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Verschärfte Finanzierungsbedingungen aufgrund Epochenwandel in der Kreditrisikobewertung

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Neue Anforderungen aufgrund neuer Regulatorik

 

In diesem Jahr stehen Finanzinstitute aufgrund umzusetzender regulatorischer Vorgaben vor einem bedeutenden Wandel in der Bewertung von Kreditrisiken; die Rede ist sogar von einem Epochenwandel in der Kreditrisikobewertung. Mittelständische Unternehmer müssen sich darauf einstellen, dass ihre Hausbanken und sonstigen Kapitalgeber dies natürlich an ihre Firmenkunden weitergeben. Im Fokus stehen hierbei bankenseitig die Steigerung der Datenqualität und die Stärkung der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit auch gegenüber unerwarteten Risiken, mittels Digitalisierung von Geschäftsprozessen.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit nahenden Fristen seitens der Aufsichtsbehörden und Künstlicher Intelligenz (KI) als treibender Kraft steht ein Jahr der Transformation für Finanzinstitute an. Experten erwarten, dass in einem zunehmend regulierten Marktumfeld vor allem die Anbieter erfolgreich sein werden, die ihre Daten intelligent nutzen und die Balance zwischen Datenschutz und Kundenerlebnis meistern. Als Finanzmanager tätige Bilanzbuchhalter und Controller werden sich darauf einstellen müssen. Denn wenn die Qualität der Daten im Kreditrisikomarkt der Zukunft zum Königsmacher avancieren und den Weg zu neuen Marktchancen eröffnen“ wird, so die Prognose von Jochen Werne, CEO von Experian DACH (mehr dazu in den Praxishinweisen), dann wird das nicht ohne steigende Anforderungen an den Informationsinput im Rahmen von Kreditanträgen bleiben. Deshalb ist dieser „Epochenwandel“ allenfalls anfänglich intern auf die Finanzbranche begrenzt, strahlt dann aber in das Gesamtgeschehen der Kreditvergabe aus.

 

 

Hintergrund: Neue Standards in der Kreditrisikobewertung

Finanzdienstleister sind bereits seit 2021 gefordert, die Aufsichtsprioritäten der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) umzusetzen. Zu diesen Prioritäten gehören die umfassende Verbesserung der Praktiken im Kreditrisikomanagement und die Integration neuer Risikofaktoren (insbesondere im Bereich Klima und Umwelt) in ihre Risikomanagementstrategien. Parallel dazu steigen die Anforderungen an das Datenmanagement im Kontext der Kreditwürdigkeitsprüfung. Künstliche Intelligenz (KI bzw. AI) wird dabei eine Schlüsselrolle spielen, und Banken werden sich auf den neuen EU AI Act einstellen müssen.

Große Banken werden zum Stichtag 30.6.2024 ihre Systeme und Infrastrukturen gemäß den EBA Loan Origination and Monitoring Guidelines (EBA-GL LOM – Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung) für ihr Kreditrisikomanagement (einschließlich Überwachung) angepasst haben müssen. Dies beinhaltet auch das Schließen von Datenlücken. Die Experian-Experten weisen aber darauf hin, dass auch die kleineren, national überwachten Finanzinstitute sich diesen neuen Richtlinien schon jetzt stellen müssen, da seit dem 1.1.2024 zusätzliche Elemente der 7. MaRisk-Novelle in Kraft getreten sind (Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk), die sich u.a. an den EBA-Richtlinien orientiert haben. Folglich werden die Finanzorganisationen insgesamt in 2024 ihre bestehenden Praktiken überprüfen und ihre Standards in der Kreditrisikobewertung entsprechend anpassen müssen.

 

 

Fokus Datenqualität

Was bedeutet das für die Kreditnachfrage seitens der Unternehmen, wenn insoweit die Steigerung der Datenqualität mittels fortschrittlicher Datenanalytik als sog. „Gamechanger“ ausgerufen wird?

  • Da eine hohe Datenqualität bereits in der Antragsphase für Finanzinstitute eine effizientere Beurteilung der Kreditwürdigkeit ermöglicht, werden Anforderungen an Kreditanträge entsprechend ausgeweitet werden.
  • Ist der Kredit bewilligt, sollen im Portfolio-Management der Banken fortgeschrittene Datenanalysen helfen, Risiken proaktiv zu steuern und das Kreditportfolio dynamisch zu verwalten. Hier ist also während der Kreditlaufzeiten mit Anfragen bzw. Eingriffen bei zukünftig eher erkennbaren Auffälligkeiten zu rechnen.
  • Mit einer folglich frühzeitigeren Risikoerkennung werden Optimierungen im Mahnungs- und Inkassoprozess an die Unternehmen weitergereicht werden.

