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Erfahrungsbericht JA 8/2017 Deutsche und englische Fassung

Von Maximilian Pika und Pierre Trippel, Universität Heidelberg | Jul 24, 2017

Vis Moot Afrika an der Bahir Dar University in Äthiopien


Alljährlich versammeln sich mehr als 300 Universitätsteams in Wien, um am internationalen Willem C. Vis Moot Court für Schiedsverfahrensrecht und UN-Kaufrecht teilzunehmen. Damit ist der Vis Moot der weltweit größte studentische Moot-Wettbewerb und ermöglicht den Teilnehmern eine einzigartige Möglichkeit, ihre schriftlichen und mündlichen juristischen Fähigkeiten in praktischer Anwendung zu verbessern und sich dabei mit Studenten aus verschiedensten Rechtskreisen auszutauschen. Mit der Gründung des Schwesterwettbewerbs Vis East in Hong Kong vor nunmehr 15 Jahren wurde vielen asiatischen und australischen Teams eine einfache Teilnahmemöglichkeit eröffnet. Gleichzeitig erfuhr der Wettbewerb stetig wachsende Teilnehmerzahlen von Teams aus Nord- und Südamerika sowie Europa, da viele Universitäten das Ausbildungspotential des Wettbewerbs im Lichte der besonderen Anforderungen eines globalisierten Rechtsmarkts erkannten. Obgleich diese steigenden Teilnehmerzahlen bemerkenswert sind, gibt es nach wie vor einen Kontinent, der bislang von den jüngsten Entwicklungen nicht profitieren konnte und weiterhin signifikant unterrepräsentiert ist: Afrika.

So kam es, dass Maximilian Pika und Pierre Trippel im Jahr 2015 beschlossen, ihr eigenes Bildungsprojekt zur Förderung der Teilnahme afrikanischer Teams am Wettbewerb ins Leben zu rufen. Nachdem die beiden in den Jahren zuvor bereits Teams der Bucerius Law School in Hamburg und der Universität Heidelberg erfolgreich auf die Teilnahme am Vis Moot vorbereitet hatten, erkannten sie die Notwendigkeit, förderbedürftigen Universitäten vermehrt Unterstützung zukommen zu lassen und diese Vision im Rahmen eines gemeinnützigen Projekts in einem Entwicklungsland selbst zu realisieren. Zur Umsetzung des Projekts wurde kurz darauf Jackson S. Kern Teil des Teams, ein amerikanischer Absolvent der Seattle Universität und der Bucerius Law School, der für die Addis Law Group in Äthiopien und Washington D.C. tätig ist.

Anfang 2016 nahm das Projekt konkrete Gestalt an, als dank Jackson Kerns fortführender Tätigkeit in Äthiopien eine Kooperation mit der Bahir Dar Universität im Nordwesten Äthiopiens geschlossen werden konnte. Ziel dieser Kooperation war es, eine Teilnahme der Universität am 24. Vis Moot 2016/2017 in Wien zu ermöglichen, eine Vollfinanzierung mittels Spendengeldern zu ermöglichen und die Studenten für die schriftlichen und mündlichen Teile des Wettbewerbs optimal vorzubereiten.

Im September 2016 begannen sodann zehn äthiopische Studenten aus dem LL.M.-Programm der Bahir Dar Universität ihre Teilnahme am Wettbewerb und wurden zunächst per E-Mail und Skype erstmals in internationalem Schiedsverfahrensrecht, UN-Kaufrecht und juristischen Schriftsatzkompetenzen unterrichtet. Von Beginn an war das Arbeitsverhältnis mit den Studenten von deren stetiger und starker Motivation geprägt, die eigenen juristischen Fähigkeiten zu verbessern und alle neuen Lerninhalte wissbegierig aufzunehmen. Ihren ersten großen Erfolg erfuhren die Studenten, als sie Ende Januar 2017 die Schriftsätze für den Kläger und den Beklagten in Wien einreichten. Dabei schafften sie es auf über 70 Seiten umfassende juristische Argumente zu entwickeln und erstmals in ihrer juristischen Laufbahn auf der internationalen Bühne aufzutreten.

