Das Ehepaar hatte sich getrennt, der Mann einen Nebenwohnsitz in Erfurt begründet. Die gemeinsamen Kinder blieben am Erstwohnsitz in Leipzig, wo sie von ihren Eltern abwechselnd betreut wurden, zunächst im Nest-, später im Wechselmodell. Beim Nestmodell bleiben die Kinder in ihrem "Nest" und werden von den pendelnden Eltern dort abwechselnd betreut. Beim Wechselmodell pendeln die Kinder zwischen zwei Wohnungen ihrer Eltern hin und her. Für seine Nebenwohnung in Erfurt sollte der Mann jährlich 960 Euro Zweitwohnungssteuer zahlen.
Eine Ausnahme von der Zweitwohnungssteuerpflicht sieht die Erfurter Satzung nur für nicht dauernd getrenntlebende Eheleute mit Zweitwohnsitz vor. Nach erfolglosem Widerspruch brachte seine Klage dem Mann die Aufhebung des Bescheids. Er sei rechtswidrig, so das VG Weimar (Urteil vom 17.10.2024 - 3 K 1578/23 We). Es hält die Satzungsregelung in Fällen von Nest- und Wechselmodellen am Erstwohnsitz für nichtig. Sie sei mit dem verfassungsrechtlichen Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) unvereinbar und verletze zudem auch den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Schutz von Teil-Familien "eklatant" verletzt - Typisierungsbefugnis "ganz wesentlich" überschritten
Dass eine Ausnahme für solche Fälle fehle, verletze den von Art. 6 GG auch gewährleisteten Schutz von Teil-Familien "eklatant", so das VG. Denn die Entscheidung, die Kinder im Nest- oder Wechselmodell zu betreuen, sei verfassungsrechtlich geschützt - und zwar genauso wie bei nicht getrenntlebenden Eheleuten. Zudem verstoße eine Steuerpflicht in solchen Fällen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung nicht getrenntlebender und getrenntlebender Eheleute seien nicht erkennbar.
Das VG sieht die Regelung auch nicht durch die Typisierungsbefugnis des Satzungsgebers bei der Steuererhebung gedeckt. Die verschiedenen familienrechtlichen Kinderbetreuungsmodelle - wie hier insbesondere Nest- und Wechselmodelle - stellten "eine zentrale und verfassungsrechtlich besonders geschützte Fallgruppe der 'Familie' im Sinne von Art. 6 GG dar". Ihre Ausklammerung in der Satzungsregelung überschreite die Typisierungsbefugnis "ganz wesentlich" und verletze Art. 6 und Art. 3 GG somit "tiefgreifend".
Die Stadt hatte für ihre Argumentation auf zwei Entscheidungen des FG Hamburg verwiesen. Die beträfen aber andere Fallgestaltungen und überzeugten auch in der Begründung nicht, so das VG. In dem einen Fall hatte der getrenntlebende Ehemann seinen Hauptwohnsitz in eine andere Stadt verlegt und eine Nebenwohnung für den Umgang mit seinen Kindern, die er an jedem zweiten Wochenende hatte, gemietet. In dem anderen Fall ging es um einen unverheirateten Mann, der mit seiner Partnerin und ihrem gemeinsamen Kind in der Familienwohnung lebte und aus beruflichen Gründen auch eine Nebenwohnung hatte. Das FG bestätigte in beiden Fällen die Bescheide über die Zweitwohnungssteuer.