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Arndt, Bitcoin-Eigentum

Prof. Dr. iur. Björn Steinrötter ist Juniorprofessor für IT-Recht und Medienrecht (Tenure Track) an der Universität Potsdam.
Johannes Arndt, Bitcoin-Eigentum. Zur Notwendigkeit rechtlicher Zuweisung außer-rechtlicher außer-subjektiver Vermögenspositionen durch subjektive Rechte, Schriften zum Recht der Digitalisierung, Tübingen (Mohr SIebeck) 2022, ISBN 978-3-16-160984-8, 89 EUR

MMR-Aktuell 2023, 455255    Mit seiner an der Bucerius Law School verfassten Dissertation, welche sich der zivilrechtlichen Handhabung von Bitcoins, insbesondere Fragen der (ausschließlichkeitsrechtlichen) Zuordnung, widmet, schlägt Johannes Arndt mutige Pfade ein, indem er sich letztendlich dafür ausspricht, Kryptowerte weithin nach sachenrechtlichen Regeln – und zwar im Wege einer Gesamtanalogie – zu beurteilen. Dass dies auch Widerspruch provozieren muss, ist wohl kaum überraschend. Durch seine handwerklich sauberen, auf einem hohen Niveau anzusiedelnden Ausführungen macht Arndt es potenziellen Kritikern freilich nicht allzu leicht. Nachdem zunächst die Argumentationslinien der Studie nachgezeichnet seien, sollen gleichwohl einige Kontrapunkte gesetzt werden.

Nach einer konzisen Einführung und Grundlegung steigt Arndt bereits ab S. 21 in die Kernthematik ein, indem er die „Realakt-Theorie“ darstellt, wonach kein (Ausschließlichkeits- bzw. Herrschafts-)Recht an Bitcoins besteht. Hierbei dekliniert er verschiedene zivilrechtliche Fragestellungen durch ([Neu-]Zuordnung; Belastungen und Teilrechte; Zwangsvollstreckung nach ZPO; Insolvenz; Erbschaft; Schuldrecht; Wertpapierrecht; Vermögensrecht) unter der Annahme des besagten Ansatzes und kommt zu dem Befund, dass de lege lata Lücken und Unstimmigkeiten bestehen (S. 69 ff.). So sei der Einzelne nicht vor tatsächlichen (missbräuchlichen) Verfügungen geschützt, die nach Maßgabe der Rechtsgeschäftslehre unwirksam seien. Auch seien keine rechtlichen Belastungen von Bitcoins möglich. Die „Realakt-Theorie“ veranlasse das Deliktsrecht zu „systemfremden Konstruktionen“ (S. 71), was zu „große[n] Schutzlücken“ führe (S. 72 f.). Schließlich ergäben sich Lücken im Zwangsvollstreckungsrecht und Unstimmigkeiten im Insolvenzrecht.

Den identifizierten Defiziten stellt Arndt in der Folge seine „Rechtsgeschäfts-Theorie“ gegenüber (S. 75 ff.). Hier dekliniert der Verfasser nun unter der Annahme einer analogen Anwendbarkeit (zu deren – aus Sicht des Autors – methodischer Zulässigkeit: S. 76-85) insbesondere sachenrechtlicher Vorschriften die nämlichen Rechtsfragen erneut durch und kommt zu dem Ergebnis, „dass die Behandlung von Bitcoins weitaus leichter fällt, sofern ein Recht an ihnen angenommen wird“ (S. 75). Insgesamt gelte, „Bitcoins sind wie Sachen zu behandeln, soweit die sachenrechtliche Regelung nicht explizit die Körperlichkeit der Sache betrifft“ (S. 137). So nimmt er eine Gesamtanalogie der §§ 873 ff., 929 ff. BGB bezüglich der Übertragbarkeit an (S. 117), spricht sich hinsichtlich der Frage der Belastungen für eine Analogie zum materiellen Grundbuchrecht aus, was er auf die Blockchain überträgt, und kommt auch ansonsten zum Ergebnis, dass „[d]er Inhaber eines Bitcoins … nach der Rechtsgeschäfts-Theorie so weitgehend wie ein Sacheigentümer geschützt“ werde (S. 132).

