Nach rechtsextremem TikTok-Auftritt: Finanzanwärterin bleibt suspendiert

Eine Hamburger Steueranwärterin darf wegen TikTok-Videos mit Bezügen zu verfassungsfeindlichem Liedgut vorerst keine Dienstgeschäfte mehr führen. Das VG Hamburg ließ ihren Eilantrag abblitzen und gab der öffentlichen Integrität der Verwaltung den Vorrang.

Nach § 39 Satz 1 BeamtStG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 HmbBG kann Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte untersagt werden. Diese Schwelle sah das VG Hamburg bei einer Finanzanwärterin als überschritten an, die TikTok-Videos erstellte, in denen sie auf Rechtsrock-Lieder mit volksverhetzenden Inhalten Bezug nahm (Beschluss vom 22.04.2025 – 14 E 775/25). Der Auftritt der Beamtin auf Widerruf sei geeignet, das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Verwaltung zu erschüttern und den innerdienstlichen Frieden zu gefährden. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt den Hamburger Richterinnen und Richtern zufolge insoweit deutlich.

Die Anwärterin hatte auf der Plattform "TikTok" ein Video veröffentlicht, in dem sie unter dem Pseudonym "[A]" zu dem als rechtsextrem eingestuften Lied "Türke, Türke" tanzte. Der Beitrag enthielt den Titel "Nur die wahren kennen den Text auswendig". Obwohl der Liedtext selbst nicht hörbar war, sei die Identifikation des Lieds aus Kommentaren aus Sicht der Steuerbehörde unschwer möglich gewesen. Weitere Inhalte auf dem Profil – das die Frau unter anderem auch mit dienstlichen Bezügen versah ("[Beamtin]") –, darunter ein Ausschnitt des Liedes "Deutsche Wut" der 2003 aufgelösten Rechtsrock-Band "Landser", die besonders im Neonazi-Milieu bekannt ist, sowie das Tragen rechtsextremer Symbolik (Fred Perry-Polohemd), erhärteten aus Sicht des Amtes den Verdacht einer fehlenden Verfassungstreue.

Eine Kollegin, die anonym bleiben wollte, verpfiff sie beim Dienstherrn. Die Folge: Ihr wurde sofort der Dienst quittiert. Nach gescheitertem Widerspruch zog sie per Eilantrag vor Gericht – ohne Erfolg.

VG: Dienstherr muss sich auf loyale Beamte verlassen können

Das VG Hamburg hielt die Suspendierung aufrecht. Angesichts der Gefährdungslage durch mögliche innerdienstliche Konflikte, eingeschränkter Einsetzbarkeit der Anwärterin wegen des möglichen Vertrauensverlusts in die Neutralität der Finanzverwaltung und drohender Imageschäden für die Verwaltung überwiege das öffentliche Interesse an einer sofortigen Suspendierung der Beamtin.

Das VG betonte, dass der öffentliche Dienst auf die Loyalität und Integrität seiner Mitglieder angewiesen sei. In einer Situation, in der verfassungsfeindliche Bezüge öffentlich und identifizierbar mit der Person einer Beamtin verknüpft sind, sei ein sofortiges Einschreiten nicht nur zulässig, sondern geboten. Die Wahrung des öffentlichen Vertrauens in die Unparteilichkeit und Verfassungstreue der Verwaltung wiege dabei schwerer als das Interesse der Antragstellerin an einer Weiterbeschäftigung.

Bei dem von ihr auf ihrem TikTik-Kanal verwendeten Lied "Türke, Türke" handele es sich um ein in rechtsextremen Kreisen bekanntes und vom VG als "volksverhetzend" bewertetes Musikstück. Der Video-Titel "Nur die wahren kennen den Text auswendig" impliziere eine positive Bezugnahme auf den Inhalt des Lieds, auch ohne dass der Songtext in dem Video zu hören sei.

Verletzung von Wohlverhaltens- und Verfassungstreuepflichten

Besonders schwer wog nach Ansicht der Kammer der Bruch der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Danach müssen sich Beamtinnen und Beamte auch außerhalb ihres Dienstes so verhalten, dass die Achtung und das Vertrauen in ihre Person gewahrt bleiben. Dies gelte vor allem für die Vermeidung jeglichen Anscheins einer Identifikation mit verfassungsfeindlichem Gedankengut. Schon das Setzen des Anscheins, mit verfassungsfeindlichem Gedankengut zu sympathisieren, könne dienstrechtlich sanktioniert werden – selbst wenn keine strafbare Handlung vorliege. So habe sie Antragstellerin mit ihrem Auftritt nicht der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden können, die ihr Beruf nun mal erfordere. Für die Kammer war daher ohne weiteres plausibel, dass durch ihre Selbstdarstellung der Eindruck entstanden ist, dass sie Menschen mit Migrationshintergrund verachtet und rechtsextreme Haltungen teilt.

Das Gericht erkannte auch Anhaltspunkte für eine Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Es betonte, dass bereits ein fehlendes eindeutiges Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung – etwa durch unterlassene Distanzierung – genügen könne, um Zweifel an der Eignung für den öffentlichen Dienst zu begründen. Für das Gericht war klar, dass sich die Beamtin nicht zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt, sondern dem Rechtsextremismus nahesteht, und dass sie auch tatsächlich dieses Gedankengut teilt und insoweit durch die Verwendung des Liedes "Türke, Türke" ihre dahingehende Zustimmung zum Ausdruck bringen wollte. Zwar möge ihr Auftritt nicht strafbar gewesen sein, was aber nicht ausschließe, sie als Beamtin mit dem Regelungsinstrumentarium des Beamtenrechts entsprechend zu sanktionieren und erst recht nicht, ihr vorläufig die Führung der Dienstgeschäfte zu verbieten.

VG Hamburg, Beschluss vom 22.04.2025 - 14 E 775/25

Redaktion beck-aktuell, ns, 23. Juni 2025.

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