OLG Naumburg: Kein Ausschluss des Versicherungsschutzes für Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung bei Hobbywerkstatt

BGB §§ 1643, 1822 Nr. 1; VVG § 86 I 1

1. Der Ausschluss des Versicherungsschutzes für Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) für die Privathaftpflichtversicherung setzt ein Verhalten voraus, das auf längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten.

2. Das Betreiben einer Kfz-Hobbywerkstatt, die mit Propangas geheizt wird und in der Schweißarbeiten durchgeführt werden, ist keine solche ungewöhnliche Beschäftigung.

OLG Naumburg, Urteil vom 02.05.2019 - 4 U 95/18, BeckRS 2019, 16354

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 17/2019 vom 22.08.2019

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Sachverhalt

Die Klägerin ist Gebäude- und Hausratversicherer des B. R. und nimmt die Beklagte auf Ersatz eines Schadens in Anspruch, der von dem Versicherungsnehmer S. H. der Beklagten verursacht worden war.

Am 05.02.2014 unternahm es der S. H., in seiner in einer Scheune befindlichen Hobbywerkstatt, einen Gastank zu entleeren, den er in ein Fahrzeug einbauen wollte. Dabei kam es zu einer Explosion, bei der S. H. ums Leben kam, die Scheune zerstört und auch das im Eigentum des Versicherungsnehmers der Klägerin B. R. stehende benachbarte Objekt beschädigt wurde. Die Erbin des S.H. hat ihre Ansprüche gegen die Beklagte an die Klägerin abgetreten.

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben.

Rechtliche Wertung

Der Senat weist die Berufung der Beklagten zurück.

Die Beklagte sei aus dem zwischen ihr und S. H. zu Stande gekommenen Haftpflichtversicherungsvertrag zur Deckung des durch die von S. H. verursachten Explosion an den Gebäuden des B. R. entstandenen Schadens verpflichtet. Der Versicherungsschutz sei im vorliegenden Fall nicht deshalb ausgeschlossen, weil sich die Gefahr einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung verwirklicht habe. Es sei zwar zutreffend, dass die Haftung für derartige Risiken nach Punkt 1 Ziffer 2 der Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) zur Haftpflichtversicherung für Privatpersonen ausgeschlossen ist, ein solches Risiko sei indes im vorliegenden Fall nicht gegeben. In diesem Zusammenhang komme es nicht auf eine einzelne Tätigkeit an, sondern auf die Beschäftigung, die den Rahmen für die schadensstiftende Tätigkeit bildet.

Aus dem Vergleich des Begriffs der „ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung" mit den übrigen im selben Satz in Punkt 1 Ziffer 2 BBR enthaltenen Ausnahmen folge, dass mit der „Beschäftigung" nicht lediglich eine einzelne Handlung, sondern ein Gefahrenbereich gemeint sei, also eine allgemeine, in gewissen Zeitabständen wiederholte oder wiederkehrende Betätigung als Rahmen für die konkrete schadenstiftende Handlung vorausgesetzt werde. Die in Punkt 1 Ziffer 2 BBR aufgezählten Ausnahmetatbestände führten dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis es bei der Klauselauslegung ankomme, zu der Annahme, auch mit einer ungewöhnlichen und gefährlichen „Beschäftigung" sei ein Verhalten angesprochen, das - ähnlich wie die Ausübung eines Berufes oder Amtes - über eine nicht nur kurze Zeit fortdauert, sondern auf eine längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten. Für diesen Bereich wolle der Versicherer im Rahmen der Privathaftpflichtversicherung nicht einstehen.

Umgekehrt erkenne der Versicherungsnehmer, dass es auf die Ungewöhnlichkeit oder Gefährlichkeit der schadenstiftenden Handlung selbst nicht ankomme. Entspringe sie einem vom Versicherungsschutz generell ausgenommenen Gefahrenbereich, so greife der Leistungsausschluss unabhängig davon, ob auch das unmittelbar schadenverursachende Verhalten als ungewöhnlich und gefährlich anzusehen ist.

Das Betreiben einer Hobbywerkstatt, die mit Propangas geheizt wird und in der Schweißarbeiten durchgeführt werden, möge insbesondere im Hinblick auf die Schweißarbeiten gefährlich sein, ungewöhnlich sei es nicht. Die regelmäßige und zeitintensive Beschäftigung mit der Reparatur und Gestaltung von Fahrzeugen sei eine weit verbreitete Art, die Freizeit zu verbringen. Sie falle nicht aus dem Rahmen dessen, womit sich Laien üblicherweise beschäftigen. Auch Schweißarbeiten fielen nicht mehr aus dem Rahmen dessen, woran sich Heimwerker und so genannte Hobbyschrauber regelmäßig versuchen. Der schadenstiftende Versuch, einen Autogastank zu leeren, sei zweifelsohne außerordentlich gefährlich und möge als ungewöhnlich anzusehen sein. Es handele sich dabei jedoch um eine einzelne Handlung, auf deren Ungewöhnlichkeit und Gefährlichkeit es gerade nicht ankomme.

Praxishinweis

In Bezug auf den Ausschluss des Versicherungsschutzes für Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung in den Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen (BBR) für die Privathaftpflichtversicherung hat der BGH in anderem Zusammenhang bereits wiederholt entschieden, dass dies ein Verhalten voraussetze, das auf längere Dauer angelegt ist und so einen von den normalen Gefahren des täglichen Lebens abgrenzbaren Bereich besonderer Gefahrenlagen bildet, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederholt eintreten (vgl. BGH, VersR 2012, 172 i. A. an VersR 1996, 495; BGHZ 136, 142 = VersR 1997, 1091; VersR 2004, 591).

Nach BGH, VersR 2012, 172 ist allein das Fällen dreier großer Bäume innerhalb eines Tages keine solche Beschäftigung. An einer gewissen Regelmäßigkeit fehlt es auch bei einem - einmaligen - Messerstich im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung, die daher nach OLG Düsseldorf, VersR 1994, 850 den Begriff "Beschäftigung" nicht erfüllt.

Redaktion beck-aktuell, 6. September 2019.