Ende Januar 2017 reisten Herr Pika, Trippel und Kern dann nach Äthiopien, um die Studenten der Bahir Dar Universität persönlich zu treffen und im Rahmen eines einwöchigen Intensivworkshops auf die mündliche Teilnahme am Vis Moot vorzubereiten. Dabei lernten es die Studenten schnell, ihre mündlichen Argumente anhand des Sachverhalts des Vis-Moot-Falls zu entwickeln, das anwendbare Recht herauszuarbeiten und relevante Entscheidungen in ihre Argumentationsstruktur einzubeziehen. Während des Workshops machten die Studenten große Fortschritte in ihrem juristischen Wissen, ihrer Argumentationsfähigkeit und den Präsentationsfähigkeiten. Die Studenten teilten ihre Sicht auf das juristische System und die Traditionen in Äthiopien und schafften es schnell, einen individuellen Stil zu entwickeln, um ihrer Fallpräsentation einen eigenen äthiopischen Charakter zu verleihen. Leider konnten aufgrund von finanziellen Beschränkungen nicht alle Studenten am Wettbewerb in Wien vor Ort teilnehmen, weshalb zum Ende des Workshops hin eine Auswahl getroffen werden musste. Diese Entscheidung gestaltete sich ungemein schwierig, da alle Studenten ein Maß an Hingabe und Motivation zeigten, das seinesgleichen sucht. Schlussendlich wurden Herr Sisay und Herr Tesema ausgewählt, um nach Europa zu reisen. Obgleich diese Entscheidung für manche Studenten niederschlagend war, zeigten sie dennoch in der darauffolgenden Zeit ihre uneingeschränkte Unterstützung für ihre beiden Repräsentanten in den mündlichen Verhandlungen und waren sehr stolz darauf, was sie als Gruppe und Vertreter ihres Landes und ihrer Universität bereits gemeinsam erreicht hatten.

Ende März flogen die beiden ausgewählten Studenten dann nach Heidelberg, wo sie eine Woche mit ihren beiden deutschen Coaches Herrn Pika und Herrn Trippel verbrachten. Während dieser Woche schafften es die Studenten schnell, sich an das europäische Essen, die deutsche Kultur und badische Braukunst zu gewöhnen und schlossen schnell viele neue Freundschaften. Außerdem erhielten die beiden eine intensive und individuelle Vorbereitung für die herannahenden mündlichen Verhandlungen in Wien und konnten zum Ende ihrer Zeit in Heidelberg ihre Fähigkeiten erstmals im Rahmen einer Teilnahme am Heidelberg Promot gegen andere Studenten in echten Debattenrunden erproben. Für die Studenten stellte dies der bisherige Höhepunkt ihre Teilnahme dar, da sie von den anderen Teams der Universitäten Montpellier, Auckland, Teheran und Heidelberg sowie von den international besetzten Schiedsgerichten viel Zuspruch und Anerkennung erfuhren.

Nach einer 13-stündigen Busfahrt von Heidelberg nach Wien hatten die Studenten trotz der Reisestrapazen unmittelbar Lust, weitere Proberunden gegen die Teams der Universitäten McGill und Penn State durchzuführen und bewiesen sogar wahren Vis Moot Spirit, als sie abends afrikanische Tanzeinlagen auf der Vis-Moot-Eröffnungsfeier zelebrierten. Schließlich gilt: Der Vis Moot schläft nie.

Am darauffolgenden Tag wurde den Studenten eine große Ehre zuteil, als sie am Graf & Pitkowitz Pre-Moot im österreichischen Obersten Gerichtshof als Zuschauer teilnehmen durften. Dort erhielten sie die Möglichkeit, außergewöhnlichen Debattenrunden der Universitäten aus Harvard, Buenos Aires, Columbia und Montevideo beizuwohnen. In der Pause ließen sie sich von der Festrede von DLA Piper’s Mark A. Nadau begeistern, der die fundamentalen Aspekte der Freundschaft, der Bildung und des Networkings während des Vis Moots genauer beleuchtete. Abschließend waren die Studenten besonders von einem Treffen mit Margaret L. Moses angetan, deren Lehrbuch über Schiedsverfahrensrecht das einzig zugängliche Vorbereitungsmittel der Unterrichtsklasse an der Bahir Dar Universität war.

In der weiteren Woche in Wien repräsentierten die Studenten dann in außerordentlicher Weise ihre Heimatuniversität in den mündlichen Verhandlungen des 24. Vis Moot gegen die New York University, die University of Brasilia, das ILS College of the Law India und die Rotterdam University. Damit hatten die Studenten Anhörungen gegen Teams aus Common- und Civil-law-Jurisdiktionen, was maßgeblich zum Ausbildungserfolg der Studenten beitrug. Alle Schiedsgerichte drückten ihre große Wertschätzung für die erstmalige Teilnahme der Bahir Dar Universität aus und schätzten am Auftreten der äthiopischen Studenten insbesondere deren Professionalität, Leidenschaftlichkeit und tiefgründige Vorbereitung, die sich in teils sehr unterhaltsam vorgetragenen juristischen Argumenten zeigte. Eine Vielzahl von Personen bot für künftige Jahre Unterstützung für das Bildungsprojekt an und betonte das große Potenzial von juristischen Bildungsinitiativen auf dem afrikanischen Kontinent.

