OLG Schleswig: Kein sittenwidriger Schädigungsvorsatz bei Verwendung einer Abgasabschalteinrichtung in Form eines Thermofensters

Der Käufer eines Fahrzeugs kann von dem Hersteller keinen Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit der Begründung verlangen, das Fahrzeug sei mit einer Abschalteinrichtung ausgestattet, die die Abgasreinigung in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur verändere ("Thermofenster"). Das hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht mit Urteil vom 18.09.2019 entschieden und die Klage eines Autokäufers abgewiesen (Az.: 12 U 123/18). Revision ist nach Mitteilung des Gerichts eingelegt.

Klage in Vorinstanz erfolgreich

Der Kläger im zugrundeliegenden Fall kaufte 2012 einen gebrauchten Pkw Mercedes Benz, Typ 220 CDI mit einem Dieselmotor des Typs OM 651. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs. Der Pkw weist die Abgasnorm "Euro 5" auf und ist mit einem sogenannten Thermofenster ausgestattet. Dabei handelt es sich um eine Steuerungssoftware, die die Abgasrückführung temperaturabhängig reguliert und die Abgasrückführung bei kühleren Außentemperaturen reduziert. Der Kläger meint, es handele sich um eine unzulässige Abgasabschalteinrichtung und verlangt von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht Itzehoe hatte der Klage stattgegeben.

OLG: Kein Schädigungsvorsatz

Die Berufung der Beklagten vor dem OLG hatte Erfolg. Das Gericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Ob es sich bei dem "Thermofenster" um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 2 Satz 1  der EG-Verordnung 715/2007 handelt, ist in der Rechtsprechung umstritten. Diese Frage müsse vorliegend jedoch nicht entschieden werden, denn es fehle jedenfalls an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz der Beklagten. Ein derartiger Schädigungsvorsatz setze voraus, dass der Schädiger die Schädigung erkannt beziehungsweise vorausgesehen, in seinen Willen aufgenommen und sie billigend in Kauf genommen hat. Das lasse sich hier nicht feststellen.

Nicht offensichtlich auf "Überlistung" der Prüfungssituation ausgelegt

Anders als in den Fällen des Motors EA 189 sei es hier nicht so, dass auf dem Prüfstand andere Abgasrückführungsmodi aktiviert werden als auf der Straße. Vielmehr werde beim "Thermofenster" die Abgasrückführung temperaturabhängig stärker oder weniger stark aktiviert. Das Thermofenster unterscheide somit nicht zwischen Prüfstand und realem Betrieb, sondern richte sich nach der Außentemperatur und sei damit nicht offensichtlich auf eine "Überlistung" der Prüfungssituation ausgelegt.

Existenz eines "Thermofensters" allein reicht nicht aus

Könnten vom Hersteller – wie hier – zusätzlich Gesichtspunkte des Motor- beziehungsweise Bauteilschutzes als Rechtfertigung für den Einbau der Anschalteinrichtung ernsthaft vorgebracht werden, so könne nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Verantwortlichen der Beklagten in dem Bewusstsein gehandelt haben, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Anders als in den Fällen einer Umschaltlogik, wie sie bei dem MotorEA 189 vorliege und wo sich aufdränge, dass eine solche gesetzeswidrig sei, könne das für ein "Thermofenster" nicht ohne weiteres vermutet werden. Könne dementsprechend aus der bloßen Existenz eines "Thermofensters" nicht auf einen Schädigungsvorsatz geschlossen werden, hätte der Kläger Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, dass die Beklagte die Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung zumindest billigend in Kauf genommen hat. Daran fehle es aber, entschied das Gericht.

OLG Schleswig , Urteil vom 18.09.2019 - 12 U 123/18

Redaktion beck-aktuell, 10. Oktober 2019.