VG: Mangels ernsthafter individueller Bedrohung kein subsidiärer Schutz
Nach Ablehnung seines Asylantrags durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erhob der Kläger, ein junger Mann mit afghanischer Staatsangehörigkeit, Klage, die das Verwaltungsgericht abwies. Die Anerkennung als Asylberechtigter komme ebenso wie die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht in Betracht, weil das von ihm geschilderte Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes wegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts lägen ebenfalls nicht vor. Dagegen beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung. Er machte geltend, nach der aktuellen Sicherheitslage sei mittlerweile von einer landesweiten Bedrohung in Afghanistan auszugehen.
OVG: Keine landesweite individuelle Bedrohung in Afghanistan gegeben
Das OVG hat die VG-Entscheidung bestätigt und den Zulassungsantrag abgelehnt. Die Ausprägung des Konflikts in Afghanistan sei regional unterschiedlich. Das OVG habe in seiner bisherigen Entscheidungspraxis für mehrere afghanische Provinzen angenommen, dass der Grad willkürlicher Gewalt durch den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kein so hohes Niveau erreiche, dass für jede dorthin zurückkehrende Zivilperson eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit bestehe. Die bisher ergangene sonstige obergerichtliche Rechtsprechung komme ebenfalls durchgängig zu dem Ergebnis, dass in Afghanistan jedenfalls keine landesweite individuelle Bedrohung jeder sich im Staatsgebiet aufhaltenden Zivilperson im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts anzunehmen sei, sondern habe für einzelne Regionen eine entsprechende Gefährdung verneint.
Verschlechterung der Sicherheitslage ändert Bewertung nicht
Auch aufgrund vorliegenden aktuellen Erkenntnismittel – unter anderem der aktuellen Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes vom 28.07.2017 – ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass nunmehr landesweit von einer solchen ernsthaften individuellen Bedrohung jedes Rückkehrers in Afghanistan auszugehen sei, so das OVG weiter. Zwar habe sich die Sicherheitslage in Afghanistan insgesamt seit Anfang 2016 deutlich verschlechtert. Insgesamt lasse sich allerdings feststellen, dass die Bedrohungslage sowohl in Bezug auf Angriffe gegen administrative Einrichtungen, Sicherheitsorgane sowie auf westliche Staatsangehörige, Einrichtungen und Hilfsorganisationen als auch hinsichtlich der Bedrohung der einheimischen Zivilbevölkerung in den einzelnen Provinzen stark unterschiedlich sei.
Bedrohungslage in den einzelnen Provinzen sehr unterschiedlich
In den ländlichen Gebieten forderten vor allem Kampfhandlungen am Boden und improvisierte Sprengsätze Opfer unter der Zivilbevölkerung, so das OVG. Dabei seien die höchsten Opferzahlen in der südlichen und in der östlichen Region zu verzeichnen. Demgegenüber stelle sich die Situation im Nordosten – bei einer Konzentration der Kampfhandlungen um Kunduz und den Kunduz-Baghlan-Korridor – und im Westen sowie in der zentralen Hochlandregion insgesamt gesehen als vergleichsweise ruhig dar. Die städtische Bevölkerung insbesondere in Kabul werde vor allem durch Selbstmordanschläge, komplexe Attacken, gezielte Tötungen sowie Entführungen und Bedrohungen betroffen. Zwar weise die Opferzahl in der Provinz Kabul im ersten Halbjahr 2017 den höchsten absoluten Wert in Afghanistan auf. Gleichzeitig lebten in dieser Provinz aber mit 4,4 Millionen Menschen die meisten Einwohner. Die relative Zahl der zivilen Opfer bewege sich dort im landesweiten Durchschnitt. Weiterhin ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass oppositionelle Gruppen – wie die Taliban – weite Teile des Landes beherrschten.