Praxis-Info!
Problemstellung
Eine wichtige Kennzahl ist der Liquiditätsgrad. Auf der ersten Stufe werden dabei die flüssigen Mittel – also Kasse und Bank – den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Dabei wird unterstellt, dass das Unternehmen jederzeit auf diese Mittel zur Bedienung von kurzfristigen Verbindlichkeiten zurückgreifen kann.
Die US-amerikanische Silicon Valley Bank (SVB) war vor allem auf Geschäfte mit Technologie-Startups spezialisiert und bot Geschäftskonten sowie Kredite an. Wie jedes Kreditinstitut hatte die SVB dabei eine Fristentransformation zu leisten: Kurzfristige Einlagen mussten langfristig angelegt werden. Ein wesentlicher Teil dieser Anlagen bestand in US-Staatsanleihen. Diese Anleihen haben ein bestimmtes Enddatum und werden börsentäglich gehandelt. Werden Anleihen bis zur Endfälligkeit gehalten, so wird der volle Anleihebetrag zurückgezahlt. Das Risiko ist hierbei eigentlich gering. Eigentlich (!) – denn durch einen „Bankrun“, also einen plötzlichen massiven Abfluss von Kundeneinlagen, war die Bank gezwungen, Anleihen vorzeitig zu verkaufen. Aufgrund des Zinsanstiegs der letzten Monate lag der Börsenwert dieser Anleihen jedoch deutlich unter den Anschaffungskosten, sodass die Bank durch die Liquidierung der Anleihen massive Verluste realisiert hat, welche zur Schließung des Instituts geführt haben.
Nach der Einstellung des Geschäftsverkehrs konnten die Kunden nicht mehr auf ihre Geschäftskonten zugreifen. Laut dem Forbes Magazin mussten Kunden der SVB daher kurzfristige Kredite von insgesamt über 1 Mrd. US-Dollar beschaffen, um allein die Lohn- und Gehaltszahlungen im März 2023 sicherzustellen.
Lösung
Der Liquiditätsgrad unterstellt, dass jederzeit vollumfänglich auf die liquiden Mittel zurückgegriffen werden kann. Im Falle einer Bankinsolvenz, eines Zahlungssystemausfalls (z.B. aufgrund eines Hackerangriffs) oder einer sonstigen Beschränkung (z.B. bezüglich der maximalen Höhe eines täglichen Geldabflusses) verliert die Kennzahl ihre Aussagekraft. Hier kommt das interne Risikomanagement zum Einsatz. Das Finanz- und Rechnungswesen muss diese Konzentrationsrisiken frühzeitig erkennen und Vermeidungsstrategien entwickeln. Eine solche Strategie könnte z.B. das Vorhalten von Kreditlinien bei einem zweiten Finanzinstitut sein.
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Business Audit Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 4/2023
BC2023412