Urheberrecht vor Gericht: Wie soll ich beweisen, dass mein Code nicht KI-generiert ist?
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In der heutigen Zeit wird es immer einfacher, Quellcode automatisch generieren zu lassen. Jedenfalls als Hilfswerkzeug ist KI in der Softwarebranche nicht mehr wegzudenken. Doch was, wenn der KI-Code von anderen "geklaut" wird? Die Sache ist kompliziert, erklärt Leonardo Braguinski.

Wenn bei der Softwareentwicklung – wie heute bereits in vielen Bereichen üblich – generative KI eingesetzt wird, dann hat das urheberrechtliche Folgen. Abgesehen von Haftungsfragen genießt nämlich ein Code, der von einer KI geschrieben wurde, mangels menschlicher Schöpfung keinen Schutz. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Entwickler oder die Entwicklerin den Erzeugungsvorgang derart beherrscht, dass sich der Code trotzdem als Ergebnis einer eigenen geistigen Schöpfung darstellt, etwa durch besonders raffiniertes Prompt Engineering. Würde sich aber jemand hinsetzen und dieselbe Funktionalität unnötigerweise händisch implementieren, dann würde er oder sie für wesensgleichen Code Urheberrechtsschutz genießen. Oder jemand könnte einen nicht schutzfähigen Code mithilfe einer KI absichtlich lang und schwer verständlich machen, ohne die Funktionalität zu verändern (sog. Obfuscation), um den Eindruck eines komplexen, schutzfähigen Programms zu erwecken.

Materiell-rechtlich sind diese Fälle wenig anspruchsvoll. Es bleibt dabei, dass der rein automatisch erzeugte Code nicht schutzfähig ist. Prozessual kann es jedoch kompliziert werden, wenn streitig ist, ob bei der Software, für die Urheberrechtsschutz beansprucht wird, tatsächlich KI im Spiel war.

Materiell-rechtliche Grundlagen

Computerprogramme genießen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz. Sie werden gem. § 69a Abs. 3 S. 1 UrhG geschützt, wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers, bzw. ihrer Urheberin sind. Eine eigene geistige Schöpfung setzt dabei voraus, dass ein Gestaltungsspielraum besteht und dafür genutzt wird, den eigenen schöpferischen Geist in origineller Weise zum Ausdruck zu bringen. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, sind dagegen gem. § 69a Abs. 2 S. 2 UrhG nicht geschützt. 

Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass auch einfache geistige Schöpfungen Urheberrechtsschutz genießen (sog. kleine Münze). Dies kommt auch in der offenen Formulierung des § 69a Abs. 3 S. 1 UrhG zum Ausdruck, die bewusst die kleine Münze einbezieht. Solche einfachen Schöpfungen sind dementsprechend auch bei Computerprogrammen schutzfähig. Der Schutzumfang ist dabei umso niedriger, je geringer die Gestaltungshöhe ist.

KI oder menschliche Schöpfung?

Der Urheber oder die Urheberin muss nach allgemeinen Grundsätzen darlegen und ggf. beweisen, dass das Computerprogramm schutzfähig ist, dass er oder sie es entwickelt hat und damit ggf. auch, dass das Computerprogramm nicht KI-generiert ist. Die Rechtsprechung des BGH, dass Klägerinnen und Kläger im Verletzungsprozess bereits dann ihrer Darlegungslast genügen, wenn sie das Werk dem Gericht vorlegen, kann indes bei Computerprogrammen schon deshalb keine Geltung beanspruchen, weil dem Gericht meist die Sachkunde fehlen wird, um die Gestaltungshöhe des Programms zu beurteilen. 

Stattdessen arbeitet die Rechtsprechung in solchen Fällen mit einer tatsächlichen Vermutung, wonach die Programmgestaltung bei komplexen Computerprogrammen grundsätzlich hinreichend individuell ist. Dabei ist es fernliegend, der Klägerseite schon dann eine sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen oder die Schutzfähigkeit sofort als streitige Tatsache anzusehen, wenn die Beklagtenseite die Schutzfähigkeit des Werks wegen angeblichem KI-Einsatz pauschal bestreitet. Vielmehr muss der oder die Beklagte die Schutzfähigkeit substantiiert bestreiten, sich also mit dem Computerprogramm auseinandersetzen und konkrete Anhaltspunkte für eine fehlende menschliche Gestaltung benennen. Diese können jedoch auch in anderen Tatsachen begründet sein, etwa außerprozessualen Äußerungen der Klägerseite.

