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Erfahrungsbericht JA 5/2016

Von Claudia Pfeffer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie von Prof. Dr. Henning Ernst Müller an der Universität Regensburg | Apr 25, 2016

Pflichtwahlpraktikum in Dubai

I. Einleitung und Vorbereitung

Dubai – »nur« eine Metropole, beherrscht von Luxus, Wachstum und Innovation? Wie gestaltet sich dort die Tätigkeit deutscher Juristen? Diese und ähnliche Fragen brachten mich auf die Idee, mein Pflichtwahlpraktikum in Dubai zu absolvieren. Die Arbeitsfelder der deutschen Kanzlei Anders Legal Consultancy erschienen mir äußerst interessant. Zudem wurde eine Zusatzvergütung in Aussicht gestellt, um den finanziellen Mehraufwand in Grenzen zu halten. Auf meine Bewerbung hin konnten innerhalb kürzester Zeit bei einem Telefoninterview alle offenen Fragen geklärt werden. Folglich entschloss ich mich, den Schritt zu wagen.

Zunächst waren aber noch einige Vorbereitungen zu treffen. Die Kanzlei übernahm die Beantragung des Residence Visa. So hatte ich mich neben dem Flug »nur« um eine Wohnung zu kümmern. Dies gestaltete sich allerdings schwieriger als gedacht: Die große Entfernung erschwerte den Kontakt zum Makler. Ferner beträgt die Laufzeit von Mietverträgen in Dubai in der Regel ein Jahr. Wenn aber vereinzelt doch eine mietweise Überlassung über kürzere Zeiträume erfolgt, dann kurzfristig und ohne größere Vorlaufzeit. Dem deutschen Bedürfnis nach Planung im Voraus fehlt in dieser Beziehung das arabische Pendant. Außerdem bewegen sich die Mieten auf ziemlich hohem Niveau. Dennoch fand sich letztlich ein Hotelappartement, das ich mit einer Referendarin, die zeitgleich ihre Station in Dubai verbrachte, teilen konnte. Somit reduzierte sich die Miete auf ein erträgliches Maß. Dem Aufenthalt stand nun nichts mehr im Wege. So machte ich mich Ende Juni auf nach Dubai, um die dreimonatige Wahlstation anzutreten.

II. Die Kanzlei

Vom ersten Tag an wurden wir von den Kollegen nett aufgenommen und in die Kanzleiarbeit eingebunden. Das Tätigkeitsfeld der Kanzlei erstreckt sich auf die Beratung von Konzernen, mittelständischen Unternehmen und Privatpersonen in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts. Die in Deutschland zugelassenen Anwälte sind zugleich in Dubai als Legal Consultants akkreditiert und bieten eine individuelle Betreuung von Investitionsvorhaben in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Neben der Beratung und Begleitung von Unternehmensgründungen liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit im Handelsvertreterrecht, Arbeitsrecht sowie im Immobilien- und Mietrecht. Die Mandanten werden von der Gründungsphase an einerseits in juristischen Fragen beraten und andererseits in administrativen und bürokratischen Angelegenheiten unterstützt. Hierbei ist die Kenntnis sowohl der europäischen Denkweise als auch der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie lokaler Besonderheiten von großem Vorteil.

III. Die Arbeit in der Kanzlei

Die Arbeit in der Kanzlei stellte sich als sehr vielseitig dar. Zwar war es anfangs gewöhnungsbedürftig, sich im Dschungel der Abkürzungen zurechtzufinden. Auch gingen Formulierungen in englischer Sprache nicht so leicht von der Hand; jedoch dauerte die Einarbeitung nicht lange. Zusätzlich zur Einbindung in die Korrespondenz mit Mandanten gehörten rechtsvergleichende Recherchen sowie Vertragsgestaltung und Behördengänge zu unseren Aufgaben. Letztere waren neben der Informationsbeschaffung allgemein eine große Herausforderung: Zwar erfährt man durchweg eine zuvorkommende Behandlung bei sämtlichen Behörden, allerdings werden gestellte Fragen nicht selten unter Hinweis auf »normal procedure« abgetan. In diesen Fällen kann es äußerst schwierig sein, einen zuständigen Ansprechpartner für Auskünfte über solche »normal procedures« zu finden. Nicht selten wünscht man sich dann Nachschlagewerke und Datenbanken, die den in Deutschland zum Standard zählenden vergleichbar sind. Die zuverlässige Veröffentlichung von Gesetzen, Erlassen und Verordnungen oder aktuellen und vollständigen Informationsmaterials ist keine Selbstverständlichkeit. Dementsprechend sind für erfolgreiches Arbeiten in Dubai nicht nur juristisches Fachwissen und die Kenntnis lokaler Gegebenheiten, sondern auch andere Fähigkeiten von Bedeutung: Dazu gehören Ausdauer und Durchsetzungsvermögen, aber vor allem Kommunikationsfähigkeit. Auf diese Weise gelangt man unter Umständen an Informationen, welche nicht unbedingt in den Zuständigkeitsbereich des betreffenden Mitarbeiters fallen. Dies kann die Arbeit erheblich erleichtern und Vorgänge beschleunigen.

