Entspricht ein Grab nicht dem Willen der verstorbenen Person, können Angehörige deshalb nicht gleich verlangen, dass Sarg oder Urne "umgebettet" werden. Ohne einen mutmaßlichen Willen des oder der Verschiedenen braucht es einen wichtigen Grund, um die Totenruhe zu brechen. Somit durfte ein Witwer die Urne seiner Frau nicht umbetten lassen, weil diese unerwartet unter einer "tristen und trostlosen" Friedwiese beigesetzt worden war, wie das VG Hannover entschied (Urteil vom 18.06.2025 – 1 A 3479/23).
Die lokale Kirchenzeitung zeichnete ein idyllisches Bild: Weiße Blüten zierten eine hochbewachsene Wiese vor einem großen Holzkreuz, dahinter flaches Gras. "Margeriten auf der Friedwiese" hieß es in der Unterschrift. Der Artikel behandelte die neue, pflegefreie Urnengrabstelle, die mit einem Friedwald vergleichbar sei. Dabei seien die einzelnen Grabstätten, umrahmt von Bäumen, später nicht mehr als solche zu erkennen. Nur eine Stele mit Plaketten sollte auf die Verstorbenen hinweisen.
"Trostloser" Rasen statt schöner Blumenwiese
Die Realität entsprach indes nicht den Vorstellungen eines Witwers. Er machte erst vor dem Kirchenvorstand und später vor der zuständigen Behörde geltend, dass seine Frau keine aufwändige, aber eine schöne Ruhestätte gewollt habe, an der die Familie an sie denken und sie angemessen betrauern könne. Man habe sich nur in der Eile für die Friedwiese entschieden, seine Frau habe aber sicher nicht gewollt, dass man "mit einem Rasenmäher über sie hinwegfahre". Er habe nicht erwartet, dass die Urnen nicht in der vordergründigen hoch bewachsenen Margeritenwiese beigesetzt würden, sondern in der dahinterliegenden "tristen" und "trostlosen" Rasenfläche. Der Mann gab an, er sei – auch gemeinsam mit seiner Frau – davon ausgegangen, dass die Friedwiese mit der Zeit noch zu einem schönen Ort werden würde.
Seine Frau habe immer wieder betont, sie wolle keinesfalls in einem typischen Reihengrab mit Bodenplakette beigesetzt werden, weil man dort immer nur gestört werde. Sie habe sich daher eher gewünscht, auf einer friedlichen Blumenwiese bestattet zu werden als auf einer "schäbigen" Grasanlage. Nachdem der Kirchenvorstand auf die zuständige untere Gesundheitsbehörde verwiesen hatte, lehnte diese einen Antrag auf Umbettung ab. In ihrem Bescheid erklärte sie, es liege kein wichtiger Grund im Sinne des Bestattungsrechts vor, der eine Umbettung rechtfertigen würde. Der Witwer klagte schließlich vor dem VG Hannover und bekam auch dort eine Absage.
Totenruhe ist auch ein Allgemeingut
Die 1. Kammer des VG Hannover stellte voran, dass eine Umbettung nach dem Landesbestattungsgesetz (BestattG) nur in drei verschiedenen Fällen erlaubt sei. Erstens, wenn der oder die Verstorbene vor dem Tod ausdrücklich mit einer eventuellen Umbettung einverstanden gewesen sei. Zweitens, wenn mit hinreichender Sicherheit immerhin auf einen mutmaßlichen entsprechenden Willen geschlossen werden könne. Oder drittens, wenn die hinterbliebenen Totenfürsorgeberechtigten einen "wichtigen Grund" vorweisen könnten, der eine Umbettung zulasten der Totenruhe rechtfertige.
Hier habe sich die inzwischen Verstorbene nicht ausdrücklich mit einer Umbettung einverstanden erklärt, sondern lediglich konkrete Vorstellungen zu ihrem späteren Grab genannt. Sie habe eine "kleine, ungestörte und schöne" Ruhestätte gewollt, weswegen ein Rasenreihengrab mit Bodenplatte nicht in Betracht gekommen sei. Das impliziere aber nicht den Willen, wegen der unzulänglichen "Beschaffenheit" der Friedwiese wieder ausgegraben zu werden. Hierfür führte die Kammer auch an, dass es bei Pietät, Totenruhe und Totenwürde gerade nicht nur um das postmortale Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen gehe, sondern auch um objektive Aspekte wie die Ehrfurcht vor dem Tod und das "sittliche, religiöse und weltanschauliche Empfinden der Allgemeinheit". Aus diesem Grunde gebe es auch den Friedhofszwang. Objektive Aspekte der Totenruhe seien zwar nur neben dem Willen Verstorbener relevant, einem automatischen Umbettungswillen stünden sie indes entgegen, so das VG.
Auch abgesehen von einem solchen Automatismus seien hier keine Anhaltspunkte für einen mutmaßlichen Umbettungswillen erkennbar gewesen. Dafür spreche, dass das Grab nicht völlig an den Vorstellungen der Verstorbenen vorbeigehe. Es sei nicht zu mutmaßen, dass die Verstorbene die "Vorstellung des Mähens von Rasen so unerträglich fand", dass sie auch nach der Beisetzung eine Umbettung gewollt hätte. So sei durchaus denkbar, dass es in ihren Augen einen Unterschied gemacht hätte, ob mit einem Rasenmäher über eine (unerwünschte) Grabplatte, oder eine glatte Rasenfläche hinweggefahren wäre. Letztere habe schließlich eine deutlich geringere Geräuschentwicklung. Zudem stehe nicht fest, dass sie das Bild "Blühende Margeriten auf der Friedwiese" auch wirklich falsch verstanden habe: Es sei recht deutlich zu erkennen, dass die Margeriten hinter dem Holzkreuz wuchsen, während die Fläche davor – diejenige mit den Urnengräbern – eine Rasenfläche sei.
Der "wichtige Grund" für Hinterbliebene
Da somit weder ein ausdrücklicher noch ein mutmaßlicher Umbettungswille festzustellen sei, komme es hier auf einen "wichtigen Grund" für die Umbettung an (§ 15 Abs. 1 S. 2 BestattG). Dabei müsse anhand des Einzelfalls umfassend abgewogen werden, ob das Interesse des Ehemanns an der Umbettung dermaßen schutzwürdig sei, dass die Achtung der Totenruhe zurücktreten müsse. Das verneinte das VG hier.
Totenfürsorgeberechtigte könnten, so das VG, grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme über Art und Ort der Bestattung entscheiden. Die Kehrseite davon sei aber, dass sie die Konsequenzen dieser Entscheidung später auch tragen müssten. Zwar sei der Tod hier laut dem Witwer unvermittelt gekommen und die Angehörigen hätten dementsprechend "nicht weiterdenken" können – es habe aber auf der Hand gelegen, dass die Friedwiese keine späteren Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen würde. Zudem sei die Entscheidung nicht nur von ihm allein, sondern auch vom engeren Kreis der Angehörigen getroffen worden.
Dass er mit der optischen Ausgestaltung der Friedwiese unzufrieden war, erachtete das VG als nicht gewichtig genug, um die Totenruhe auszuhebeln. Selbst wenn hier ein Werbeversprechen gebrochen worden wäre – wovon das Gericht nicht ausging – hätte man sich zuerst zur Mängelbeseitigung an die Kirche wenden müssen. Es sei jedoch offensichtlich, dass "blühende Margeriten" nur eine Momentaufnahme sein können, von der sich auch kein Anspruch auf "wechselnden Margeritenbewuchs" ableiten lasse.