Noch komplizierter wird es, wenn das Computerprogramm ein Mischgebilde aus KI-Code und menschlichem Code ist, was in der Praxis oft der Fall ist. Hier ist der KI-Code wegzudenken und zu fragen, ob der dann verbleibende, menschlich geschaffene Code ausreichende Gestaltungshöhe besitzt. Welcher Code wegzudenken ist, wird in vielen Fällen umstritten sein, hier kann sich ein Kläger, bzw. eine Klägerin, der oder die auf das Urheberrecht pocht, oft nur mithilfe eines Parteigutachtens über technische Erfahrungssätze behelfen, welche die Beklagten in Darlegungs- und Beweisnot bringen.

Aufgeblähte Computerprogramme

Anders sind die Fälle zu behandeln, in denen streitig ist, ob jemand ein einfaches Programm, das nicht unter den Schutz der kleinen Münze fällt, mithilfe von KI aufgebläht hat. Hier ist meines Erachtens mit einer tatsächlichen Vermutung zu arbeiten: Bestreitet die Gegenseite substantiiert die Schutzfähigkeit, sollte es dem Kläger oder der Klägerin obliegen, darzutun, dass eine eigene geistige Schöpfung vorliegt, wenn (1) das Programm eine triviale Aufgabe löst, (2) das Programm einen Umfang hat, der für einfache  Software unüblich ist und (3) und keine zwingenden Gründe für die Komplexität des Computerprogramms ersichtlich sind. Sofern sich die Parteien nicht vergleichen, wird das Gericht in solchen Fällen regelmäßig in die Beweiserhebung eintreten und Sachverständige mit der Begutachtung des Programms betrauen müssen. 

Der Softwaredieb

Kompliziert sind Fälle, in denen streitig ist, ob jemand dem eigenen Programm unrechtmäßig ein fremdes Computerprogramm zugrunde gelegt hat. Denn sofern das Gericht diesbezüglich in die Beweiserhebung eintreten muss, wird es sich mit einem Sachverständigengutachten befassen müssen, wobei die Arbeit des oder der Sachverständigen durch generative KI nicht gerade einfacher wird, obwohl KI gleichzeitig ein Analysewerkzeug sein kann. Die Motivation ist also aus praktischer Sicht groß, entsprechendes klägerisches Vorbringen bereits auf Ebene der Darlegungslast auszuschließen. 

Und tatsächlich ist es naheliegend, dass ein Mitbewerber oder eine Mitbewerberin nicht schon mit der Behauptung, dass die Konkurrenz die Software gestohlen und dies mithilfe von generativer KI kaschiert habe, dem oder der Beklagten aufnötigen kann, das Vorbringen substantiiert zu bestreiten. Es erscheint aber andererseits auch übertrieben, das Problem mithilfe von Substantiierungslasten auf der Klägerseite zu lösen. Vielmehr sollte es hier bei dem Grundsatz bleiben, dass Beklagte dem unsubstantiierten klägerischen Vortrag nicht substantiiert entgegentreten müssen, d.h. bei einer prozessualen Obliegenheit des Klägers, bzw. der Klägerin. Ist der oder die Beklagte dagegen bereits in der Vergangenheit mit KI-Softwarediebstahl in Erscheinung getreten, so kann im Einzelfall ein Anscheinsbeweis genügen. Ist die andere Seite wiederum dafür bekannt, mit der Behauptung von Softwarediebstahl pauschal gegen Konkurrentinnen und Konkurrenten vorzugehen, sollte das Gericht die klägerische Substantiierungslast erhöhen.

Zeit für kreative Lösungen

So modern der technische Hintergrund der generativen KI ist, mit dem sich die zuständigen Spruchkörper in Zukunft vermehrt beschäftigen werden müssen, so alt ist das prozessuale Instrumentarium, mit dem die Probleme bewältigt werden müssen.  

Es gilt jetzt, in streitigen Verfahren kreativ zu sein, zu argumentieren, nachzudenken und nicht nur über den zutreffenden Sachverhalt, sondern auch über die richtigen Darlegungs- und Beweisgrundsätze für die urheberrechtlichen Probleme mit KI-generierten Computerprogrammen zu streiten. Die Theorie wird hier, wie so oft, ohne die Rechtspraxis fruchtlos sein und umgekehrt.  

Leonardo Braguinski ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in Berlin bei Prof. Dr. Dr. h.c. Luís Greco, LL.M. und bei der auf geistiges Eigentum und IT-Recht spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei NORDEMANN. Dieser Beitrag spiegelt die ausschließlich die persönliche Sichtweise des Autors wider.

Gastbeitrag von Leonardo Braguinski, 18. Juni 2025.

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