Besonders interessant war es, die vollständige Gründungsphase von Unternehmen vor Ort mitzuerleben und zu begleiten. Standen zu Beginn noch oft vage Vorstellungen des Mandanten, so nahmen die Unternehmen dennoch erstaunlich schnell Gestalt an: Nachdem die optimale Gesellschaftsform gewählt wurde, hieß es, die angestrebte(n) Aktivität(en) zu ermitteln und nötige Lizenzen zu beantragen. In der Freihandelszone DMCC (Dubai Multi Commodities Centre) erstreckt sich der Prozess der Gründung bei sorgfältiger Vorbereitung sämtlicher – gegebenenfalls legalisierter – Dokumente im besten Fall auf einen Zeitraum von etwa zwei bis drei Monaten. Hilfreich ist dabei, dass viele Vorgänge durch den Upload der nötigen Dokumente auf einer persönlichen Gründungsseite online erledigt sowie der Bearbeitungsstand verfolgt werden können. Während der Aufwand für die Gründung selbst noch relativ überschaubar ist, sind die weiteren zu bewältigenden Schritte nicht zu unterschätzen: So unterstützten wir die Mandanten auf Wunsch auch bei Angelegenheiten wie der Anmietung von Büroräumen, der Beantragung von Visa für Angestellte, beim Entwurf von Arbeitsverträgen und dem Abschluss von Krankenversicherungen, bei der Eröffnung von Bankkonten und Postfächern sowie durch Botengänge zu diversen Behörden. Nach landläufiger Vorstellung haben Frauen in der arabischen (Geschäfts-)Welt keinen leichten Stand. Unsere Erfahrungen konnten dies nicht bestätigen. Stattdessen erfuhren wir häufig eine bevorzugte Behandlung. In vielen Behörden gibt es eigene Abteilungen und Schalter ausschließlich für Frauen sowie separate Wartebereiche. Wo dies nicht der Fall war, wurden Frauen vereinzelt auch an der Warteschlange vorbei direkt an den Schalter gewunken.

IV. Das Recht der Vereinigten Arabischen Emirate

Das Recht der VAE unterscheidet sich weniger vom deutschen Recht als man meinen könnte. Speziell im Miet- und Immobilienrecht finden sich selbst in den Gesetzesformulierungen einige Ähnlichkeiten.

Allgemein ist das Rechtssystem der Emirate jedoch von einem gewissen Protektionismus geprägt. Dies zeigt sich insbesondere beim Erwerb von Grundeigentum. Ein vollwertiger Grunderwerb ist in großen Teilen der Emirate nur »locals« bzw. Angehörigen der Golfstaaten möglich. Auswärtigen steht es dagegen nur in entsprechend ausgewiesenen Gebieten offen, Eigentum zu erwerben oder Langzeitmietverträge über bis zu 99 Jahre abzuschließen.

Auch das Gesellschaftsrecht der VAE weist Besonderheiten auf: Zwingende Vorgabe für Gesellschaftsgründungen auf dem Staatsgebiet ist, dass mindestens 51% der Anteile in der Hand eines VAE-Staatsbürgers oder einer emiratischen Gesellschaft gehalten werden müssen. Dies führt dazu, dass ausländische Investoren oft enorme Summen in Gesellschaften investieren, an denen die Mehrheit der Anteile – zumindest auf dem Papier – einem »local partner« zusteht. Dieser erhält je nach Absprache einen festen Anteil am Gesellschaftsgewinn und fungiert im Gegenzug als Sponsor für Visa von Angestellten der Gesellschaft, geht also nur insofern gewisse Risiken ein.

