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ESG-Ausstrahlungen auf Finanzberichterstattung gemäß HGB und IFRS

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Hinweise vom 6.12.2023 mit Ausblick auf 2024

 

Mit der Umsetzung der Europäischen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) wird die ESG-Berichterstattung künftig Teil des zu prüfenden Lageberichts sein. Diese Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte allerdings nicht als ein für sich alleinstehender Teilbereich der Unternehmensberichterstattung betrachtet werden, da sich mit dem Themenkomplex „ESG“ (ESG – Environmental/Umwelt, Social/Soziales, Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung) eine Vielzahl an Ausstrahlungswirkungen auch auf die „traditionelle“ Finanzberichterstattung nach HGB und IFRS ergibt.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Über unterschiedliche Wirkungskanäle (z.B. regulatorische Rahmenbedingungen, Produktinnovationen, geändertes Kundenverhalten) wirken sich ESG-Themen auch auf die (langfristige) wirtschaftliche Performance (Leistungsfähigkeit) und somit auch auf das Bilanzbild aus (vgl. hierzu auch Buchberger/Richter, Bilanzielle Auswirkungen von umweltbezogenen Faktoren auf die HGB-Rechnungslegung, BC 2023, 366 ff., Heft 8). Die möglichen Auswirkungen sind vielfältig. Im Rödl-Newsletter vom 6.12.2023 (Unternehmerbriefing 06/2023 mit Ausblick auf 2024) ist eine Zusammenstellung einiger ausgewählter Effekte auf die herkömmliche Bilanzierung nach HGB und IFRS enthalten, die bei vielen Unternehmen bedeutsam sein können und daher nachfolgend skizziert werden.

 

 

Lösung

(1) Zu berücksichtigen sind insbesondere Auswirkungen bei langfristigen nicht-finanziellen Vermögenswerten; sie betreffen vor allem das immaterielle Vermögen sowie die Sachanlagen. In beiden Bereichen werden sowohl nach HGB als auch nach IFRS die Anschaffungs- oder Herstellungskosten (AHK) i.d.R. über die erwartete Nutzungsdauer abgeschrieben und ggf. wertgemindert. Hierbei können ESG-bezogene Faktoren sowohl zu einer Verkürzung des Abschreibungszeitraums als auch zur Notwendigkeit der Erfassung von Wertminderungen führen.

(2) Neben den langfristigen Vermögenswerten können auch die Vorräte auf einen niedrigeren Korrekturbetrag abzuwerten sein. Hier sind gleichermaßen die bereits genannten Einflüsse aufgrund geänderter Regulatorien oder veränderten Verbraucherverhaltens, aber auch bedingt z.B. durch gestiegene Transportkosten zu berücksichtigen.

(3) Im Bereich der finanziellen Vermögenswerte sind gemäß Rödl-Empfehlungen insbesondere sog. ESG-gebundene Instrumente in den Fokus zu nehmen, also solche, deren Verzinsung an die Einhaltung bestimmter ESG-Kennzahlen gebunden ist. Werden solche Darlehen auf der Aktivseite als Vermögen gehalten, gilt nach HGB das Anschaffungskostenprinzip. Nach IFRS ist für den erstmaligen Ansatz und die entsprechende Klassifizierung im Einzelfall zu beurteilen, ob das sog. Zahlungsstromkriterium erfüllt ist, wonach die Zahlungsströme aus dem Finanzinstrument nur aus Zins- und Tilgungszahlungen bestehen dürfen:

  • Nur wenn dies bejaht wird und das Geschäftsmodell also im „Halten“ des Finanzinstruments besteht, ist auch nach IFRS eine Bilanzierung zu fortgeführten Anschaffungskosten vorgesehen.
  • Anderenfalls ist das Finanzinstrument zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten.

Im Rahmen der Prüfung des Zahlungsstromkriteriums ist die Frage wichtig, ob die ESG-Kennzahl das Kreditausfallrisiko widerspiegelt oder nicht; diese Beurteilung kann im Einzelfall anhand der konkreten Umstände vorgenommen werden.

(4) Soweit ESG-gebundene Darlehen auf der Passivseite als Verbindlichkeiten enthalten sind, hat nach HGB eine Bilanzierung zum Erfüllungsbetrag zu erfolgen. Zinsen sind aufwandswirksam zu erfassen (für variable Rückzahlungsbeträge gilt jedoch das Höchstwertprinzip). Demgegenüber ist nach IFRS die Effektivzinsmethode anzuwenden, wonach die gesamten erwarteten Zahlungsströme – bestehend aus Zins- und Tilgungszahlungen – mit dem Effektivzinssatz diskontiert werden.

