Hamburgs Innensenator Grote durfte AfD Radikalisierung und Holocaust-Relativierung vorhalten
© SZ Photo | Metodi Popow

Für Hamburgs Innensenator Andy Grote gehört die Relativierung des Holocaust zur Grunderzählung der AfD - und das sagte er auch deutlich in einer Bürgerschaftssitzung. Die Partei hält das für unzulässig und zog vor das Hamburger VerfG. Nun gibt es ein Urteil.

Das Hamburgische VerfG hat eine Organklage der AfD gegen den Innensenator der Stadt Andy Grote (SPD) abgewiesen. Die Anträge der AfD Hamburg, ihrer Bürgerschaftsfraktion und einzelner Abgeordneter seien nur teilweise zulässig und - soweit sie zulässig seien - unbegründet, sagte die Vorsitzende Richterin und Verfassungsgerichtspräsidentin Birgit Voßkühler (Urteil vom 05.09.2025 - HVerfG 2/24).

Die Partei hatte sich durch einen Debattenbeitrag Grotes in einer Bürgerschaftssitzung in ihren Rechten verletzt gesehen. Grote hatte unter anderem gesagt hatte, dass sich die AfD radikalisiert habe und "die Relativierung des Nationalsozialismus und des Holocaust (...) zur Grunderzählung" der Partei gehörten und sich deshalb "die Vertreterinnen und Vertreter des Judentums in Deutschland zu Recht gegen jede durchsichtige und instrumentelle Solidarität der AfD" verwahrten. Die AfD hatte darin einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot gesehen. Im Rahmen eines Organstreitverfahrens begehrten sie die Feststellung, dass sie durch die Äußerungen des Senators in verfassungsrechtlich geschützten Rechten verletzt worden seien.

"Dieses Neutralitätsgebot gilt indes nicht im Rahmen einer Parlamentsdebatte – auch wenn der Debattenbeitrag nicht von einem Abgeordneten, sondern von einem Mitglied des Senats stammt", sagte Voßkühler bei der Urteilsverkündung. Maßgeblich sei allein, ob konkrete Rechte verletzt worden seien. Vor diesem Hintergrund prüfte das Gericht zunächst, ob die Antragsteller eine solche Betroffenheit überhaupt darlegen konnten.

Kein eigenes Recht für die Fraktion, Abgeordnete sind nur teilweise geschützt

Die Richterinnen und Richter machten deutlich, dass die AfD-Fraktion keine ausreichende Begründung für eine mögliche Rechtsverletzung geliefert habe. Die Aussagen des Hamburger Innensenators verletzten nicht den in Art. 7 Abs. 1 der Hamburger Verfassung (HbgVerf) festgelegten Grundsatz, dass alle Fraktionen bei Entscheidungen im Parlament gleich behandelt werden müssen. Auch auf das Recht politischer Parteien auf gleiche Chancen im Wettbewerb (Art. 21 Abs. 1 GG) könne sich die Fraktion nicht stützen, da dieses ausschließlich der Partei selbst und nicht ihrer Fraktion in der Bürgerschaft zusteht.

Einzelne Abgeordnete, die nur zum Zeitpunkt der Antragstellung Mitglieder der Bürgerschaft waren, konnten ihre Anträge ebenfalls nicht durchsetzen. Wer zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr Abgeordneter sei, verliere sein Rechtsschutzinteresse, so das VerfG Hamburg. Für die verbliebenen Abgeordneten war ein Antrag nur insoweit zulässig, als es um das freie Mandat nach Art. 7 Abs. 1 HbgVerf ging. Andere Schutzrechte wie die Indemnität, die Abgeordnete für ihre Abstimmungen und Äußerungen im Parlament vor gerichtlicher oder dienstlicher Verfolgung absichert (Art. 14 Abs. 1 HbgVerf), seien laut Gericht von vornherein nicht berührt.

Kein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot

Schließlich blieb auch der AfD-Landesverband mit seinen Anträgen erfolglos. Nach Auffassung des Gerichts sind Senatorinnen und Senatoren in der Bürgerschaft ausdrücklich berechtigt, an Debatten teilzunehmen und ihre Position zu vertreten. Sie müssten dabei zwar sachlich bleiben, unterlägen aber keinem besonderen Neutralitätsgebot.

Diesen Rahmen habe Grote eingehalten. Für ein verständiges Publikum sei erkennbar gewesen, dass seine Aussagen auf überprüfbare Tatsachen Bezug genommen hätten, etwa die rechtsextremistische Einstufung einzelner AfD-Landesverbände, so das Gericht. Auch die Aussage, die Relativierung des Nationalsozialismus und des Holocaust gehöre zur Grunderzählung der AfD, sei rechtlich zulässig gewesen. Sie habe erkennbar Bezug auf Äußerungen von AfD-Vertreterinnen und -Vertretern genommen, die die Erinnerungskultur an den Nationalsozialismus kritisiert hätten.

Die Richterinnen und Richter stellten zudem klar, dass Grote mit seiner Rede keine einzelnen Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft persönlich gemeint habe. Ein Vorwurf wie Volksverhetzung sei damit nicht verbunden gewesen. Deshalb sei auch das freie Mandat der AfD-Mitglieder nicht verletzt worden.

VerfG Hamburg, Urteil vom 05.09.2025 - VerfG 2/24

Redaktion beck-aktuell, cil, 5. September 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

Mehr zum Thema