VerfGH Nordrhein-Westfalen gibt Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Prozesskostenhilfe statt

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat mit Beschluss vom 30.04.2019 einer Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe stattgegeben. Er monierte unter anderem, dass die Annahme fehlender Erfolgsaussichten der Klage im Widerspruch zu einer Verfahrensaussetzung wegen Vorgreiflichkeit gestanden habe. Der VerfGH hat damit erstmals über eine Individualverfassungsbeschwerde entschieden, die in Nordrhein-Westfalen seit Anfang 2019 zur Verfügung steht (Az.: 2/19.VB-2). 

Gewährung von Blindengeld abgelehnt

Das beim Verwaltungsgericht Köln anhängige Ausgangsverfahren betrifft die vom Landschaftsverband Rheinland abgelehnte Gewährung von Blindengeld. Parallel führt die an einer hochgradigen Sehbehinderung leidende Beschwerdeführerin ein Verfahren beim Sozialgericht Köln wegen der verweigerten Zuerkennung des Merkzeichens "Bl" (Blindheit). Der VerfGH hat die Entscheidungen des VG über die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages der Beschwerdeführerin sowie des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in Münster über die Zurückweisung ihrer Beschwerde aufgehoben und das Verfahren an das VG zurückverwiesen.

VG verneinte hinreichende Erfolgsaussicht der Klage

Das VG hatte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anderem mangels hinreichender Aussicht der Klage auf Erfolg abgelehnt. Zuvor hatte es allerdings das Verfahren ausgesetzt, weil der Ausgang des vor dem SG wegen des Merkzeichens geführten Verfahrens, in dem der Beschwerdeführerin Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, vorgreiflich sei. Darüber hinaus hatten sowohl das VG als auch das OVG Erwägungen dazu angestellt, inwieweit es der an einer hochgradigen Sehbehinderung leidenden Beschwerdeführerin zumutbar sei, ihre Rechte ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wahrzunehmen.

VerfGH: Annahme fehlender Erfolgsaussicht steht im Widerspruch zu Verfahrensaussetzung

Der VerfGH hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Erwägungen des VG zu der fehlenden Erfolgsaussicht der Klage nicht mit seiner rechtlichen Würdigung vereinbar seien, die der Aussetzung des Verfahrens zugrunde gelegen habe.

Aufklärungsdefizite hinsichtlich Erforderlichkeit eines Rechtsanwalts

Soweit die Gerichte von der Beschwerdeführerin erwartet hätten, ihre Rechte ohne Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wahrzunehmen, seien die entsprechenden Möglichkeiten der Klägerin nicht hinreichend aufgeklärt und die konkrete Situation der stark sehbehinderten Klägerin nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Redaktion beck-aktuell, 7. Mai 2019.