Zocken erlaubt – Interims-Neuregelung für Sportwettenmarkt soll kommen

Wer in Deutschland im Internet bei einem privaten Sportwettenanbieter auf den Sieg seines Fußball-Clubs setzt, bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone. Hintergrund sind eine komplizierte Gemengelage und ein langer Streit der Länder um eine Reform des Glücksspielstaatsvertrags. Der Schwebezustand soll sich nun ändern. Die Länder einigten sich auf eine Neuregelung des Sportwettenmarktes – zeitlich befristet. Eine umfassende Reform der Glücksspiel-Regulierung aber lässt weiter auf sich warten.

Wie ist die Rechtslage bei Sportwetten?

Sportwetten von privaten Anbietern im Internet werden momentan nur geduldet, wie der Glücksspielforscher Tilmann Becker von der Universität Hohenheim erläutert. "Das heißt, sie sind eigentlich illegal und haben keine Lizenz." Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sagt: "Den meisten Kunden in Deutschland ist gar nicht bekannt, dass die bisherigen Sportwetten-Angebote hierzulande in einer Grauzone und formell illegal stattfinden." Spieler könnten aber bisher in einem unregulierten Markt nicht effektiv geschützt werden, den Ländern entgingen zudem erhebliche Einnahmen.

Neuregelung scheiterte an "juristischer Blockadesituation"

Das bisherige Sportwettkonzessionsverfahren ist laut Beuth aufgrund einer juristischen Blockadesituation gescheitert. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag von 2012 sollten eigentlich Lizenzen für Sportwettenanbieter vergeben werden. Dies ist aber nicht erfolgt, weil Gerichte Mängel in dem Verfahren erkannt haben, wie Becker sagt. "Der Europäische Gerichtshof hat dann gesagt: Ihr könnt nicht die Sportwettenanbieter dafür bestrafen, dass sie keine Lizenz gekriegt haben, nur weil ihr ein Verfahren aufgesetzt habt, das mangelhaft ist." Klar ist die Rechtslage bei Online-Casinos: Spiele wie Online-Poker und -Roulette sind verboten - wer online zockt, verstößt gegen geltendes Recht.

Was planen die Länder nun?

Zur Entschärfung ist nun eine Übergangslösung geplant, der Markt soll geöffnet werden. Eine sogenannte Experimentierklausel im Glücksspiel-Staatsvertrag von 2012 zur Zulassung privater Anbieter von Sportwetten war bis Sommer dieses Jahres befristet - sie soll nun verlängert werden bis zum Auslaufen des Vertrags am 30.06.2021. Sonst wären laut Beuth die bisherigen "formell illegalen" Sportwetten privater Anbieter komplett illegal geworden. Außerdem soll die bisher geltende Begrenzung der Sportwettkonzessionen auf 20 aufgehoben werden. "Künftig wird gelten: Wer sich an die Regeln hält, darf auch Sportwetten anbieten", sagte Beuth. Die Neuregelung soll Anfang 2020 in Kraft treten, Lizenzen sollen für eineinhalb Jahre gelten.

Verbot von Live-Wetten und Einsatzlimit von 1.000 Euro bleiben bestehen

Hessen ist zuständig für die Konzessionsvergabe. "Wir werden beim Regierungspräsidium Darmstadt schnell die Voraussetzungen schaffen, damit Erlaubnisse für die Anbieter auch ausgestellt werden können", sagt Beuth. Das Verbot von Live-Wetten bleibe aber ebenso bestehen wie das Einsatzlimit von 1.000 Euro pro Anbieter. Anbieter müssen Auflagen für den Jugendschutz erfüllen und dürfen keine Online-Casinos anbieten oder auf sie verlinken.

Was ist strittig zwischen den Ländern?

Eine große Reform des Glücksspielstaatsvertrags, der im Sommer 2021 ausläuft, ist weiter strittig. Es gibt immer noch keine gemeinsame Linie beim Umgang mit Online-Casinospielen und -Poker. Diese Glücksspielangebote gehören zum sogenannten nicht-regulierten Markt. Sie verfügen nicht über eine deutsche Glücksspielkonzession, sondern über eine Konzession aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat. Die Angebote aber boomen, während staatliche Lotterien Erträge verlieren.

Lösung durch Glücksspiel-Aufsichtsbehörde?

Wie aber können Spieler im Internet vor Suchtgefahren geschützt werden? Unter den Ländern ist strittig, ob Online-Glücksspiele künftig reguliert werden sollen und wie es dann mit dem staatlichen Wettmonopol weitergeht. Eine neue bundesweite Glücksspiel-Aufsichtsbehörde könnte Lizenzen vergeben, kontrollieren und Sorge dafür tragen, dass Regeln eingehalten werden. Dass es diese Institution bisher nicht gebe, führe zum "gegenwärtigen Staatsversagen im Glückspielbereich", sagt Forscher Becker.

Schleswig-Holstein schert aus

Einen Sonderweg beschreitet seit langem Schleswig-Holstein. Das Land war 2011 aus dem Glücksspielstaatsvertrag ausgeschert und hatte den milliardenschweren Markt für Online-Spiele wie Poker damals reguliert. Nach einem Regierungswechsel stoppte die ehemalige SPD-geführte Landesregierung den Alleingang 2013 und trat dem Glücksspielstaatsvertrag wieder bei. Die zuvor bereits erlassenen 23 Lizenzen für Anbieter von Sportwetten, aber auch Casino-Spiele und -Poker sind seit Anfang des Jahres alle ausgelaufen. Nun plant die Jamaika-Koalition aus CDU, Grünen und FDP in Schleswig-Holstein mit Duldung der anderen Länder einen neuen Sonderweg. Per Gesetz will das Land die 23 einst vergebenen Lizenzen an Anbieter von Online-Casinospielen und -Poker befristet bis Mitte 2021 reaktivieren.

Spezieller "Safe Server" erforderlich

Eine neue Prüfung der Anbieter erfolgt zwar nicht. Diese müssen aber mit einem speziellen "Safe Server" sicherstellen, dass nur Spieler aus Schleswig-Holstein legal auf entsprechenden Seiten Roulette und Poker spielen. Dann dürfen sie erneut mit dem Landeswappen werben. "Wir glauben, dass wir mit unserem Regulierungsansatz und unter Nutzung des Safe-Servers den Spieler- und Jugendschutz bestmöglich sicherstellen und Begleitkriminalität verhindern können", sagt Staatskanzlei-Chef Dirk Schrödter.

Regulierung des Bereichs Casinospiele und Poker noch unklar

Sollten sich die Länder bei der grundlegenden Neufassung des Glücksspielstaatsvertrags nicht auf eine Regulierung des Bereichs Casinospiele und Poker verständigen, wollen Schleswig-Holstein und auch Hessen ausscheren. Er setze sich für die Gestattung und Regulierung von Online-Casinospielen ein, sagt Hessens Innenminister Beuth. "Sollte es keine Einigung über eine kohärente und europarechtskonforme Regulierung des Online-Casino-Marktes geben, wird Hessen ab 2021 eine eigene landesgesetzliche Regelung schaffen."

Redaktion beck-aktuell, André Klohn und Andreas Hoenig, 22. März 2019 (dpa).