Zippo: Generalanwältin stärkt EU-Position im Zollstreit mit den USA
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Der EuGH muss sich mit Zoll-Streitigkeiten zwischen EU und USA aus Trumps erster Amtszeit auseinandersetzen, die seit seinem erneuten Amtsantritt wieder aufgeflammt sind. Die Generalanwältin ist auf Seiten der EU – Anlass für Patricia Trapp, das Verfahren im aktuellen handelspolitischen Kontext zu verorten.

Ausgangspunkt des Verfahrens sind die Handelsstreitigkeiten zwischen der EU und den USA während der ersten Amtszeit von Donald Trump: Im Jahr 2018 führten die USA Zusatzzölle für die Einfuhr von Stahl- und Aluminiumprodukten aus der EU ein. Die Europäische Kommission sah hierin nach dem Recht der Welthandelsorganisation (WTO) unzulässige Schutzmaßnahmen und reagierte mit der Erhebung zusätzlicher Zölle auf bestimmte in den USA hergestellten Waren, darunter so ikonische Produkte wie Harley Davidsons oder Bourbon Whiskey. Im Jahr 2020 folgten weitere Zölle der EU, dieses Mal u.a. auch auf bestimmte Feuerzeuge (DVO (EU) 2020/502).

Hiervon waren auch die Sturmfeuerzeuge des amerikanischen Herstellers Zippo betroffen.  Vor dem EuG beantragte Zippo die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung, auf deren Grundlage die Kommission die Zusatzzölle für Feuerzeuge erhoben hatte – und bekam Recht (Rs. T-402/20). Nun muss der EuGH entscheiden, denn die Kommission hat Rechtsmittel eingelegt (C-811/23 P). Am heutigen Donnerstag hat Generalanwältin Capeta ihre Schlussanträge vorgestellt – und sie widerspricht der Rechtsauffassung des EuG.

EuG bejahte Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör

Im Rahmen von Nichtigkeitsklagen gegen handelspolitische Schutzmaßnahmen stellt regelmäßig die Zulässigkeit, konkret die Frage der Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV, die erste größere Hürde für Kläger dar. Diese ist nach der in der Praxis relevantesten Variante nur dann anzunehmen, wenn die Maßnahmen den Kläger "individuell und unmittelbar" betreffen, wobei hier ein strenger Maßstab gilt.

Dennoch bejahte das EuG bei Zippo die individuelle Betroffenheit: Relevant war hier insbesondere, dass nahezu alle Einfuhren der Feuerzeuge, die unter die Zölle fielen, auf Zippo – welches sich selbst als den einzigen amerikanischen Hersteller von Sturmfeuerzeugen bezeichnet – entfielen. Dies war der Kommission im Zeitpunkt des Erlasses der Durchführungsverordnung auch bewusst.

Das EuG erklärte die Klage von Zippo zudem für begründet. Die Kommission habe gegen das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 41 Abs. 2 lit. a) der Charta der Grundrechte verstoßen, indem sie Zippo nicht anhörte, bevor sie die Zölle erließ. Eine Wahrung des Rechts auf rechtliches Gehör sei auch nicht dadurch erfolgt, dass die Kommission während des Verfahrens Stellungnahmen zu den wirtschaftlichen Interessen der Union eingeholt habe. Denn die Interessen der Wirtschaftsteilnehmer der EU stimmen nicht mit den Interessen der von den Zöllen betroffenen Unternehmen aus Drittstaaten überein. Entsprechend erklärte das EuG die Durchführungsverordnung im Hinblick auf die auf Feuerzeuge verhängten Zusatzzölle für nichtig.

Schlussanträge: individuelle Betroffenheit unerheblich

In ihren Schlussanträgen folgte Generalanwältin Capeta der Rechtsauffassung des Gerichts nicht: Das Recht auf rechtliches Gehör sei nur anwendbar, wenn die Verwaltung eine individuelle Maßnahme in Bezug auf eine Person treffe. Daher gelte dieses Recht nicht im Rahmen eines Verfahrens, in dem ein Rechtsakt mit allgemeiner Geltung erlassen werde. Der Umstand, dass eine Person – hier Zippo – von diesem Rechtsakt individuell betroffen ist, sei insoweit unerheblich.

Im Unterschied zum EuG geht die Generalanwältin zudem davon aus, dass die Kommission das Recht auf rechtliches Gehör jedenfalls dadurch gewahrt habe, dass das durch die Kommission durchgeführte Verfahren zur Einholung von Informationen offen und transparent gewesen sei – auch, wenn sich Zippo hierin nicht geäußert habe.

Neue Amtszeit – neue Streitigkeiten

Unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits treten hierbei einige grundlegende Aspekte zutage, die auch für den gegenwärtigen Handelskonflikt von Bedeutung sind. So ist zu bemerken, dass die Zusatzzölle der EU auf Grundlage der sog. Handelsvergeltungs-Verordnung (VO (EU) Nr. 654/2014) erhoben wurden. Diese findet u.a. dann Anwendung, wenn ein Handelspartner der EU Schutzmaßnahmen gegen die EU-Industrie ergreift und die EU wiederum Ausgleichsmaßnahmen erlässt, um das Gleichgewicht in den Handelsbeziehungen wieder herzustellen.

Als Schutzmaßnahmen im Sinne des WTO-Rechts gelten dabei zeitlich befristete handelspolitische Maßnahmen, die ein WTO-Mitglied ergreifen darf, um eine heimische Industrie vor einem ernsthaften (drohenden) Schaden zu schützen, der durch einen unerwarteten Anstieg von Einfuhren verursacht wird. Der Erlass von Schutzmaßnahmen erfolgt also primär zum Schutz der eigenen Industrie.

