Hundestaffel auf dem Weg zur Bombe: Trotz Überholverbot haftet Unfallgegnerin allein
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Die fehlenden Schulterblicke wurden einer Linksabbiegerin zum Verhängnis: Für die Kollision mit einem Einsatzfahrzeug der Rettungshundestaffel sah das OLG Schleswig die Schuld nun bei ihr. Die Einsatzkräfte fuhren unter "Vollalarm" – und daher mit Sonderrechten.

Für das Verschulden von Linksabbiegerinnen und Linksabbiegern greift ein Anscheinsbeweis – dabei vermuten Gerichte, dass die erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wurde. Der Fahrerin eines Kastenwagens ist es vor dem OLG Schleswig nun nicht gelungen, sich von dieser Vermutung zu befreien. Das Fahrzeug der Rettungshundestaffel, mit dem sie kollidierte, hatte während einer Einsatzfahrt Sonderrechte. Damit überwog ihre eigene Pflichtverletzung vollständig, meint das OLG (Beschluss vom 06.06.2025 – 7 U 87/24).

Ein Ford Transit, eine Straße mit Überholverbot: Die Fahrerin des Kastenwagens wähnte sich in Sicherheit und bog in die Auffahrt einer Tankstelle ein, übersah dabei aber ein Fahrzeug mit Blaulicht, das sich von hinten näherte. Das Einsatzfahrzeug war gerade unter "Vollalarm" zu einer Bombenentschärfung gerufen worden und daher eilig auf dem Weg zum Einsatzort. Es kollidierte mit dem hinteren Teil des Kastenwagens, an dem ein Schaden in Höhe von knapp 24.000 Euro entstand.

Der Fahrzeughalter klagte daraufhin gegen die Rettungshundestaffel sowie den Führer des Einsatzfahrzeugs und forderte über 10.000 Euro Schadensersatz. Er war der Ansicht, das Fahrzeug sei weder zu sehen noch zu hören gewesen und habe außerdem mit unangepasster Geschwindigkeit unerlaubt überholt. Die Gegenseite trug vor, das Fahrzeug sei unter Blaulicht und Einsatzhorn gefahren, wobei nicht erkennbar gewesen sei, dass der Kastenwagen überhaupt abbiegen wollte.

Das OLG Schleswig pflichtete nach der Berufung des Fahrzeughalters nun der Vorinstanz bei und verneinte den Schadensersatzanspruch.

Zwei Schulterblicke zu wenig

Das Landgericht war nicht zur Überzeugung gekommen, dass die Fahrerin weder Schulterblicke gemacht oder rechtzeitig geblinkt habe. Da für Linksabbiegerinnen und Linksabbieger ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden gelte, hätte die Fahrerin das eigene Verschulden ausräumen müssen. Das sei ihr allerdings nicht gelungen.

Die Gegenseite habe hingegen keine Schuld getroffen. Das Einsatzfahrzeug sei wegen der Alarmierung auf berechtigter Einsatzfahrt gewesen und daher nach § 35 Abs. 5a StVO von den Regeln der StVO – insbesondere dem Überholverbot des § 5 Abs. 3 StVO - befreit gewesen. Bei einer Einsatzfahrt dürften Fahrerinnen und Fahrer grundsätzlich davon ausgehen, dass wegen der gebotenen Eile Sonderrechte in Anspruch genommen werden dürfen.

Im Zweifel stehen bleiben

Das Berufungsgericht bestätigte diese Einschätzung. Dem Senat scheine es unwahrscheinlich, dass die Fahrerin das heraneilende Einsatzfahrzeug – zumindest mit Blaulicht – nicht gesehen haben soll. Sie habe nicht einmal behauptet, zwei Schulterblicke gemacht zu haben, der Verkehrsverstoß sei insoweit evident. Die Umstände würden vielmehr darauf hindeuten, dass die Fahrerin im Vertrauen darauf abgebogen sei, im Überholverbot vor von hinten kommenden Fahrzeugen sicher zu sein.

Das Einsatzfahrzeug sei hingegen in der Tat berechtigt gewesen, an dieser Stelle trotz Überholverbot am Kastenwagen vorbeizufahren. Dabei könne offenbleiben, ob die Sonderrechte nun wegen der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben durch den Katastrophenschutz (§ 35 Abs. 1 StVO) oder wegen der gebotenen Eile (§ 35 Abs. 5a StVO) eingegriffen hätten.

Gem. § 17 Abs. 1 StVO seien die verschiedenen Verschuldensbeiträge hier gegeneinander abzuwägen. Der Senat betonte, dass die Betriebsgefahr auf beiden Seiten erhöht gewesen sei. Beim Kastenwagen aufgrund der eingeschränkten Sicht nach hinten, beim Einsatzfahrzeug gerade wegen der Inanspruchnahme der Sonderrechte bzw. dem sonst unerlaubten Überholvorgang.

Das verfange hier allerdings nicht, da das Verschulden der Fahrerin besonders gewichtig gewesen sei. § 9 Abs. 5 StVO verlange von Abbiegenden gerade, dass die sich "so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen" sei. Hinzu trete noch ein weiterer Verkehrsverstoß in der Form, dass entgegen § 38 StVO einem Einsatzfahrzeug nicht "sofort freie Bahn" gemacht worden sei. Dabei sei es eine Frage des Einzelfalls, wann genau in diesem Sinne "freie Bahn" gemacht wurde. Im Zweifel hätte die Fahrerin mit dem Transporter "einfach stehen bleiben müssen".

Schließlich half es der Fahrerin auch nicht, dass es nicht auf der Fahrbahn, sondern im Bereich der Tankstelleneinfahrt zur Kollision gekommen war. Darauf komme es hier nicht an – so das Gericht – unfallursächlich und damit maßgeblich sei das fehlerhafte Abbiegen an sich. 

OLG Schleswig, Beschluss vom 06.06.2025 - 7 U 98/24

Redaktion beck-aktuell, tbh, 8. August 2025.

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