In der Folge liefert Arndt (weitere) Argumente für ein Recht an Bitcoins, indem er die rechtliche Praktikabilität und Praxistauglichkeit seiner Lösung präsentiert (S. 142 ff.) und sogar die Motive des BGB für seinen Ansatz fruchtbar macht (S. 151 ff.). Schließlich ergebe sich aus Art. 14 GG ein verfassungsrechtliches Zuordnungsgebot, wobei es Arndt nicht darum geht, dass die Verfassung ein Eigentumsrecht an Bitcoins vorschreibt, sondern darum, dass sich dann, wenn man der sachenrechtlichen Gesamtanalogie auf Bitcoins folgt, „unmittelbar auch ein Schutz durch Art. 14 GG“ ergebe (S. 157). Dies alles liest sich durchaus gefällig und schließt mit einer Zusammenfassung und Zusammenstellung der Thesen sowie einem Ausblick (S. 207 ff.), bevor die Arbeit zu „Anhängen“ überleitet, welche der (internationalen) Gerichtszuständigkeit, dem anwendbaren Recht und der technischen Funktionsweise der DLT-Technologie gewidmet sind.

Zu dieser gelungenen Doktorarbeit wäre viel zu sagen. Nachfolgend sollen nur drei, recht grundlegende Aspekte aufgegriffen werden.

# Zunächst verdient Beachtung, dass sich die Effektivität eines Bitcoin-Eigentums im BGB für einen Sachverhalt, der typischerweise grenzüberschreitender Natur ist, womöglich in Grenzen hält. So ist keineswegs stets klar, dass das BGB überhaupt anzuwenden ist. Auch wenn verschiedene europäische Rechtsordnungen einen weiteren Eigentumsbegriff zu Grunde legen als die deutsche, kann es zu einem Normenvakuum kommen, sollten andere anwendbare Privatrechtsordnungen kein Bitcoin-Eigentum vorsehen. Welches Recht in concreto Anwendung findet, behandelt das Internationale Privat- bzw. Kollisionsrecht. Hier ist allerdings unklar, wie ein Bitcoin-Eigentum auf dieser vorgreiflichen Metaebene anzuknüpfen wäre. Art. 43 EGBGB bezieht sich auf körperliche Gegenstände. Auch eine diesbezügliche Analogie hilft hier nicht weiter, da der Verweisungsbefehl die lex rei sitae benennt, also die Rechtsordnung des Belegenheitsorts. Wo Bitcoins „liegen“ lässt sich auf Grund der zu Grunde liegenden, dezentralen Blockchaintechnologie gerade nicht identifizieren. Qualifiziert man das Bitcoin-Eigentum auf der kollisionsrechtlichen Ebene immaterialgüterrechtlich, griffe die ungeschriebene Schutzlandregel, wonach das Recht desjenigen Staates zur Anwendung berufen ist, für dessen Gebiet Schutz beansprucht wird. Dies wäre zwar immerhin handhabbar, überzeugt aber bereits deshalb nicht, weil ein Bitcoin-Eigentum sich mit traditionellen IP-Rechten nicht vergleichen lässt. Es fehlt an der spezifischen Eigenart, die sich etwa im Urheberrecht in der persönlichen geistigen Schöpfung und im Patentrecht in der Erfindung zeigt. Außerdem denkt das Schutzlandprinzip auf der kollisionsrechtlichen Ebene das materiellrechtliche Territorialitätsprinzip des Immaterialgüterrechts weiter. An einem solchen materiellrechtlichen Grundsatz fehlt es aber im gegenständlichen Fall. Da keine der bestehenden Kollisionsregeln passend erscheint, fällt man letztendlich auf das „Prinzip der engsten Verbindung“ zurück, welches das europäische IPR seit Savigny (System des heutigen römischen Rechts, Bd. VIII, 1849, 108) prägt. Auch hier scheint zunächst keine Lösung denkbar. Denn mit dem Bestreben, diese engste Verbindung unter Beachtung kollisionsrechtlicher Interessen u.a. in räumlicher Hinsicht zu eruieren, wird scheinbar „alles Dezentrale zu[m] natürlichen Antagonisten“ (Zimmermann IPRax 2018, 566). Jedenfalls dann, wenn Kryptoverwahrstellen zum Einsatz kommen, mag man erwägen, deren Niederlassungsort als Anknüpfungspunkt heranzuziehen. Da das geltende Kollisionsrecht folglich kaum rechtssichere Ergebnisse zeitigt und ganz allgemein zur Steigerung der Effektivität bliebe zu erwägen, ob es nicht eines supranationalen Bitcoin-Eigentums bedarf. Art. 345 AEUV stünde dem wohl nicht entgegen.

