Union will sich bei Wahlrechtsreform noch nicht festlegen

Im Streit über die Reform des Wahlrechts hat die CDU-Spitze sich nach Angaben von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer noch nicht auf eine Linie festgelegt. Zuvor hatten Teilnehmer einer Präsidiumssitzung berichtet, die CDU-Spitze sei offen für eine Verringerung der Zahl der 299 Wahlkreise, beispielsweise um 10%. Dagegen sprach sich umgehend die CSU aus. Die Fraktionen im Bundestag ringen seit langem um eine Reform, mit der die Zahl der Abgeordneten reduziert werden soll – größter Streitpunkt ist die Zahl der Wahlkreise und damit der Direktmandate.

Grüne rügen Uneinigkeit innerhalb der Union

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, kritisierte: "Jetzt lässt die CDU den Ansatz von Überlegungen erkennen, sich auf eine notwendige Reduzierung von Wahlkreisen einzulassen, da kassiert die Schwesterpartei CSU den Vorschlag postwendend wieder ein." Die Koalition müsse sich jetzt endlich bewegen.

Derzeitiger Bundestag weist Rekordgröße auf

Das Parlament war bei der jüngsten Wahl wegen zahlreicher Überhang- und Ausgleichsmandate auf die Rekordgröße von 709 Abgeordneten angewachsen. Das Bundeswahlgesetz sieht eigentlich eine Anzahl von 598 Abgeordneten vor.

Kramp-Karrenbauer: Kleinerer Bundestag erforderlich

Kramp-Karrenbauer sagte am 18.01.2020 nach einer Klausur der CDU-Spitze in Hamburg: "Wir sind im Moment noch nicht in einer Situation, dass wir schon konkret auch eine Festlegung im Präsidium getroffen hätten." Alle seien sich einig, dass der Bundestag verkleinert werden müsse. Die Frage der Direktmandate müsse die CDU sehr sorgsam angehen, weil die direkt gewählten Abgeordneten in einer besonders engen Beziehung zu den Bürgern stünden.

CSU für Beibehaltung der Wahlkreise

Die CSU unterstrich, sie strebe eine Höchstgrenze von 650 Mandaten an und eine Beibehaltung der Zahl der Wahlkreise. "Eine Reduzierung der Wahlkreise verhindert nicht ein weiteres Aufblähen des Bundestags", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der Wahlkreise habe sich seit 2002 nicht verändert, der Bundestag sei in dieser Zeit allerdings deutlich größer geworden. Auch der CDU-Abgeordnete Axel Fischer sprach sich gegen eine Reduzierung der Bundestagswahlkreise aus. Die Union aus CDU und CSU verfügt über besonders viele Direktmandate im Bundestag.

FDP, Linke und Grüne für Reduzierung der Wahlkreise

FDP, Linke und Grüne hatten dagegen vorgeschlagen, die Zahl der Wahlkreise auf 250 zu reduzieren. Die Zeit für eine Reform drängt, weil bereits in wenigen Wochen die Vorbereitungen für die nächste Bundestagswahl anlaufen, die regulär im Herbst 2021 stattfinden wird. Im Jahr 2019 hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) keine Mehrheit für seinen Vorschlag bekommen, die Zahl der Wahlkreise von derzeit 299 auf 270 zu verringern und bis zu 15 Überhangmandate nicht durch Ausgleichsmandate zu kompensieren. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreise direkt gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis an Sitzen zusteht. Damit trotzdem alle Parteien im Verhältnis ihrer Zweitstimmen im Parlament vertreten sind, erhalten andere Parteien im Gegenzug Ausgleichsmandate.

AfD rügt Aktionismus

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch forderte: "Die Union muss endlich etwas Konkretes vorlegen und nicht weiter abstrakt reden und verzögern wie seit Jahren." Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stefan Ruppert, betonte, durch die Reform dürfe sich keine Partei einen Vorteil erhoffen. Die AfD sprach mit Blick auf die kolportierten CDU-Überlegungen von Aktionismus. "Das ist ein ungangbarer Weg, der das Problem nicht löst", sagte der Fraktionsbeauftragte für die Wahlrechtsreform, Albrecht Glaser, der dpa.

Ziel der SPD: "Paritätisch besetzter Bundestag"

Für die SPD erklärte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider, seine Fraktion sehe Chancen für eine Einigung in den nächsten Wochen. Er betonte: "Auch nach der Reform muss sich das Wählervotum nach der Zweitstimme über die Sitzverteilung im Bundestag abbilden. Das ist entscheidend." Neben einer Verkleinerung sei das Ziel der SPD ein "paritätisch besetzter Bundestag".

Unionsfraktionschef drängt auf Einigung

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sagte der dpa: "Nichtstun ist die schlechteste Option in dieser Angelegenheit. Und deswegen sind wir alle aufgerufen, in den nächsten Wochen, also bis spätestens zum Juni, eine Einigung hinzukriegen." Alle müssten dazu ihren Beitrag leisten, "auch wir als Union". Brinkhaus unterstrich, die Zuordnung der Abgeordneten zu den Wahlkreisen sei "ein ganz wichtiger Pfeiler der Legitimität des Deutschen Bundestages".

Redaktion beck-aktuell, 20. Januar 2020 (dpa).