Positionspapier der Neuen Richtervereinigung: Lehren für die Justiz aus der Corona-Krise

Die Neue Richtervereinigung (NRV) hat am 15.04.2020 ein Positionspapier zur Situation der deutschen Justiz in der Corona-Krise vorgelegt. Darin zeigt sie auf, was die Justiz ihrer Meinung nach aus dieser Krise für die Zukunft lernen muss.

Gewaltenteilung verbietet "Abschaltung" der Gerichte durch Exekutive

Mit Blick auf die unterschiedlichen Reaktionen der Gerichtsverwaltungen auf die Corona-Pandemie, die bis hin zum vollständigem Shutdown der Gerichte, zum Teil mit Betretungsverboten für die Richter, reichten, mahnt die NRV die Bedeutung der Rechtsprechung als dritte Säule der Gewaltenteilung an. Es könne nicht sein, dass die Exekutive die Judikative "abschalten" kann. Der Verband betont, dass auch und gerade in der Krise die Kontrollfunktion der Rechtsprechung gegenüber der Verwaltung uneingeschränkt erhalten bleiben müsse.

Selbstverwaltung der Judikative notwendig

Als weitere Lehre aus der Corona-Krise fordert die NRV eine parlamentarisch legitimierte Selbstverwaltung der Judikative. Dies sei zwingend erforderlich, um die Gewaltenteilung krisenfest abzusichern und Richter in Krisen zu schnellen organisatorischen Maßnahmen zu befähigen.

Praktische Bedingungen für Gerichtsverhandlungen schaffen

Darüber hinaus müsse der praktische Rahmen geschaffen werden, um in einer Krise die Funktionsfähigkeit der Justiz zu gewährleisteten. So fehle es etwa an wirksamen Schutzausrüstungen (Schutzkleidung, Masken) oder technischen Einrichtungen (etwa Videoanhörungsmöglichkeiten). Ferner seien besondere Räume und Ausstattungselemente (zum Beispiel Sicherheitsscheiben) erforderlich, um Verhandlungen unter Einhaltung der Abstandsgebote und sonstiger Sicherheitsvorkehrungen durchführen zu können. Hingegen sieht der NRV keinen Bedarf an weiteren Sonderregelungen oder eines Verfahrensrechts "light". Der NRV fordert zudem allgemein zu regeln, welche justiziellen Leistungen stets gewährleistet sein müssen.

Justiz digital aufrüsten

Ferner beklagt der NRV eine vielerorts immer noch rückständig ausgestattete Justiz und fordert ein technisches Upgrade zur flächendeckenden Einführung moderner Arbeitsplätze. Dabei müssten neue (digitale) Arbeits- und Verhandlungsformen vorangebracht werden. Der NRV betont aber, dass Online-Gerichte nicht das Ziel seien, sondern vielmehr "Präsenz-Gerichte" die Qualität der Justiz ausmachten und zur Gewährleistung des Öffentlichkeitsprinzips erforderlich seien.

Redaktion beck-aktuell, 16. April 2020.