sondern dies auf interne Regeln stütze. Der Digital Services Act könne aus ihrer Sicht vor allem auf Grund möglicher Meilensteine unabhängiger Forschung begrüßt werden.

Klaus Unterberger (ORF) gab zu bedenken, dass Regulierung stets der Gesellschaft nutzen müsse. Medien seien kein reines Geschäftsmodell, sondern hätten eine fundamentale demokratiefördernde Aufgabe. Um dieser gerecht zu werden, müssten Medien insgesamt kritischer werden und auf aktuelle Entwicklungen schärfer achten. Dem schloss sich Karola Wille (MDR) an und betonte die Aktualität des Auftrags des gemeinwohlorientierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dieser müsse zwingend auf Public Value fokussiert sein.

 

6. Abschluss und Danksagungen

Abschließend war es an Bernd Holznagel, nicht nur das Symposium, sondern auch die letzten 25 Jahre der Forschung des ITM zu resümieren. Dabei blickte er auf viele technische Innovationen zurück, die Gesellschaft und Recht immer wieder vor Herausforderungen stellten. Er erinnerte dabei an die Einführung des privaten Rundfunks, das Aufkommen der ersten Pay-TV Sender und den Siegeszug des Internets. Diese Entwicklung sei auf absehbare Zeit nicht zu Ende und die Themen nicht ausgeforscht. Als Fazit betonte er, dass es Demokratie niemals geschenkt gäbe. Diese müsse vielmehr immer wieder neu erkämpft werden. Die Digitalisierung bringe hierfür neuen Handlungsbedarf mit sich.

Anzeigen

MMR kostenlos testen

IT-Recht Plus Premium

BECK Stellenmarkt

Teilen:

Menü