VG Neustadt: Abschleppmaßnahme trotz falsch gestalteten Zusatzschildes rechtmäßig

StVO §§ 39, 45 IV

Ein Verkehrsschild ist nicht stets deshalb nichtig, weil die Gestaltung eines verwendeten Zusatzschildes in rechtswidriger Weise den Vorgaben in der Straßenverkehrsordnung, der hierzu erlassenen Verwaltungsvorschrift, StVO VwV, und den Mustern im Katalog der Verkehrszeichen, VzKat, widerspricht. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße entschieden. Wenn die Beschilderung trotz der rechtswidrigen Ausgestaltung des Zusatzzeichens eindeutig und der Regelungswille der Behörde erkennbar sei, sei es für den Verkehrsteilnehmer möglich, zu erkennen, was von ihm verlangt wird. Eine Abschleppmaßnahme innerhalb des in der verkehrspolizeilichen Anordnung festgelegten Geltungsbereichs sei daher in der Regel auch verhältnismäßig.

VG Neustadt, Urteil vom 26.02.2019 - 5 K 814/18.NW, BeckRS 2019, 5384

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 8/2019 vom 25.04.2019

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Sachverhalt

Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenbescheid, mit dem die beklagte Gemeinde von ihr die Erstattung von Kosten für eine Abschleppmaßnahme verlangte. Zur Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen hatte die Klägerin bezahlt. Den bezahlten Betrag nebst Zins und Kosten will sie nun von der Beklagten zurück.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, den sie auf einem «Park and Ride»-Parkplatz am Bahnhof geparkt hatte. Die Beklagte wollte Baumfällarbeiten durchführen und ließ mobile Halteverbotsschilder aufstellen, eines an der Zufahrt zum Parkplatz, eines in der Mitte des etwa 100 Meter langen Parkplatzes und ein weiteres an der gegenüberliegenden Zu- und Abfahrt. Das Halteverbot sollte vom 29. Januar bis 03. Februar gelten.

Die Klägerin stellte ihren Wagen am 29. Januar gegen 07:45 Uhr auf dem Parkplatz ab, zusammen mit 14 anderen Fahrzeugen auf der gleichen Seite. Gegen 08:00 Uhr sollte mit den Fällarbeiten begonnen werden. Es wurde festgestellt, dass 14 Pkw im Halteverbot standen. Die Gemeinde beauftragte eine Firma mit dem «Umsetzen» der 14 Fahrzeuge auf einen anderen Stellplatz auf dem gleichen Parklplatz. Dafür wurden der Gemeinde Kosten berechnet, die sie jetzt auf die Klägerin und die weiteren Betroffenen umgelegt hat.

Die Gemeinde behauptet, dass die Schilder schon am 24. Januar aufgestellt worden seien und bei Kontrollen am 25. und 26. Januar auch «ordnungsgemäß» vorhanden gewesen sein, was die Klägerin aber bestreitet. Die Klägerin weist im Übrigen darauf hin, dass die Halteverbotsschilder den vorgegebenen gesetzlichen Normen nicht entsprächen. Auch das Zusatzschild habe weder die genormte Größe, noch sei es schwarz eingerahmt, noch sei das Schriftbild der Verordnung entsprechend angebracht. Der Kostenbescheid sei daher rechtswidrig.

Rechtliche Wertung

In dem hier vorgestellten Urteil prüfte das Verwaltungsgericht die Einwendungen der Klagepartei. Zwar sei die Klägerin nicht angehört worden, jedoch sei die unterbliebene Anhörung geheilt, weil die Klägerin sich ja nachträglich habe äußern können. Der Kreisrechtsausschuss habe sich mit den Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt, sei aber gleichwohl zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kostenverfügung aufrechterhalten werden müsse.

Allerdings sei der Kostenbescheid materiell rechtswidrig, so das VG. Die Form der Umsetzung sei noch rechtmäßig, die Klägerin sei die richtige Kostenschuldnerin. Die Kostenerstattungspflicht seitens der Klägerin sei auch verhältnismäßig. Der Bescheid sei gleichwohl aber rechtswidrig, weil die Behörde das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt habe.

Das Verkehrsschild sei zwar nicht den Vorgaben der StVO entsprechend, jedoch sei die Gestaltung des Verkehrszeichens und auch des Zusatzzeichens so eindeutig, dass es für einen Verkehrsteilnehmer möglich sei, zu erkennen, was von ihm verlangt werde. Die Zeit, die zwischen dem Aufstellen der Schilder und dem beabsichtigten Beginn der Baumpflegearbeiten zur Verfügung stand, sei ausreichend. Ein schwerwiegender oder offenkundiger Fehler, der zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen müsse, liege nicht vor. Das Schild entspreche dem «Erwartungshorizont» eines durchschnittlichen Verkehrsteilnehmers.

Bedenklich sei allerdings die Höhe der umgelegten Gebühren, denn die Anfahrtskosten seien offensichtlich für alle 14 «Falschparker» geltend gemacht und kassiert worden. Solche allgemeinen Kosten könnten nur dann verlangt werden, wenn der Abschlepper für jedes der 14 Fahrzeuge jeweils einen gesonderten Abschleppwagen eingesetzt hätte. Hier aber sei für die insgesamt 14 zu entfernenden Fahrzeuge lediglich ein Abschleppwagen vor Ort erschienen.

Auch das müsse indes nicht weiter vertieft werden, denn der Kostenbescheid sei jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil er ermessensfehlerhaft ergangen sei. Auf der Beklagtenseite sei Ermessensausfall festzustellen. Die Behörde habe überhaupt kein Ermessen angewandt. Sie habe einen Ermessensspielraum noch nicht einmal erkannt. Dies hätte die Ausgangsbehörde spätestens im Widerspruchsverfahren erkennen und korrigieren können und müssen.

Praxishinweis

Diese Entscheidung wird hier vorgestellt, weil sie für Verkehrsrechtler außerordentlich hilfreich ist. Das Aufstellen und die Kontrolle von Verkehrsschildern und schließlich deren Überprüfung gliedern sich in eine Vielzahl einzelner Schritte. In dem hier vorliegenden Urteil werden diese Schritte geradezu schulmäßig nachvollzogen.

Die Literatur und Rechtsprechung sind umfassend verarbeitet und zitiert. Wer immer sich mit Fragen der Richtigkeit der Aufstellung von Verkehrsschildern zu befassen hat, wird glücklich sein, als Fundgrube diese Entscheidung vorzufinden.

Redaktion beck-aktuell, 3. Mai 2019.