Trotz stetigen Zuspätkommens keine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis

Der Dienstherr ist verpflichtet, bei Bekanntwerden wiederholter morgendlicher Verletzungen der Kernarbeitszeit zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend durch niederschwellige disziplinare Maßnahmen zeitnah auf den Beamten einzuwirken. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden und hervorgehoben, dass eine aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichgesetzt werden könne.

Ständiges morgendliches Zuspätkommen

Der beklagte Beamte war Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der klagenden Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Im März 2015 erlangte die Klägerin Kenntnis davon, dass der Beklagte in einer Vielzahl von Fällen die Kernarbeitszeit nicht eingehalten hatte, weil er morgens zu spät gekommen war. Daraufhin leitete die Klägerin im November 2015 ein Disziplinarverfahren ein.

Aus Beamtenverhältnis entfernt

Auf die 2018 erhobene Disziplinarklage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt, weil er im Zeitraum zwischen 2014 und 2018 an insgesamt 816 Tagen bei bestehender Dienstfähigkeit den Dienst bewusst erst nach Beginn der Kernarbeitszeit angetreten habe; der Umfang seiner Verspätung summiere sich auf 1.614 Stunden.  Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen. Ein vorsätzliches Fernbleiben vom Dienst über einen Zeitraum von mehreren Monaten oder ein Fernbleiben für Teile von Arbeitstagen, das in der Summe einen vergleichbaren Gesamtzeitraum erreiche, indiziere die Höchstmaßnahme. Mildernde Umstände, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme geböten, lägen nicht vor.

Beamter lediglich zurückzustufen

Das sah das BVerwG anders. Es hat auf die Revision des Beklagten die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und kraft eigener disziplinarer Maßnahmebemessung den Beamten in das Amt eines Regierungsrats (Besoldungsgruppe A 13 BBesO) zurückgestuft. Der Beamte habe zwar ein schweres Dienstvergehen begangen, weil er über einen langen Zeitraum wiederholt die dienstliche Anordnung zum Beginn der Kernarbeitszeit nicht befolgt hat; der verspätete Dienstantritt sei die Regel gewesen. Die disziplinare Höchstmaßnahme sei aber nicht gerechtfertigt, meint das BVerwG. Denn die aufaddierte Gesamtzeit der täglichen Verspätungen könne in ihrer Schwere nicht einem monatelangen unerlaubten Fernbleiben vom Dienst gleichgesetzt werden. Mildernd sei bei der Maßnahmebemessung hier zu berücksichtigen, dass der Dienstherr bei zeitlich gestreckten Dienstpflichtverletzungen zunächst dem Verhältnismäßigkeitsgebot entsprechend mit niederschwelligen disziplinaren Maßnahmen auf den Beamten einwirken müsse.

Kürzung der Dienstbezüge als milderes Mittel

Im Streitfall wäre laut BVerwG in Betracht gekommen, nach dem Bekanntwerden der Kernzeitverstöße im März 2015 zeitnah mit einer Disziplinarverfügung die Dienstbezüge zu kürzen, so die BVerwG-Richter. Allerdings stehe diesem Milderungsgrund gegenläufig als besonders belastender Umstand gegenüber, dass der Beamte sein Fehlverhalten auch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens uneinsichtig und beharrlich fortgesetzt und dabei die Dauer seiner morgendlichen Fehlzeiten in erheblichem Umfang gesteigert habe. Dagegen sei kein mildernder Umstand darin zu sehen, dass die Zeit der morgendlichen Verspätungen durch abendliche Längerarbeit ausgeglichen wurde. Andernfalls läge darin eine Nichterfüllung der Gesamtarbeitszeit, die als weitere vorwerfbare Dienstpflichtverletzung hinzutreten würde, heißt es in der Entscheidung weiter.

BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 2 C 20.21

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 29. März 2023.