CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

Zunehmende Insolvenzen und noch weit stärker steigende Forderungsausfälle

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Creditreform-Studienergebnisse zum Gesamtjahr 2023

 

Nach Creditreform-Angaben vom 4.12.2023 haben im Gesamtjahr 2023 18.100 Unternehmen Insolvenz anmelden müssen. Der historische Anstieg von mehr als 23% im Vergleich zum Vorjahr markiert damit endgültig das Ende des paradoxen Insolvenzgeschehens der Corona-Jahre. Die multiplen Krisen schlagen auf Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen durch. Auch der Verband der Kreditversicherer warnt vor massiv erhöhten Insolvenzschäden.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Analysen der Creditreform-Wirtschaftsforschung belegen eine massiv gestiegene Zahl an Insolvenzen von mittleren und großen Unternehmen. Bei Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern lagen die Fallzahlen um 50% über dem Vorjahreswert. So gab es im Jahr 2023 zahlreiche prominente Insolvenzen im Handel (u.a. Peek & Cloppenburg sowie Real GmbH). Bei Unternehmen mittlerer Größe mit 51 bis 250 Beschäftigten stiegen die Insolvenzen sogar um rund 76%, bei kleinen Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten um knapp 19%. 2023 waren zudem mehr Arbeitnehmer von der Insolvenz betroffen: Schätzungsweise sind 205.000 Arbeitsplätze bedroht bzw. weggefallen (2022: 175.000). Insbesondere wenn sich der Anstieg bei Großinsolvenzen und im Mittelstand in 2024 fortsetzt (wovon z.B. der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ausgeht), sind kaufmännische Führungsebenen gefordert – z.B. im Forderungsmanagement hinsichtlich zunehmender Ausfallraten.

Symptomatisch für die zunehmende Problemschärfe ist auch die GDV-Feststellung, dass in einem von Wachstumsschwäche, hoher Inflation und schwer kalkulierbaren Energiepreisen geprägten Umfeld die deutschen Kreditversicherer für 2023 einen massiven Anstieg der Zahlungsausfälle bei Unternehmen verzeichnen. „Wir sehen in diesem Jahr deutlich mehr und deutlich höhere Schäden durch Insolvenzen und Zahlungsverzögerungen als im Vorjahr“, sagt der Vorsitzende der GDV-Kommission Kreditversicherung, Thomas Langen. „Aktuell gehen wir für das Gesamtjahr 2023 von Leistungen der Kreditversicherer von über 1,2 Mrd. € aus.“ Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg um rund 44%, nachdem schon 2022 die Zahlungsfälle um rund 50% gestiegen waren. 

 

 

Lösung

Da entsprechende Problemstellungen nicht jedes Unternehmen in gleicher Weise betreffen, empfiehlt sich zunächst eine sorgfältige Analyse der Branchen- und Rechtsformunterschiede. So wurde seitens der Creditreform-Experten festgestellt, dass das Insolvenzgeschehen aktuell von der Rechtsform GmbH getrieben wird: Der Anteil der GmbHs am gesamten Insolvenzgeschehen stieg gegenüber dem Vorjahr von 39,0% auf 42,4%. Dieser Trend passt zum erheblichen Anstieg der Insolvenzen im mittleren Größensegment. Etwas niedriger als im Vorjahr war der Anteil der Unternehmergesellschaft – UG (haftungsbeschränkt): 10,7% aller Insolvenzfälle firmierten als Unternehmergesellschaft. Branchenseitig wurde durch die Creditreform in allen Hauptwirtschaftsbereichen ein signifikanter Anstieg der Insolvenzzahlen ermittelt: Im verarbeitenden Gewerbe stiegen die Fallzahlen am stärksten an (plus 30,2%) – es folgt der Handel (plus 26,0%). Im Baugewerbe war ein Anstieg um 20,8% zu verzeichnen. Der Zuwachs im Dienstleistungsgewerbe im Vergleich zum Vorjahr betrug plus 22,3%.

Durch den Abgleich dieser Creditreform-Zahlen mit den eigenen Kundensegmenten lassen sich unternehmensspezifische Gefährdungen aufzeigen, etwa dann, wenn z.B. ein großer Anteil des Geschäfts auf Beziehungen zu Unternehmen aus dem Baugewerbe beruht. Infolge hoher Zinsen, steigender Baukosten und des Nachfrageeinbruchs steht insbesondere die Bauwirtschaft in Deutschland vor schwierigen Zeiten. Das vormals krisensichere Betongold kann schnell zusammenschmelzen. Da vor dem Hintergrund der zuvor problemlos zu vermarktenden Immobilien eine gänzlich neue Situation eingetreten ist, lohnt hier ein vertiefender Blick.

Besonders betroffen waren im Jahr 2023 Sektoren wie beispielsweise die Erschließung von Grundstücken, Bauträger, Straßenbau und Tiefbau. Auch das Scheitern von Milliardenobjekten (Stichwort: Benko-Insolvenz) in renommierten Lagen würde gemäß Creditreform-Analysen gewaltige Folgen für Mitarbeiter, Auftragnehmer und Gläubiger haben. Noch sei nicht abzusehen, welche Investoren aktiv werden könnten. Aus Sicht von Kreditgebern und Lieferanten war bereits in den letzten Monaten eine Verschlechterung der Zahlungsmoral im Baugewerbe zu beobachten. Debitoren zahlten ihre Rechnungen zunehmend mit Verzug. Die Überfälligkeitszeit der Rechnungen erhöhte sich im 1. Halbjahr 2023 von 15,10 auf 15,49 Tage. Die Kreditgeber der Bauwirtschaft mussten folglich länger auf ihr Geld warten.

