Untersuchungsbericht: Massiver Kindesmissbrauch in katholischer US-Kirche

Ermittlungsbehörden im US-Bundesstaat Pennsylvania haben erschütternde Details über das Ausmaß von sexuellem Missbrauch und dessen Vertuschung in der katholischen Kirche der USA ans Licht gebracht. Danach sollen sich in Pennsylvania mehr als 300 katholische Priester in den vergangenen 70 Jahren an Tausenden Kindern vergangen haben - bis hin zur Vergewaltigung.

Massive Vertuschung durch Kirchenführung

"Obwohl die Liste von Priestern lang ist - wir denken nicht, dass wir alle gekriegt haben", sagte der Generalstaatsanwalt von Pennsylvania, Josh Shapiro. Dennoch sei dies der bislang umfassendste in den USA veröffentlichte Bericht zu Kindesmissbrauch innerhalb der Kirche. Er kommt mehr als 15 Jahre, nachdem in Boston die Geschehnisse um den Priester John Geoghan für einen Skandal gesorgt hatten. Auch hatte die Kirchenführung versucht, unter massiven Vertuschungsaktionen die Geschehnisse weitestgehend unter der Decke zu halten.

Tausend Opfer identifiziert

Die Vorwürfe erstrecken sich auf sechs der acht Diözesen in Pennsylvania. Shapiro, der die bisherigen Ermittlungsergebnisse am 14.08.2018 in einem fast 900 Seiten starken Bericht vorstellte, geht von Tausenden Opfern aus. Er glaube, dass viele von ihnen nicht gewagt hatten, über den Missbrauch zu berichten. Etwa 1.000 seien identifiziert worden. "Priester haben kleine Jungen und Mädchen vergewaltigt und die Männer Gottes, die für sie verantwortlich gewesen wären, haben nicht nur nichts getan – sie haben alles versteckt", heißt es in dem Bericht. "Die Kirche hat ihre Institutionen geschützt – kostete es, was es wolle."

Mitgefühl für Täter statt für Opfer

In der Diözese Pittsburgh habe sich eine Gruppe von vier Priestern gemeinsam an Jungen vergangen – einen sollen sie gezwungen haben, in einem Pfarrhaus nackt die Pose Jesu am Kreuz einzunehmen, so die Justizbehörden. Dem Bericht zufolge vergewaltigten und schwängerten Priester junge Mädchen. In einem Fall sei eine Abtreibung arrangiert worden. Der zuständige Bischof habe anschließend sein Mitgefühl ausgedrückt – nicht mit dem Opfer, sondern mit dem Priester. "Es muss eine sehr schwere Zeit für Sie sein."

Fast alle Taten verjährt

Shapiro sprach von einer "jahrzehntelangen Vertuschung" durch ranghohe Kirchenobere in Pennsylvania und bis in den Vatikan. Dies habe dazu geführt, dass kaum einer der Fälle heute noch strafrechtlich verfolgt werden könne – fast alle der Taten seien verjährt. Straffällig gewordene Priester seien routinemäßig in andere Gemeinden versetzt worden. Die Gemeindeglieder seien nicht in Kenntnis gesetzt worden.

Erzbischof wies Rücktrittsforderungen zurück

Der Erzbischof von Washington und frühere Bischof von Pittsburgh in Pennsylvania, Donald Wuerl, hatte bereits am 13.08.2018 in einem Brief an den Klerus davor gewarnt, der Bericht werde "grundlegend erschreckend" sein. "Der Report wird eine Erinnerung an schwere Verfehlungen sein, die die Kirche anerkennen muss und für die sie um Vergebung bitten muss", heißt es in dem Schreiben. Er widersprach jedoch der Darstellung, die Kirche habe nichts gegen die Vorkommnisse unternommen. Es seien auch Maßnahmen zum Opferschutz und zur Hilfe für Betroffene ergriffen worden. In einem Interview des Senders CBS, das kurz vor Veröffentlichung des Berichts ausgestrahlt wurde, wies Wuerl Forderungen nach seinem Rücktritt zurück.

Mehrere Priester versuchten Veröffentlichung des Berichts zu verhindern

Mehrere der identifizierten Geistlichen hatten sich gegen die Veröffentlichung ihres Namens gewehrt, was die Publikation des Berichts verzögert hat. Erst vor wenigen Wochen hatte Papst Franziskus den Rücktritt von Kardinal Theodore McCarrick, dem früheren Erzbischof von Washington, angenommen und ihm unter dem Druck von Missbrauchsvorwürfen zudem Hausarrest verordnet.

Redaktion beck-aktuell, Michael Donhauser, 16. August 2018 (dpa).