Die Arbeit mit dem lokalen Recht erfolgt im Wesentlichen in englischer Sprache. Hinsichtlich der ursprünglich in arabischer Sprache erlassenen Rechtsvorschriften ist man mangels amtlicher englischsprachiger Veröffentlichung auf korrekte Übersetzungen angewiesen. Deren Beschaffung war nicht immer ein leichtes Unterfangen. Zudem galt es, den Überblick zu behalten: Denn je nach Rechtsgebiet sind innerhalb der VAE sowie innerhalb der einzelnen Emirate, insbesondere in Freihandelszonen, unterschiedliche Bestimmungen zu beachten.

V. Leben in Dubai

Dubai ist eine höchst interessante und vielseitige Stadt, die weit mehr zu bieten hat als man auf den ersten Blick meinen möchte. Sicher dominieren die architektonisch eindrucksvollen Wolkenkratzer das Stadtbild; ferner drängen sich die Einwohner an den Wochenenden in den Malls. Im Gegensatz dazu gibt es jedoch alles andere als von Wohlstand geprägte Stadtviertel, in denen man in einer anderen Welt zu sein scheint: So ist in den Arbeitervierteln und auf den Großbaustellen keine Spur vom Luxus, der vielerorts das Leben bestimmt. Den ständigen Fortschritt sowie die rasante städtebauliche Entwicklung machen erst die zahllosen Gastarbeiter möglich, die oft gezwungen sind, von umgerechnet 150 EUR im Monat zu leben.

Vor dem Hintergrund der Einkommensschere lässt sich auch die Frage nach den Lebenshaltungskosten nicht pauschal beantworten: Diese hängen vor allem von den eigenen Lebensgewohnheiten und Vorlieben ab. Auf der einen Seite ist es nicht schwer, viel Geld auszugeben. Auf der anderen Seite ist es gut möglich, mit relativ geringem Budget seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. In Supermärkten, Restaurants und Straßencafés steht dazu ein breites Angebot zur Verfügung, das die Vielfalt der in Dubai zusammenlebenden Nationalitäten widerspiegelt.

Die ersten beiden Wochen des Aufenthalts fielen in den islamischen Fastenmonat Ramadan. Daher erlebten wir hautnah mit, wie sich das öffentliche Leben in dieser Zeit verändert: Ist tagsüber noch kaum Leben auf der Straße und sind die meisten Restaurants geschlossen, so herrscht ab Sonnenuntergang umso mehr Geschäftigkeit bei üppigem Fastenbrechen bis tief in die Nacht.

Der Zeitraum von Juli bis September lag in der klimatisch ungünstigsten Zeit in Dubai. Bei Temperaturen über 40 Grad und oft hoher Luftfeuchtigkeit war es unangenehm, sich im Freien aufzuhalten. Doch die Stadt ist auf diese Temperaturen bestens eingestellt: Sämtliche Büros, Behörden, Malls, Metrostationen und sogar Bushaltestellen sind klimatisiert. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase und bei entsprechender Verhaltensanpassung kann man sich auch mit den klimatischen Bedingungen gut arrangieren. Wer die Wahl hat, sollte trotzdem lieber den Zeitraum zwischen Oktober und Juni für einen Aufenthalt wählen.

Für die Freizeit bieten Dubai und Umgebung zu jeder Jahreszeit ein vielfältiges Angebot an Aktivitäten aller Art: Als Alternative zu den unzähligen Malls erlauben es Golfplätze, eine Skihalle, Eislaufbahn, Wassersportmöglichkeiten und zahlreiche öffentliche Sandstrände, die Freizeit aktiv zu gestalten.

VI. Fazit

Die Zeit in Dubai bei Anders Legal Consultancy war äußerst abwechslungsreich und dank der intensiven Einbindung in die Anwaltstätigkeit sehr lehrreich: Sie verschaffte mir sowohl einen Einblick in das Rechts- und Gesellschaftssystem der Emirate als auch in eine eher ungewöhnliche, aber überaus reizvolle Tätigkeit für Juristen außerhalb Deutschlands – abseits von Schönfelder, Palandt und Co.

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