Nach ihrer Rückkehr nach Äthiopien war zunächst angedacht, dass beide Studenten Vollzeit-Lehrtätigkeiten an der Bahir Dar Universität und der Universität von Aksu antreten werden. Jedoch hat sich in der Zwischenzeit ergeben, dass beide Studenten zur großen Begeisterung aller Beteiligten Vollstipendien für ein Master-Studienprogramm an der Penn State University in den Vereinigten Staaten erhalten haben und dementsprechend das kommende Jahr mit einem vertieften Studium im englischsprachigen Raum verbringen werden. Nichtsdestotrotz werden beide die Studenten des neuen Jahrgangs in Äthiopien für eine erneute Vis-Moot-Teilnahme mitbetreuen und ihre erlernten Lektionen über internationale anwaltliche Praxis und Vielfalt der juristischen Traditionen an die jüngeren Jahrgänge weitergeben. Beide Studenten werden sich dafür einsetzen, an äthiopischen Universitäten eine Vis-Moot-Tradition zu begründen und dabei eng mit den Unterstützern des Vis-Moot-Afrika-Projekts zusammenarbeiten.

Insgesamt war das Projekt für alle Beteiligten eine absolut einzigartige Erfahrung, und die Erinnerungen und entstandenen Freundschaften werden sicherlich anhaltend bereichern. Es ist besonders hervorzuheben, dass die Realisierung des Projekts ohne die Unterstützung diverser Kanzleien und Einzelpersonen aus Deutschland und Dubai sowie der Universität Heidelberg nicht möglich gewesen wäre. Ohne diese großzügige Hilfe hätte die Bahir Dar Universität nicht am 24. Vis Moot teilnehmen können, der Geist des Wettbewerbs wäre nicht von Wien nach Äthiopien getragen worden und viele Personen hätten niemals die Möglichkeit bekommen die beiden großartigen und bemerkenswerten Studenten Herr Sisay und Herr Tesema kennenzulernen.#



Englische Fassung


Vis Moot Africa at Bahir Dar University in Ethiopia

Each year more than 300 university teams gather in Vienna to attend the hearings of the Willem C. Vis Commercial Arbitration Moot Court, which makes the Vis Moot the biggest law student competition worldwide. The Vis Moot is a unique opportunity for students to receive training on international arbitration and UN sales law, to improve their oral and written advocacy skills and maybe most importantly exchange with like-minded young professionals from around the world. With the establishment of the Vis East, the Vis Moot’s sister competition in Hong Kong, almost 15 years ago, the Moot opened its gates to many teams from Asia and Oceania. At the same time, the number of competing teams from the Americas and Europe also grew significantly as the competition gained a strong profile in addressing the educational demands of a globalized legal market. Whilst these developments in recent years are truly outstanding, there still remains one continent that has very little representation in the competition: Africa.

After having participated for five years as students and academic instructors for their alma mater Bucerius Law School Hamburg in Germany and later on for Heidelberg University, Maximilian Pika and Pierre Trippel decided in 2015 to contribute to the integration of African teams into the Vis Moot. Over the years, their motivation to participate in the Vis Moot became fundamentally driven by their desire to promote the educational character of the competition and therefore became determined to found their own capacity building project. Together, they partnered up with Jackson S. Kern, a Seattle University and also Bucerius Law School alumni, who is with the Addis Law Group.

In early 2016, the project started to take shape when thanks to Jackson Kern’s continuous involvement in Ethiopia a cooperation with Bahir Dar University in Northwestern Ethiopia could be formed. The main objective was to enable a participation of Bahir Dar University in the 24th Vis Moot 2016/2017 in Vienna and prepare the students for the written and oral competition. Starting in September 2016, ten Ethiopian students from Bahir Dar’s LL.M. program were taught on international arbitration law, UN sales law, written legal techniques and the usage of case law via E-Mail and Skype. From the outset, the working relationship with the students was characterized by their strong and continuous motivation to improve their advocacy skills in a truly remarkable manner. The students experienced their first major success when they were able to submit their Memoranda for Claimant and Respondent to the Vis Moot organization by the end of January 2017. They managed to draft 70 pages of comprehensive legal arguments and thereby participated on the international legal stage for the very first time in their legal careers.

