Rechtswidrige Durchführung eines PCR-Tests an einer Schule

Wenn das Gesundheitsamt bei einem minderjährigen Schüler wegen eines Coronafalls in seiner Jahrgangsstufe einen PCR-Test ohne Einverständnis der Eltern durchführt, und ohne dass der Schüler ansteckungsverdächtig war, so ist dies ebenso wie die nachfolgende Quarantäneanordnung gegenüber dem Schüler rechtswidrig. Dies hat das Verwaltungsgericht Oldenburg entschieden.

PCR-Tests bei Schülern durchgeführt

Am Morgen des 09.09.2020 erhielt der Beklagte die Mitteilung, dass der Bruder eines Schülers der 4. Klasse positiv auf das Corona-Virus getestet worden sei. Weitere Ermittlungen des Gesundheitsamtes ergaben, dass dieser Schüler die Schule zuletzt am Freitag, dem 28.08.2020, besucht hatte und anschließend mit eigenen coronakonformen Symptomen krank Zuhause geblieben war. Am nachfolgenden Montag hätten dann einige Mitschüler der 4. Klasse Krankheitssymptome gezeigt. Aufgrund dieser Erkenntnisse suchten Mitarbeiter des Gesundheitsamtes des Beklagten am Vormittag des 09.09.2020 die Schule auf, informierten die Schüler der 4. Klasse und führten PCR-Tests bei den Schülern durch, bei denen sie davon ausgingen, dass ein Einverständnis der Erziehungsberechtigten vorlag. In den Fällen, in denen die Eltern oder die Kinder nicht einverstanden gewesen seien, sei – so der Beklagte – kein Test durchgeführt worden.

PCR-Test ohne Einverständnis vorgenommen

Auch bei dem Kläger, der am 02.09.2020 eine Hospitation in der 4. Klasse dieser Schule begonnen hatte und an diesem Tag erstmals diese Schule besuchte, führte der Beklagte einen PCR-Test durch. Ein Einverständnis seiner Mutter lag dem Beklagten – was dieser nach eigenen Angaben nicht wusste – nicht vor. Nach Durchführung der PCR-Tests sprach der Beklagte gegenüber den Schulkindern – so auch dem Kläger – eine Quarantäneanordnung bis zum 11.09.2020 aus.

Durchführung des PCR-Tests nicht freiwillig erfolgt

Die auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahmen gerichtete Klage hatte Erfolg. Bei seinem Vorgehen sei der Beklagte nach seiner eigenen Darstellung davon ausgegangen, dass die Durchführung des PCR-Tests beim Kläger freiwillig erfolgte. Dies war nach den Feststellungen des VG indes nicht der Fall. Denn es habe weder ein Einverständnis der Mutter des Klägers noch ein wirksames Einverständnis des minderjährigen Klägers selbst vorgelegen. Eine Einwilligungsfähigkeit des damals neunjährigen Klägers sei durch den Beklagten nicht festgestellt worden. Hätte ein Einverständnis vorgelegen, wäre die Testung auf freiwilliger Basis erfolgt. Es hätte sich in diesem Fall quasi lediglich um ein behördliches "Testangebot" gehandelt, das der Betroffene angenommen hätte. Eine verwaltungsgerichtlich zu überprüfende behördliche Maßnahme wäre in diesem Fall insoweit wohl gar nicht erfolgt.

Unmittelbarer Zwang im Weg des Sofortvollzugs

Da im Fall des Klägers jedoch kein Einverständnis vorlag, habe es sich um eine behördliche Anordnung gehandelt, so das VG. Da der Beklagte unstreitig keinen Verwaltungsakt zur Duldung des Tests erlassen hatte, sondern der Test ohne vorangegangenen Verwaltungsakt vollzogen wurde, habe es sich in rechtlicher Hinsicht um sogenannten unmittelbaren Zwang im Wege des Sofortvollzugs gehandelt. Diese rechtliche Qualifizierung der Maßnahme habe jedoch noch nicht unmittelbar die Rechtswidrigkeit des behördlichen Vorgehens zur Folge gehabt, so das VG weiter. Bei Vorliegen der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen hätte die Testung auch ohne Einverständnis rechtmäßig erfolgen können. Die Rechtmäßigkeit der Anwendung des "unmittelbaren Zwangs" – der Durchführung des Tests – setze unter anderem voraus, dass die zu vollziehende Maßnahme – die Anordnung zur Duldung des Tests – rechtmäßig gewesen wäre.

Rechtswidrigkeit ergibt sich aus fehlendem Ansteckungsverdacht

Dies wiederum setzte hier voraus, dass der Kläger jedenfalls "ansteckungsverdächtig" war. Dies sei nach den seinerzeit geltenden Hinweisen des RKI dann der Fall gewesen, wenn der Betroffene Kontakt zu einem "bestätigten Fall von COVID-19" hatte. Im vorliegenden Fall habe der Kläger seine Hospitation in der Schule jedoch erst einige Tage, nachdem der an COVID erkrankte Schüler bereits krank Zuhause geblieben war, begonnen und daher keinen Kontakt zu dem erkrankten Schüler gehabt. Dies war dem Beklagten zum Zeitpunkt der Testung zwar nicht bekannt, habe aber dazu geführt, dass die Voraussetzungen der Anordnung eines Tests nicht vorlagen und die Maßnahme daher insgesamt rechtswidrig war. Da auch die Anordnung der Quarantäne das Vorliegen eines "Ansteckungsverdachts" voraussetzt, sei auch diese Maßnahme mangels Kontakts des Klägers zu einem "bestätigten Fall von COVID-19" rechtswidrig gewesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung kann auf Antrag zugelassen werden.

VG Oldenburg, Urteil vom 14.03.2023 - 7 A 2609/20

Redaktion beck-aktuell, 27. März 2023.