Prozesse drohen zu platzen: Länder fordern StPO-Änderung

Mehrere Bundesländer warnen davor, dass derzeit Strafprozesse platzen könnten. Wie das Niedersächsiche Justizministerium am Montag mitteilte, sei Grund das Auslaufen einer vom Bundesgesetzgeber im März 2020 geschaffenen, zeitlich befristeten Vorschrift, wonach Gerichtsprozesse aufgrund von Infektionsschutzmaßnahmen länger als üblich unterbrochen werden konnten. Diese Regelung ist zum 30.06.2022 entfallen. Gefordert wird eine Nachfolgeregelung.

Neuregelung im Herbst zu spät?

Insbesondere Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein setzten sich für eine zeitnahe Lösung ein. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte in der vergangenen Woche gegenüber den Bundesländern angekündigt, dass die Regelung erst mit dem Corona-Maßnahmenpaket zum Herbst 2022 wieder in Kraft gesetzt werden soll. Das ist den genannten Bundesländern zu spät. "Die Infektionen greifen nur so um sich. Gerichte und Staatsanwaltschaften benötigen dringend und vor allem zügig mehr Flexibilität", betonte Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU). Versäume man die bestehenden Unterbrechungsfristen nur um einen Tag, müsse die komplette Verhandlung neu begonnen werden. Das sei nicht nur für die Gerichte frustrierend und für die Opferzeugen belastend – es koste den Steuerzahler auch sehr viel Geld.

Justizminister der Länder: Regelung hätte durchgehend bestehen bleiben sollen

Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) ergänzte: "Der Bundesjustizminister greift mit der angekündigten Wiedereinführung der Hemmung von Unterbrechungsfristen endlich eine Forderung aus der Praxis auf, für die sich auch Hessen stark gemacht hat. Besser wäre es gewesen, die Regelung durchgehend bestehen zu lassen." Es sei unverständlich, dass die Regelung überhaupt gestrichen wurde, kritisiert er. In einem gemeinsamen Brief teilen die Länder dem Bundesminister der Justiz mit, dass sie den durch die Regelungslücke eingetretenen Zustand in Anbetracht des aktuellen Pandemiegeschehens für bedenklich halten. Er sei geeignet, die Praxis des Strafverfahrens vor ganz erhebliche Schwierigkeiten zu stellen. So werde die Effektivität der Strafrechtspflege unter den Bestimmungen des geltenden Rechts zur Unterbrechung der Hauptverhandlung und gerade auch mit Blick auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen ernsthaft in Frage gestellt. Einen Sachgrund, den allseits als unentbehrlich erachteten Hemmungstatbestand nicht unmittelbar wiedereinzuführen, sondern die Regelung in das für den Herbst angekündigte Corona-Maßnahmenpaket zu integrieren, würden sie nicht erkennen.

Bundesratsinitiative geplant

Niedersachsen kündigte zudem eine Bundesratsinitiative an. Danach soll der Sachgrund der "höheren Gewalt" unbefristet in die Strafprozessordnung aufgenommen werden, um Unterbrechungsfristen zu hemmen. Damit solle außergewöhnlichen Lagen künftig Rechnung getragen werden, zum Beispiel im Falle von Naturkatastrophen oder anderen Seuchen.

Redaktion beck-aktuell, 8. August 2022.