In late January 2017, Mr. Pika, Mr. Trippel and Mr. Kern travelled to Ethiopia to meet Bahir Dar’s Vis Moot class in person and to conduct a week-long workshop on the Vis Moot problem with a special focus on the oral skills required for the hearings in Vienna. The students quickly learned how to base their oral arguments on the facts of the Vis Moot problem, the applicable statutory law as well as relevant case law. Throughout all stages of the workshop, every single student has taken tremendous steps forward with regards to their legal knowledge, reasoning and presentation skills. The students shared their perspective on Ethiopian advocacy and quickly developed their individual style in arguing their case on an international stage. By the end of the workshop, the students were able to deliver an entire speech on behalf of their clients and could engage in profound legal arguments with a panel of arbitrators. Unfortunately, due to financial restrictions, not all students could continue their journey to the oral competition in Vienna and a selection had to be made. It was incredibly difficult to reach such a decision since every single student of the class showed a level of dedication that can only be described as outstanding. Finally, after the completion of the workshop, Mr. Sisay and Mr. Tesema were selected to travel to Europe. Although the decision has certainly been heart-breaking for some students, all of them were at all times showing their continuous support towards their two representatives in the oral competition and were very proud of what they achieved together as a strong team.  

In the end of March the selected Ethiopian students arrived in Heidelberg and stayed for one week with their German coaches. During that week the students familiarized themselves with European food, local culture, the German art of brewing and quickly made new friends. Further and most importantly, they received an intensive individual preparation for the upcoming pleadings by Mr. Pika and Mr. Trippel. Subsequently, the highlight of the student’s stay in Heidelberg was the participation in the Heidelberg Pre-Moot just five days before the beginning of the competition in Vienna. For the very first time, they could experience a “real” pleading against other fellow university students from Montpellier, Auckland, Teheran and Heidelberg whilst appearing before multinational and distinguished arbitral tribunals.

Having arrived in Vienna after a 13 hour overnight bus ride from Heidelberg, the students were still keen to immediately head to more practice rounds against the university teams from McGill and Penn State and showed true Vis-Moot spirit when they gathered their last energy to bring African dancing to the Vis opening party. After all, the Vis Moot never sleeps.

The following day, the students received the unique opportunity to attend the Graf & Pitkowitz Pre-Moot at the Austrian Supreme Court. Thereby, they were able to listen to outstanding oral arguments by the university teams from Harvard, Buenos Aires, Columbia and Montevideo and were inspired by the keynote address of DLA Piper’s Mr. Mark A. Nadeau who stressed the educational, friendship and networking perspective of the Vis. Finally, the students were especially delighted to meet and even take a photo with Margaret L. Moses, who’s arbitration text book is one of the only books the class at Bahir Dar had at hand to prepare. 

The following week in Vienna, the students successfully represented Bahir Dar University in the oral hearings of the 24th Vis Moot against New York University, University of Brasilia, ILS College of the Law India and Rotterdam University. Hence, the students had pleadings against teams from both civil and common law jurisdictions which added great value to their educational experience. Every pannel of arbitrators expressed their profound appreciation of Bahir Dar University’s participation and valued the passionate, well prepared and entertaining legal arguments of Mr. Sisay and Mr. Tesema. Numerous people offered future support for the capacity building program and saw the great future potential of African legal education projects.

Upon return to Ethiopia, both students will enter into full-time teaching positions, Mr. Sisay at Bahir Dar University and Mr. Tesema at Aksum University. In this capacity, they will teach many more students about the invaluable lessons they learned about international advocacy and the diversity of different legal traditions. Both students will work on involving more Ethiopian universities in the Vis Moot and will aim at establishing an Ethiopian Vis Moot tradition together with the continuous support of the Vis Moot Africa project.

Overall, the project has been a unique personal experience for everyone involved and the memories and friendships created will certainly last. It goes without saying, that this project would not have been possible without the generous and continuous support from law firms and private individuals from Germany and Dubai as well as Heidelberg University. Without their support, Bahir Dar University could not have participated in the 24th Vis Moot, the spirit of the moot would not have been carried from Vienna to Ethiopia and many people would have never had the pleasure to meet the two remarkable individuals Mr. Sisay and Mr. Tesema.

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