(5) Auch für die Bildung von Rückstellungen ergeben sich viele Fragestellungen infolge ESG-bezogener Themen. Zum einen könnte es nach den Rödl-Hinweisen vermehrt zu Drohverlustrückstellungen kommen, wenn langfristig angelegte Lieferverträge, z.B. durch Gesetzesänderungen oder geändertes Kundenverhalten, verlusttragend werden. Falls die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der Verträge den zu erwartenden wirtschaftlichen Nutzen übersteigen, ist in Höhe des niedrigeren Betrags aus den Kosten der Erfüllung und anfallenden Entschädigungszahlungen bei Nichterfüllung eine Rückstellung zu bilden.

Ferner können sich Rückstellungen durch Entsorgungs-, Wiederherstellungs- oder ähnliche Verpflichtungen ergeben. Solche Verpflichtungen sind gemäß HGB ratierlich aufwandswirksam anzusammeln, während sie nach IFRS in voller Höhe der geschätzten diskontierten Kosten zu bilden und als Teil der AHK der zugehörigen Sachanlage zu aktivieren sind.

Drittens wird darauf verwiesen, dass im Kontext von ESG-bedingten Veränderungen auch Restrukturierungsrückstellungen notwendig werden können. Während dem HGB keine Konkretisierungen zum Ansatz solcher Rückstellungen zu entnehmen sind, gibt es zumindest steuerrechtlich Leitlinien für Sozialpläne. Diese sind dann als Rückstellungen zu erfassen, wenn sie zum Stichtag entweder bereits bekannt gegeben wurden oder die Bekanntgabe im Aufstellungszeitraum erfolgt, aber der Beschluss bereits zum Stichtag vorlag (vgl. auch Hüneke/Tettenborn, Praxisfall zum Ansatz von Restrukturierungsrückstellungen, BC 2021, 273 ff., Heft 6 – mit einer vergleichenden Gegenüberstellung zu den IFRS). Neben anderen Abweichungen fordern die IFRS als Ansatzvoraussetzung einen detaillierten formalen Restrukturierungsplan, welcher u.a. die betroffenen Geschäftsbereiche und Standorte sowie die Anzahl der Mitarbeitenden mit Abfindungsansprüchen umfasst. Rückstellungsfähig sind aber nur die direkt im Zusammenhang mit der Restrukturierung stehenden notwendigen Ausgaben, nicht jedoch die Kosten der laufenden oder künftigen Geschäftstätigkeit oder künftige Verluste (mit der Ausnahme von Drohverlustrückstellungen).

 

 

Praxishinweise:

  • Mit den Rödl-Experten ist noch darauf hinzuweisen, wie mit der in 2024 zu erwartenden Vielzahl von neuen Gesetzgebungsbestimmungen im Zusammenhang mit ESG-Themen umzugehen ist: Nach HGB ist eine Rückstellung aufgrund einer geplanten Gesetzgebung vor Verabschiedung des Gesetzes nicht gestattet und nach IFRS an die strenge Voraussetzung geknüpft, dass die Verabschiedung des Gesetzes so gut wie sicher ist. Da dies (siehe aktuell das sich hinziehende Verfahren im Wachstumschancengesetz) in vielen Fällen jedoch nicht verlässlich vorherzusagen sein wird, muss de facto auch nach IFRS eine Rückstellungsbildung vor Verabschiedung des Gesetzes als nicht zulässig betrachtet werden.
  • Insgesamt gesehen müssen sich Unternehmen aufgrund der zunehmenden Bedeutung von ESG-Themen nicht nur im Rahmen der nicht-finanziellen Berichterstattung, sondern auch im Rahmen der „klassischen“ Bilanzierung mit deren Auswir­kun­gen auseinandersetzen. Vorstehend wurde skizziert, dass sich ESG-bezogene Fragestellungen auf vielfältige Art und Weise für unterschiedliche Bilanzposten ergeben können. Die auf den Mittelstand fokussierten Rödl-Experten empfehlen daher zu Recht, dass sich die Mittelständler frühzeitig sowohl mit den ökonomischen als auch mit den bilanziellen Auswirkungen (Implikationen) der dynamischen Entwicklungen rund um den Bereich „ESG“ auseinandersetzen sollten.
  • Im selben Newsletter vom 6.12.2023 ist als gesonderter Beitrag auch eine Übersicht der aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung enthalten. Mit neuen Verordnungen, Richtlinien und delegierten Rechtsakten soll die ESG-Berichterstattung sukzessive auf Augenhöhe mit der Finanzberichterstattung rücken. Für Unternehmen im Anwenderkreis halten die neuen Berichtspflichten – wie im BC-Newsletter bereits mehrfach betont – durchaus Chancen bereit, erfordern allerdings zunächst einen nicht zu unterschätzenden Umsetzungsaufwand.

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 1/2024

BC20240110

 

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