Zudem ist auch das Baugewerbe selbst mit schlechteren Finanzierungsbedingungen konfrontiert. Bauunternehmen beklagen zunehmend eine Verschlechterung des Zahlungsverhaltens ihrer Kunden; die Forderungsverluste haben zugenommen. Creditreform-Sprecher Hantzsch fasst zusammen: „Der Druck auf die Liquiditätslage der Bauunternehmen steigt unter den aktuellen Bedingungen immer mehr. Die Insolvenzzahlen im Sektor reagierten bereits. Weiter zunehmende Belastungen für das Baugewerbe dürften diesen Trend noch verstärken.“

Die Kreditversicherer zählten 2023 laut GDV-Angaben vom 20.12.2023 in der Baubranche sogar die meisten Insolvenzen, gefolgt vom Dienstleistungssektor und dem Handel. Betroffen war demnach aber auch der bislang eher unauffällige Gesundheitssektor: Mehr als 30 Krankenhäuser meldeten nach Zahlen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den vergangenen zwölf Monaten Insolvenz an. Die Ursachen sind auch hier steigende Energie-, Personal- und Materialkosten, bei gleichzeitig sinkender Auslastungsquote.

 

 

Praxishinweise:

  • In diesem Zusammenhang kritisierte der GDV-Sprecher Langen die von der EU geplante Zahlungsverzugsverordnung. Der entsprechende Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen Rechnungen künftig spätestens nach 30 Tagen begleichen müssen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das durchschnittliche Zahlungsziel bei 32 Tagen, in anderen EU-Ländern zum Teil erheblich darüber. Wer die Frist überschreitet, soll künftig automatisch hohe Strafzinsen zahlen. Viele Unternehmen stelle das vor erhebliche Liquiditätsprobleme und steigere das Insolvenzrisiko. Die Versicherer setzen sich deshalb für eine Beibehaltung der geltenden Zahlungsverzugs-Richtlinie ein, die flexible und interessengerechte nationale Regelungen ermöglicht. Ansonsten drohten noch mehr Insolvenzen und Arbeitsplatzverluste (mehr dazu unter https://www.gdv.de/gdv/medien/medieninformationen/zahlungsausfaelle-und-insolvenzen-steigen-kreditversicherer-spueren-wachstumsschwaeche-deutschlands--160550).
  • Für in der Existenzgründung engagierte Selbstständige aus den Bereichen Bilanzierung und Controlling bereitet noch eine andere Entwicklung Sorgen: Die Gründungen nehmen ab. So wurde seitens Creditreform am 20.12.2023 die Tatsache vermeldet, dass zum ersten Mal seit dem Vorkrisenjahr 2019 wieder die Anzahl der Unternehmensschließungen die der Gründungen übersteigt. Damit ist der Unternehmensbestand kleiner geworden – die Sterberate von Unternehmen lag 2022 bei rund 154.000 Fällen, die Zahl der Neugründungen bei 148.000 Einheiten. Insgesamt sind aktuell noch rund 3.047.000 Unternehmen in Deutschland tätig. Mit Blick auf das aktuelle Gründungs- und Schließungsgeschehen wird geschlussfolgert (siehe Meldung vom 20.12.2023 unter www.creditreform.de), dass es in Deutschlands Wirtschaft an Dynamik fehle.
  • Die vielfach zu lesenden Warnungen vor zunehmenden Insolvenzen bilden zudem nur einen relativ geringen Teil der Unternehmensschließungen insgesamt ab. Denn neben den Insolvenzen sind Geschäftsaufgaben im Zusammenhang mit Abmeldungen (etwa der Löschung im Handelsregister) und vor allem die bloße Einstellung der wirtschaftlichen Aktivität zu berücksichtigen, wenn Forderungsausfälle analysiert werden. Creditreform geht deshalb im Zuge der Recherche für Bonitätsauskünfte auch kleineren Unternehmen oder Freiberuflern nach. Ein Unternehmen gilt dann als nicht mehr wirtschaftsaktiv, wenn in einem Zeitraum von drei Jahren kein Geschäftsverkehr mehr stattgefunden hat.
  • Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass gerade Mikrobetriebe durchaus – und dies gerade in der aktuellen Krise – ihre Aktivitäten nur zeitweilig aufgeben und sie später wieder aufnehmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im längeren Zeitraum von 2009 bis 2023 die Schließungen durch eine Insolvenzanmeldung stärker gesunken sind als die mehr oder weniger freiwilligen Aufgaben der unternehmerischen Tätigkeit. Zwischen 2017 und 2022 betrug der Anteil der Insolvenzen an den Schließungen noch 13%, über den längerfristigen Abschnitt von 2009 bis 2023 rund 20%.
  • Ob allerdings tatsächlich die vielen coronabedingten Schließungen von Gaststätten etc. in den kommenden Jahren durch Wiederaufnahmen kompensiert werden können, darf bezweifelt werden. Zu hoffen ist jedenfalls für 2024, dass auf diesem oder anderen Wegen die Wirtschaftsdynamik insgesamt wiederbelebt werden kann.

   

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 1/2024

BC20240123

 

Rubriken

Menü

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

Menü