VGH München: 800-qm-Grenze für Ladenöffnungen gleichheitswidrig - Bayern reagiert

Die bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung verstößt in Bezug auf ihre Verkaufsflächenregelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil manche Betriebe ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Verkaufsräume geöffnet haben dürfen, ohne dass es eine sachliche Rechtfertigung hierfür gäbe. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof in München entschieden und damit dem Eilantrag einer Einzelhändlerin stattgegeben. Öffnen durfte diese ihre Geschäfte aber vorerst dennoch nicht. Der VGH hatte nämlich ausnahmsweise davon abgesehen, die gleichheitswidrigen Bestimmungen außer Vollzug zu setzen. Doch noch am gleichen Tag reagierte die bayerische Regierung mit Anpassungen. Gegen den Beschluss vom 27.04.2020 (Az.: 20 NE 20.793) gibt es keine Rechtsmittel.

Für Baumärkte und Buchhandlungen gilt Verkaufsflächengrenze nicht

Die vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erlassene Verordnung untersagt in § 2 Abs. 4 und 5 landesweit den Betrieb von Einzelhandelsgeschäften. Bereits in der Vergangenheit unter der Geltung der 1.BayIfSMV waren einzelne Betriebe von dem Verbot freigestellt. Mit Wirkung vom 20.04.2020 wurden weitere Betriebe wie zum Beispiel Baumärkte und mit Wirkung vom 27.04.2020 zusätzliche Betriebe wie zum Beispiel Buchhandlungen ohne Rücksicht auf die Größe der Verkaufsräume geöffnet. Gleichzeitig wurden sonstige Einzelbetriebe freigegeben, soweit deren Verkaufsräume eine Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern nicht überschreiten.

Einzelhändlerin wendet sich gegen Betriebsuntersagung

Die Antragstellerin ist im Einzelhandel tätig und betreibt seit 2011 in den Bundesländern Bayern, Berlin und Hamburg Warenhäuser im Premiumsegment, die teilweise die Grenze von 800 Quadratmetern überschreiten. Sie wendet sich gegen die Betriebsuntersagung. Dabei macht sie auch geltend, dass die andauernde Betriebsschließung existenzgefährdend sei.

VGH München: Ungerechtfertigte Vorteile unter anderem für Buchhandlungen und Fahrradhändler

Der VGH München hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Ergebnis stattgegeben, weil die in § 2 Abs. 4 und 5 der 2.BaylfSMV getroffenen Regelungen nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar seien. Die Freistellung von Buchhandlungen und Fahrradhändlern ohne Begrenzung der Verkaufsfläche nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 BayIfSMV sei aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf den Gleichheitssatz sei zudem zu beanstanden, dass nach dem Wortlaut der Verordnung im Fall der Ladenöffnung nur sonstige Einzelhandelsbetriebe eine Begrenzung der Kundenzahl auf einen Kunden je 20 Quadratmeter sicherstellen müssen, nicht aber die übrigen Einzelhändler, die bereits vor dem 27.04.2020 öffnen durften, sowie Buchhandlungen, Kfz-Handel und Fahrradhandel.

Wegen kurzer Geltungsdauer keine Außervollzugsetzung

Der BayVGH hat jedoch ausnahmsweise aufgrund der herrschenden Pandemie-Notlage und der kurzen Geltungsdauer der Einschränkungen bis einschließlich 03.05.2020 davon abgesehen, die Bestimmungen außer Vollzug zu setzen, sondern lediglich die Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt. Gegen den Beschluss gibt es keine Rechtsmittel.

Bayern korrigiert Auflagen für Handel

Nach der Rüge des Verwaltungsgerichtshofs lockerte Bayern seine Einschränkungen für den Einzelhandel: Auch große Geschäfte können ab sofort wieder öffnen, wenn sie ihre Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter beschränken. Das Gesundheitsministerium änderte noch am 27.04.2020 die bisherige Linie, der zufolge diese Läden mit wenigen Ausnahmen gar nicht öffnen durften. "Wenn derartige Geschäfte öffnen, nachdem sie - zum Beispiel durch Absperrungen - die tatsächlich für Kunden zugängliche Verkaufsfläche auf maximal 800 Quadratmeter begrenzt haben, wird dies ab sofort nicht mehr beanstandet", sagte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) auf Anfrage. "Bei der nächsten Änderung der Infektionsschutzmaßnahmenverordnung werden wir zudem klar festlegen, dass ein entsprechendes Vorgehen zulässig ist", sagte Huml weiter.

Söder empfindet Entscheidung nicht als Kritik

Nach der Entscheidung hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zuvor bereits Korrekturen angekündigt, ursprünglich aber geäußert, dass sich in der laufenden Woche nichts ändern werde. Er begrüßte, dass es nach widersprüchlichen Entscheidungen von Vorinstanzen nun Klarheit gebe. Söder wertete die Entscheidung aber nicht als Kritik am Kurs der Staatsregierung. "Also im Grunde genommen ist es eher eine Sicherheitsmaßnahme und bestätigt den umsichtigen Kurs gegenüber dem etwas lockereren Kurs des Bundes." Es sei kein Angriff, sondern aus Sicht der Staatsregierung eine Präzisierung. "Und die werden wir dann natürlich entsprechend umsetzen und auch vornehmen."

VGH München, Beschluss vom 27.04.2020 - 20 NE 20.793

Redaktion beck-aktuell, 27. April 2020.