Abgeordnete der CDU-Fraktion des Niedersächsischen Landtags waren der Auffassung, dass das Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2022/2023 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2023) vom 3. Mai 2023 und das Haushaltsbegleitgesetz zum zweiten Nachtragshaushalt des Haushaltsjahres 2023 vom 3. Mai 2023 mit der Niedersächsischen Verfassung unvereinbar und somit nichtig seien.
Zur Begründung führten die Abgeordneten an, sie wären in ihrem Recht auf gleichberechtigte Beteiligung im parlamentarischen Entscheidungsprozess verletzt worden. Diese Verletzung liege in einer unangemessen kurzen Beratungsdauer im Haushaltsausschuss. Die Abgeordneten hätten nur zwei Tage Zeit gehabt, um die Änderungsvorschläge von SPD und Grünen zu den Gesetzesentwürfen zu durchdringen. Das sei in diesem kurzen Zeitraum allerdings nicht möglich.
NStGH: Keine Verfahrensmängel
Der Antrag blieb erfolglos (Urteil vom 14.08.2025 – StGH 1/24). Es seien keine Verfahrensmängel erkenntlich, die zu einer formellen Verfassungswidrigkeit der Gesetze führten, erklärte der StGH. Es sei richtig, dass alle Abgeordneten das Recht haben, gleichermaßen an der parlamentarischen Willensbildung mitzuwirken (Art. 12 und Art. 19 Abs. 2 Satz 1 NV). Diese Teilhabe umfasse das Recht, sich über einen Beratungsgegenstand mithilfe von ausreichenden Informationen eine eigene Meinung bilden zu können und somit an der Beratung und Beschlussfassung des Parlamentes mitwirken zu können.
Jedoch bewirke nicht jede Verletzung der im Innenverhältnis zum Landtag bestehenden Abgeordnetenrechte die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes. Ein Gesetz sei nur dann verfassungswidrig, wenn das Verfahren, in dem das Gesetz beschlossen wird, nicht mehr den demokratischen Anforderungen genüge und der Beschluss aufgrund einer missbräuchlichen Verfahrensgestaltung erfolge. Der Bezugspunkt für diese Feststellung sei die Schlussabstimmung im Plenum, denn erst dort werde der Inhalt des Gesetzes rechtsverbindlich festgestellt.
Eine Verletzung der Abgeordnetenrechte in einer früheren Phase des Prozesses, wie hier bereits im Haushaltsausschuss, führe daher nicht zu einer Unvereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung.
Verstoß muss innenparlamentarischen Bereich verlassen
Die demokratischen Anforderungen seien nicht gewahrt, wenn die Parlamentsmehrheit im Plenum ohne jeden Sachgrund ein Gesetzgebungsverfahren beschleunigt oder in manipulativer Absicht in der Plenardebatte Teilhaberechte der Abgeordneten abschneidet, etwa zur Unterbindung einer kritischen Debatte oder mit dem Ziel, eine gesetzliche Regelung vor den Augen der Öffentlichkeit zu verstecken.
Dasselbe gelte auch dann, wenn den Abgeordneten kein ausreichender Zeitraum zur Auseinandersetzung mit der Beschlussempfehlung gewährt werde. In diesen Fällen sei nicht nur der innenparlamentarische Bereich berührt, sondern auch der Gesetzgebungsakt im Außenverhältnis. Dem Gesetzgebungsakt fehle es an der demokratischen Legitimation. Unterhalb dieser Schwelle könnten Abgeordnetenrechte in einem Organstreitverfahren geltend gemacht werden.
Es sei hier nicht von Bedeutung, ob die Abgeordnetenrechte im Ausschuss gewahrt wurden. Die abschließende Beratung und Beschlussfassung im Plenum habe jedenfalls den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprochen. Gemäß § 29 GO des Landtags könne die Beschlussfassung frühestens am zweiten Tag nach der Verteilung der Beschlussempfehlung des Ausschusses stattfinden. Diese Vorschrift sei eingehalten worden. Auch seien die eingereichten Vorschläge nicht übermäßig umfangreich oder komplex gewesen.