Die USA beriefen sich aber bereits während der ersten Amtszeit Trumps darauf, dass die Zusatzzölle auf Stahl und Aluminium zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen erforderlich seien. Die EU ging demgegenüber davon aus, dass primär ökonomische Interessen dem Erlass der Maßnahmen zugrunde lagen, und stufte die durch die USA verhängten Zölle als Schutzmaßnahmen im Sinne des WTO-Rechts ein, wodurch diese wiederum in den Anwendungsbereich der Handelsvergeltungs-VO fielen. Dieses Argumentationsmuster wiederholt sich auch unter "Trump 2.0".  Erneut erklärt die US-Regierung, die Einfuhren von Stahl und Aluminium aus der EU bedrohen die nationale Sicherheit Amerikas. Die Kommission geht weiterhin davon aus, dass dieser Begründungsansatz "offensichtlich unbegründet" ist, und rechtfertigt so die Anwendbarkeit der Handelsvergeltungs-VO. Das macht das tiefe Misstrauen der Kommission gegenüber der handelspolitischen Linie der USA deutlich, wie auch den hohen Grad der Politisierung des Verfahrens.

Zollstreit bringt erhebliche Rechtsunsicherheit

Zu beachten ist überdies der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des EuG: Diese erfolgte im Oktober 2023. Bereits zu Beginn des Jahres 2022 hatte die EU die Zusatzzölle allerdings zunächst bis zum 31.12.2023 ausgesetzt, um mit den USA an einer Verhandlungslösung zu arbeiten. Die Verhandlungen hatten zunächst Erfolg und führten zu der Verlängerung der Aussetzung der Zusatzzölle.

In der Zwischenzeit hatte die neue US-Regierung aber bereits angekündigt, erneut Zölle in Höhe von 50 % auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus der EU sowie Zölle in Höhe von 25 % auf alle Einfuhren von Autos und Autoteilen zu erheben. Zudem führten die USA sog. "reziproke Zölle" in Höhe von zunächst 20 %, später 10 % auf Einfuhren sämtlicher anderer Waren aus der EU ein.

Als Reaktion hierauf ließ die Kommission zum einen die Aussetzung der Gegenmaßnahmen am 01. April auslaufen (um sie dann zuletzt wieder bis Mitte Juli zu verlängern). Zum anderen stellte sie ein Paket von Gegenmaßnahmen gegen US-Exporte vor – welche sofort wieder ausgesetzt wurden, um Raum für Verhandlungen mit der US-Regierung zu schaffen. Dies verdeutlicht die erhebliche (Rechts-)Unsicherheit für die betroffenen Unternehmen, die mit den nahezu täglichen neuen Nachrichten über neue Zölle oder deren Aussetzung einhergeht.

Zunächst mag der Mehrwert des Urteils des EuG im Oktober 2023 gering geschienen haben, da die EU die Zusatzzölle bereits Anfang 2022 ausgesetzt hatte. Aktuell befindet sich Zippo aber in einer deutlich komfortableren Situation als die Hersteller der anderen Produkte, die in der Durchführungsverordnung genannt wurden: Im Hinblick auf die anderen Hersteller gelten die Zusatzzölle weiter und würden entsprechend erhoben werden, sollten die Gegenmaßnahmen der EU wieder in Kraft treten. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass der EuGH der Rechtsauffassung des EuG nicht folgt. Dennoch ist die mittel- bzw. langfristige Rechts- und Planungssicherheit, die mit einer gerichtlichen Überprüfung von Handelsschutzmaßnahmen einhergeht, durch Unternehmen sicherlich bei der Abwägung zu berücksichtigen, ob Klage erhoben werden soll. 

EU schiebt Umgehungsversuchen einen Riegel vor

Einen Ausweg für die potenziell von den Zusatzzöllen der EU betroffenen US-Unternehmen scheint die Verlagerung der Produktion in andere, nicht durch die Zusatzzölle erfasste Länder zu bieten. So verlagerte etwa Harley Davidson Teile seiner Produktion nach Thailand (explizit um die Belastung durch Zusatzzölle zu "umgehen") und wollte sich durch die belgischen Zollbehörden bestätigen lassen, dass Thailand das Ursprungsland der Motorräder sei.

Die Kommission, bestätigt durch das EuG und den EuGH, schob dem aber einen Riegel vor: Da die Produktionsverlagerung hauptsächlich zur Umgehung von handelspolitischen Maßnahmen erfolgt war, konnte die Be- oder Verarbeitung in Thailand keinen thailändischen nichtpräferentiellen Ursprung begründen (Rs. C-297/23 P). Sofern Unternehmen Produktionsverlagerungen planen, sollten sie bei Rückfragen der Kommission bzw. der nationalen Zollbehörden hierzu betriebswirtschaftlich begründete Argumente vorbringen können, die nicht ausschließlich in einer Umgehung der Zusatzzölle bestehen.

Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA dauern weiter an, wobei die US-Regierung die Erhebung der Zölle zuletzt bis zum 9. Juli 2025 aussetzte. EU-seitig wird betont, dass man fest entschlossen sei, in den Verhandlungen mit den USA eine gemeinsame Lösung zu finden – man bereite sich aber gleichzeitig auf "alle Eventualitäten" vor.

Dr. Patricia Trapp ist Rechtsanwältin bei Clifford Chance in Düsseldorf. 

Dr. Patricia Trapp, 5. Juni 2025.

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