OLG Oldenburg: Anforderungen an Überholvorgang im Sinn des § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB

StGB § 315c I Nr. 2b; StVO §§ 2 I, 10 S. 1, 49 I Nr. 2, Nr. 10; StVG § 24; OWiG § 19 I

Ein Überholvorgang im Sinne des § 315c Abs. 1 Nr. 2b) StGB kommt im Fall des Vorbeifahrens auf außerhalb der Fahrbahn belegenen Flächen nur in Betracht, wenn der Überholvorgang auf der Fahrbahn selbst seinen Ausgang genommen hat. Dies hat das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden.

OLG Oldenburg, Beschluss vom 22.10.2018 - 1 Ss 173/18 (LG Aurich), BeckRS 2018, 30222

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 25/2018 vom 20.12.2018

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Sachverhalt

Der Angeklagte hatte über Nacht sein Fahrzeug zwischen Wohnhaus und dem gepflasterten Gehweg geparkt. Als er morgens wegfahren wollte, herrschte auf der Straße dichter stockender Verkehr. Daher entschloss sich der Angeklagte, nicht direkt auf die Straße zu fahren, sondern den Weg bis zur nächsten Querstraße, rund 15 m, mit einer Geschwindigkeit von 10-15 km/h auf dem Gehweg zurückzulegen. An der erwähnten Querstraße wollte er wenden. Gleiches plante auch ein anderer Verkehrsteilnehmer, der auf der Straße fuhr. Durch sein Manöver zwang der Angeklagte den Zeugen, das Fahrzeug abrupt abzubremsen. Es kam in Abstand von wenigen Millimetern vor dem Crash zum Stehen.

Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe verurteilt, die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von 6 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen. Die Berufung des Angeklagten gegen dieses amtsgerichtliche Urteil hatte insofern Erfolg, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis und die angeordnete Sperrfrist entfielen. Gleichwohl legte der Angeklagte auch noch Revision ein.

Rechtliche Wertung

Die Revision hat Erfolg. Das landgerichtliche Urteil wurde aufgehoben, jedoch bleiben die getroffenen Feststellungen aufrecht erhalten. Wegen vorsätzlichen Verstoßes der Straßenbenutzung außerhalb der Fahrfläche wurde der Angeklagte numehr zu einer Geldbuße von 40 EUR verurteilt.

Die Feststellungen des Landgerichts tragen eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs nach Auffassung des OLG schon deshalb nicht, weil der Angeklagte sein Fahrmanöver nicht auf der Fahrbahn begann, sondern auf einem Streifen vor dem Haus und dem Gehweg. Damit liege kein in § § 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB gefordertes Überholen vor. Zwar setze der Begriff des Überholens eine Bewegung aus derselben Fahrbahn nicht zwingend voraus. Bei Bewegungsvorgängen außerhalb der Fahrbahn allerdings könne nicht jedes Vorbeifahren an einem anderen von hinten in derselben Richtung als überholen gewertet werden.

Praxishinweis

Der Strafsenat setzt sich mit dem Begriff des Überholens sehr eingehend auseinander. Literatur und Rechtsprechung werden reichhaltig zitiert. Heraus kommt ein Ergebnis, das auf den ersten Blick überrascht. Nach dem Lesen dieses Beschlusses des OLG Oldenburg allerdings wird auch dem Fachmann klar: Natürlich und anders kann es gar nicht sein. Deshalb stellen wir diese Entscheidung hier vor.

Redaktion beck-aktuell, 4. Januar 2019.