OLG Köln: Umfang des Bereicherungsanspruchs nach Vertragswiderspruch gemäß § 5a VVG a. F.

VVG a.F. § 5a; BGB §§ 812, 818 I

Allein eine Zeitspanne zwischen Vertragsabschluss und Widerspruchserklärung von über 10 Jahren und eine mehrfache Bezugsrechtsänderung führen nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln nicht zur Verwirkung des Widerspruchsrechts. Die Höhe der aus der Differenz von Abschlusskosten und Verwaltungskosten gezogenen Nutzungen könne nicht nach der Eigenkapitalrendite eines Unternehmens berechnet werden, so die Richter weiter.

OLG Köln, Urteil vom 20.12.2019 - 20 U 209/19 (LG Köln), BeckRS 2019, 35232

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Kanzlei GRAMS Rechtsanwälte, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 6/2020 vom 05.03.2020

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Sachverhalt

Die Klägerin fordert von der Beklagten weitere Leistungen aus einer im Jahr 2000 abgeschlossenen fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. im Jahr 2016. Die Beklagte hatte der Klägerin die Ablaufleistung ausgezahlt. Die Klägerin verlangt unter anderem die Auszahlung von Nutzungen, die die Beklagte aus der Differenz zwischen den kalkulierten und den tatsächlichen Abschlusskosten sowie aus dem zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufgewandten Prämienanteil gezogen habe, und zwar auf der Basis der von der Beklagten erzielten Eigenkapitalrendite.

Das Landgericht wies die Klage insgesamt ab, da die Klageforderung nicht schlüssig dargelegt und das Widerspruchsrecht der Klägerin verwirkt sei. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage teilweise statt.

Rechtliche Wertung

Die Klägerin habe dem Vertragsabschluss noch im Jahr 2016 widersprechen können, da die Widerspruchsbelehrung im Versicherungsschein wegen fehlenden Hinweises auf das Schriftformerfordernis unvollständig gewesen sei, urteilte das OLG Köln. Besonders gravierende Umstände, die der Ausübung des Widerspruchs ausnahmsweise nach Treu und Glauben entgegenstehen könnten, lägen nicht vor. Dazu reichten weder die Zeitspanne zwischen Vertragsschluss und Widerspruchserklärung von über zehn Jahren noch der Umstand aus, dass die Klägerin durch Vertragsänderungen (Bezugsrechtsänderung) auf den Vertrag eingewirkt hat (vgl. BGH, Urteil vom 25.01.2017 – IV ZR 173/15, r+s 2017, 126, Anmerkung Grams in FD-VersR 2017, 387160).

Der Vertrag sei daher nach den §§ 812, 818 BGB rückabzuwickeln. Richtigerweise mache die Klägerin nicht den Anteil ihrer Prämienzahlungen geltend, der auf das Todesfallrisiko entfalle. Kein Anspruch bestehe auch hinsichtlich der aus dem Risikoanteil gezogenen Nutzungen (BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14, r+s 2016, 20).

Nutzungen auf den Prämienanteil, der auf tatsächlich entstandene Abschlusskosten entfallen ist, verlange die Klägerin zu Recht nicht (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14, r+s 2016, 20). Die Klägerin könne aber auch auf eine etwaige Differenz zwischen den kalkulierten und den tatsächlichen Abschlusskosten sowie auf den zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufgewandten Prämienanteil keine Nutzungen beanspruchen. Der Verwaltungskostenanteil könne zwar grundsätzlich zur Berechnung von Nutzungszinsen herangezogen werden, soweit der Versicherer auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel erspart hat, die er zur Ziehung der Nutzungen verwenden konnte (BGH, Urteil vom 26.09.2018 - IV ZR 304/15, BeckRS 2018, 24937, FD-VersR 2018, 411648).

Zur Berechnung der Höhe gezogener Nutzungen könne jedoch nicht auf die Eigenkapitalrendite des beklagten Versicherers abgestellt werden. Notwendig sei ein Vortrag zur Höhe der Nutzungen, der sich auf die Ertragslage des Unternehmens bezieht (BGH, a.a.O.). Dazu sei der Verweis auf die Eigenkapitalrendite ungeeignet. Diese gebe alleine das Verhältnis von Gewinn zum Eigenkapital an und möge betriebswirtschaftlich einen Indikator für die Leistungsfähigkeit des Unternehmens darstellen. Aus der Höhe der Eigenkapitalrendite lasse sich jedoch - auch im Weg einer Schätzung – nicht darauf schließen, welche Erträge ein Unternehmen mit vereinnahmten Geldern konkret erzielen konnte.

Praxishinweis

Das OLG ließ die Revision wegen Divergenz nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu, weil andere OLGs die Berechnung gezogener Nutzungen nach der Eigenkapitalrendite des Versicherers als zulässig erachtet hatten (OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2017 - 7 U 80/17, BeckRS 2017, 142978; OLG Dresden, Urteil vom 28.03.2017 - 4 U 1624/16, BeckRS 2017, 106459). Wie hier das OLG Köln hält auch das OLG Karlsruhe die Eigenkapitalrendite nicht für eine geeignete Grundlage für die Bestimmung der gezogenen Nutzungen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 28.06.2019, Az. 12 U 134/17, BeckRS 2019, 19886).

Revision zum BGH wurde eingelegt und ist dort anhängig unter IV ZR 10/20.

Redaktion beck-aktuell, 17. März 2020.