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Editorial JA 4/2016

Von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, Regensburg | Mrz 15, 2016

So spannend kann Juristerei sein …


Nicht wenige werden diese Aussage mit einer gewissen Skepsis lesen, zumal wenn man sich gerade mit den Tücken des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses oder mit den gekreuzten Mordmerkmalen im Rahmen des» § 28 StGB abmüht. Das gehört zwar zum juristischen Grundlagengeschäft, ist aber nicht alles.

Um das eingangs getroffene Statement zu belegen, möchte ich Sie auf drei Bücher und fünf Filme aufmerksam machen, die in meinen Augen zeigen, wie spannend Juristerei sein kann.

Man darf nie aufhören zu kämpfen! Hinter diesem Satz steht die faszinierende Geschichte einer unbeugsamen Frau, eines integren Journalisten und eines jungen, noch unerfahrenen aber enorm engagierten Anwalts. In einer Zeit, in der die breite Öffentlichkeit über die Restitution von Raubkunst diskutiert (Fall Gurlitt) und das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste Lehre und Forschung zu NS-Raubkunst durch Integration der Provenienzforschung an den Universitäten stärken will (Provenienzforscher sind bisher Autodidakten), erzählt und erklärt das Buch von Elisabeth Sandmann »Der gestohlene Klimt« – viel mehr als die gleichwohl sehr sehenswerte Hollywood-Verfilmung »Die Frau in Gold« – die faszinierende Geschichte von Maria Altmann, die sich mit fast 84 Jahren entschließt, den Staat Österreich von den USA aus zu verklagen, um die ihrer Familie von den Nazis geraubten Klimt-Bilder zurückzubekommen. Den fast aussichtslosen Kampf gewinnt Maria Altmann nach einer Odyssee bis zum Obersten Gerichtshof der USA. Wer das Buch gelesen hat, wird den sehenswerten Film mit anderen Augen sehen und viel besser verstehen. Anmerkung: In Österreich gibt es seit 1998 ein Restitutionsgesetz, das sich als sehr wirksam erwiesen hat. In Deutschland gibt es ein solches Gesetz nicht! Am 14.7.2003 wurde die sog Limbach-Kommission eingerichtet, die von Betroffenen zu Fragen der Restitution von Raubkunst angerufen werden kann. Wesentlich effektiver könnte diese Kommission arbeiten, wenn sie wichtige Restitutionsentscheidungen treffen könnte. – Die wenigen sehr guten Restitutionsspezialisten sitzen derzeit vor allem in den USA. Spezifisches geschichtliches, juristisches und wirtschaftswissenschaftliches Wissen ist erforderlich, um die Geschichte eines Werks und der Opfer rekonstruieren zu können. Das kann doch eine sehr spannende Aufgabe für künftige Juristen sein, die den Anwälten in den USA nicht das Feld überlassen wollen.

Die Bombenexplosion am 26.10.1980 am Haupteingang zum Münchener Oktoberfest war mit 13 Toten (darunter der Bombenleger Gundolf Köhler) und 211 Verletzten der blutigste Terroranschlag in der Geschichte der Bundesrepublik. Zwischenzeitlich gilt als nahezu gesichert (und damit die offizielle Einzeltäter-Version nachhaltig erschüttert), dass für den Anschlag nicht allein der Bombenleger verantwortlich war. Warum ignorierte die Polizei Zeugenaussagen? Warum gab der bayerische Staatsschutzchef geheime Informationen an die Presse weiter? Warum wurden wichtige Beweismittel vernichtet? Es ist vor allem das große Verdienst des unermüdlich ermittelnden Journalisten Ulrich Chaussy (»Oktoberfest – Das Attentat«) und des Opferanwalts Werner Dietrich sowie vor allem auch der Verfilmung ihrer Geschichte in dem ebenso fundiert recherchierten wie aufwühlenden Film »Der blinde Fleck«, dass der Generalbundesanwalt zu Beginn des vergangenen Jahres die Ermittlungen zum Oktoberfest-Attentat wieder aufgenommen hat.

»Worauf kann man als Deutscher nach 1945 noch stolz sein?«, fragte Fritz Bauer einmal in einer Fernsehsendung und gab gleich selbst die Antwort: »Auf das, was man tut!«. – Schon »Im Labyrinth des Schweigens« ging es um die Vorbereitung des Auschwitz-Prozesses, in dem am 19. und 20.8.1965 die Urteile verkündet wurden. Fortan ließ sich im Nachkriegsdeutschland der Holocaust als deutsches Verbrechen nicht mehr verdrängen. Dass es überhaupt zu dem Prozess kommen konnte, war und bleibt in erster Linie das Verdienst des ebenso unbeirrbaren wie furchtlosen damaligen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer (Biographie Irmtrud Wojak »Fritz Bauer«), der schon 1952 die Widerstandskämpfer des 20. Juli rehabilitierte, die bis dahin als Landesverräter galten, und der später Adolf Eichmann in Argentinien aufspürte. Erwünscht war das von vielen nicht. Viele Deutsche wollten lieber einen Schlussstrich unter die braune Vergangenheit ziehen. Auch waren in den Nachkriegsjahren nicht wenige ehemalige Nazis in hohe politische Ämter gelangt. Fünfzig Jahre nach der Urteilsverkündung im Auschwitz-Prozess rückt »der Ankläger seiner Epoche« wieder in die Medienöffentlichkeit. In dem von vielen Kritikern gefeierten Film »Der Staat gegen Fritz Bauer« steht der streitbare Jurist im Zentrum des Geschehens. Auch der ebenso herausragend inszenierte wie bestens besetzte Fernsehfilm »Die Akte General« (gesendet am 24.2.2016 im ersten Programm) zeigt eindrucksvoll, gegen welch massive Widerstände sich Bauer erwehren musste. »Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich Feindesland«, sagte er einmal. Erst posthum wurden seine Verdienste anerkannt. Seinerzeit galt er eher als Nestbeschmutzer. Seine tief verwurzelten Überzeugungen gaben ihm aber die Kraft, trotz aller Widerstände seine Ziele zu verfolgen. Hoffen wir, dass unsere Gesellschaft solch mutige Menschen wie Fritz Bauer hervorbringt.

Jetzt wünsche ich Ihnen entspannende Stunden bei spannender Lektüre und Filmen, die Sie vielleicht noch nicht im Blick hatten.

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