 

 

Einbindung von ESG-Anforderungen

Nach der Einschätzung des Experian-CEO Jochen Werne wird in 2024 aufseiten der Kapitalgeber die Stärkung der Geschäftsresilienz durch Automatisierung und Digitalisierung entscheidend sein, um auf neue Risiken wie KI, Cyber-Bedrohungen und geopolitische Spannungen zu reagieren. Diese Herausforderungen betreffen nicht nur die Zielkundenlandschaft (z.B. die KMU), sondern sind auch im Kontext neuer ESG-Anforderungen (Environmental/Umwelt, Social/Soziales, Governance/verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung, vgl. z.B. den Beitrag des Verfassers über ESG-Anforderungen an Finance-Fachkräfte) von großer Bedeutung. Aufgrund der Komplexität und des innovativen Charakters dieser ESG-Anforderungen werden herkömmliche, auf historischen Daten basierende Ansätze diese Risiken nicht bewältigen können: Klassische Ansätze der Datenanalyse und Modell-Erhaltung haben zunehmend mit langsamen aufsichtsbezogenen Prozessen auf der einen Seite sowie einem dynamischeren makroökonomischen Umfeld und wachsenden Cyber-Risiken auf der anderen Seite zu tun. Um diese Wettbewerbssituation zu bewältigen, sind demnach bankenseitig zwingend neue Strategien in der Nutzung aller relevanten Daten erforderlich, die fortschrittliche Analytik und die Verbesserung der Datenqualität in den Mittelpunkt stellen. Umgemünzt auf die Seite der Unternehmen ergibt sich daraus die Notwendigkeit, entsprechende ESG-Informationen bereitzustellen.

 

 

KI-basiertes Risikomanagement zwecks Aufdeckung von Kredit- und Betrugsrisiken

KI und Maschinelles Lernen (ML) werden künftig in Finanzinstituten Entscheidungsprozesse weiter automatisieren. Laut einer von Experian in Auftrag gegebenen Studie von Forrester Consulting sehen dies aktuell bereits 60% der deutschen Finanzunternehmen ähnlich und haben ein umfassendes KI-basiertes Risikomanagement-Programm im Einsatz. Durch den Einsatz dieser Technologien lassen sich Kredit- und Betrugsrisiken auch in unsicheren Wirtschaftszeiten präziser und effizienter bewerten. Institute, die diese Entwicklungen umsetzen, positionieren sich als Vorreiter in einem sich rasch entwickelnden, technologiegetriebenen Finanzsektor: So geben auch 78% der in der Studie befragten Unternehmen in Deutschland an, den Einsatz weiterer Anwendungen von KI und ML zu priorisieren.

 

 

Praxishinweise:

  • Zur zitierten Studie siehe unter https://experianacademy.com/forrester-research-report-2023/). Experian ist ein weltweit agierender Spezialist für Data Insights (22.000 Experten in 32 Ländern, siehe unter www.experian.de. Privatpersonen hilft Experian, besseren Zugang zu Finanzdienstleistungen wie Darlehen, Versicherungen, Mobilfunkverträgen oder Online-Shopping zu erlangen. Unternehmen aller Größen und Branchen werden dabei unterstützt, smartere Entscheidungen zu treffen, verantwortungsbewusster Kredite zu vergeben und sich sowie ihre Kunden vor Identitätsbetrug und Kriminalität zu schützen.
  • Insgesamt gesehen ist in das Finanz- und Risikomanagement einbezogenen Bilanzbuchhaltern und Controllern zu empfehlen, die vorstehend skizzierten Entwicklungen im Auge zu behalten, damit man nicht von neuen Anforderungen bei der Kreditbeantragung bzw. -überwachung überrascht wird. Die Rolle des Finanzcontrolling bekommt hierdurch noch einmal mehr Gewicht. Ein weiteres Mal zeigt sich wie schon in einem kürzlich unter Reputationsaspekten verfassten Beitrag (siehe BC-Newsletter vom 8.2.2024), dass die Orientierung an ESG-Verpflichtungen und das Monitoring der ESG-Risiken zum Pflichtprogramm gehören sollte.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 3/2024

BC20240314

 

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