# Allerdings – und damit kommen wir zur zweiten grundlegenden Frage – erscheint fraglich, ob wirklich eine Schutzlücke vorliegt, die es mit dem stärksten, was das BGB zu bieten hat – einer Eigentumsposition – zu schließen gälte. Als zentraler Aspekt stellt sich hier dar, ob es überhaupt ein Marktversagen gibt, das ein Bitcoin-Eigentum auf den Plan riefe. Ein solches ist nicht ersichtlich. Außerdem trumpfen blockchainbasierte Kryptowerte doch bereits mit einer tatsächlichen Ausschließlichkeit auf, weshalb es keiner rechtlichen mehr bedarf, namentlich um Fungibilität erst herzustellen. Einen mosaikartigen, aber wohl ausreichenden Integritätsschutz gibt es darüber hinaus ebenfalls. So greifen § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 303a, 202a ff. StGB und § 826 BGB bei Vorsatz sowie mittelbarer deliktischer Schutz über etwaige Hardware-Wallets (Eigentumsverletzung iSv § 823 Abs. 1 BGB) und ggf. gar über den „Bitcoin-Inhalt“ (denkbar wäre vor allem § 823 Abs. 2 BGB iVm DS-GVO-Normen als Schutzgesetze; Public Keys sind personenbezogene Daten). Außerdem bleibt noch das Vertragsrecht. Die Schutzlücke wäre also mit Faust (Gutachten A zum 71. Deutschen Juristentag, Digitale Wirtschaft – Analoges Recht – Braucht das BGB ein Update?, 2016, A 77 f.) in Konstellationen zu verorten, in denen der Zugriff auf die Bitcoin durch einen Dritten (also einen Nicht-Vertragspartner) in fahrlässiger Weise erfolgt und in denen die Bitcoin nicht auf einer Hardware-Wallet abgelegt sind. Losgelöst von weiteren Erwägungen, zB, ob hier nicht die Grundsätze der Drittschadensliquidation helfen könnten, bleibt die Frage offen, ob es für diese „Lücke“ einer Gesamtanalogie sachenrechtlicher Regelungen oder eines umfangreichen Tätigwerdens des Gesetzgebers bedarf (legislative punktuelle Klarstellungen sind indes jedenfalls zu begrüßen). Es gibt am Ende des Tages eben auch wertvolle faktische Positionen, die keinen rechtlichen Schutz genießen (zB bloßes Wissen, bloße Informationen abseits etwa des Geschäftsgeheimnisschutzes).

# Zuletzt seien noch methodische Bedenken hinsichtlich der vorgenommenen Gesamtanalogie angebracht. So erscheint ganz allgemein bei der Begründung einer Gesamtanalogie eine im Vergleich zur einfachen Rechtsfortbildung deutlich restriktivere Herangehensweise geboten. Wenn der Gesetzgeber keine allgemeine Vorschrift erlässt, sondern nur Einzelfälle regelt, liegt ein Umkehrschluss regelmäßig näher als eine Analogiebildung. Etwas im Trüben bleibt auch der allgemeine Rechtssatz, den Arndt den Eigentumsregeln entnehmen und sodann für Bitcoin fruchtbar machen möchte. Unklar ist zudem, ob eine etwaige Regelungslücke auch planwidrig wäre. Dass der historische BGB-Gesetzgeber von 1900 nicht an Bitcoins dachte, ist klar. Allerdings aktualisiert der Gesetzgeber seinen Willen permanent, im Hinblick auf Kryptowerte zuletzt etwa im eWpG. Auch die Vergleichbarkeit der Interessenlage, die in der Studie Arndts über den topos der Sachähnlichkeit begründet wird, erscheint womöglich etwas zu ergebnisorientiert, was dann klar wird, wenn der Autor nicht spezifisch vergleichbare sachenrechtliche Regelungen aus der Analogiebildung ausnimmt, sich aber dennoch auf einen gemeinsamen Rechtsgedanken der das Eigentum realisierenden Normen beruft. Das Argument, die Annahme der Analogie führe zu besseren zivilrechtlichen Resultaten, genügt den Erfordernissen an eine vergleichbare Interessenlage jedenfalls nicht.

Vorstehende Kritikpunkte sollen aber keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass es sich insgesamt um eine vorzügliche Doktorarbeit handelt, die die wissenschaftliche Debatte um die Behandlung von Bitcoins im hiesigen bürgerlichen Recht zweifellos bereichert. Arndt hat mit Wucht und Können einen Pflock eingeschlagen; keiner, der sich nunmehr mit der Thematik rechtswissenschaftlich, legislativ, idealiter auch richterlich auseinandersetzt, sollte seine ernst zu nehmenden Thesen ausblenden.

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