OLG Köln: Bei Deckungszusage Schadensersatzansprüche des Rechtsschutzversicherers gegen Rechtsanwalt nicht ausgeschlossen

BGB §§ 31, 204 I Nr. 4, 250 S. 2, 254 II 2, 278, 826; HGB § 128; KapMuG § 8 I 1; VVG §§ 86, 125; ARB 2010 § 17 IX; UWG § 8 IV; BRAO § 43b

Die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers entfaltet keine Schutzwirkung gegenüber dem Rechtsanwalt und schließt den Rechtsschutzversicherer nicht von der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Anwalt aus. Dies hat das Oberlandesgericht Köln entschieden.

OLG Köln, Urteil vom 23.05.2019 - 24 U 124/18 (LG Köln), BeckRS 2019, 12616

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dirk-Carsten Günther
BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Köln

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 14/2019 vom 11.07.2019

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Sachverhalt

Die Klägerin, ein Rechtsschutzversicherer, verlangt von den beklagten Rechtsanwälten aus eigenem und aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer Schadensersatz in Form der Erstattung von ihr gezahlter Rechtsanwalts- und Gerichtskosten.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Zur Begründung hatte es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten hätten ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag nicht verletzt.

Rechtliche Wertung

Die Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klägerin könne von den Beklagten aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmer Zahlung verlangen. Den Versicherungsnehmern stehe gegen die Beklagten wegen anwaltlicher Falschberatung ein Anspruch auf Ersatz der ihnen hierdurch entstandenen Prozesskosten zu. Die Beklagten hätten gegen ihre anwaltlichen Pflichten verstoßen, indem sie den Versicherungsnehmern der Klägerin nicht von einer weiteren Rechtsverfolgung ihrer gegenüber der C GmbH erhobenen Ansprüche abgeraten haben, nachdem sie von dem Beschluss des Bundesgerichtshofs Kenntnis erhalten hatten, dass der von ihnen gestellte Güteantrag nicht den Anforderungen des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB genügte.

Der Umstand, dass die Klägerin Deckungszusagen erteilt hat, führe nicht dazu, dass sie mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Beklagten ausgeschlossen ist.

Im Regelfall entfalte die Deckungszusage Schutzwirkung lediglich gegenüber dem Versicherungsnehmer, nicht aber gegenüber dessen Anwalt. Dem Versicherungsnehmer werde mit der Regulierungszusage das Risiko, im Falle der Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung mit erheblichen Kosten belastet zu werden, abgenommen. Der vom Versicherungsnehmer beauftragte Rechtsanwalt, der als Rechtskundiger den Zweck der Zusage erkenne, könne hieraus dagegen nichts zu seinen Gunsten herleiten.

Eine andere Betrachtungsweise hätte zur Folge, dass die Rechtschutzversicherung im Ergebnis auch eine Schadensversicherung zugunsten des vom Versicherungsnehmer beauftragten Rechtsanwalts wäre, der im Fall seiner Pflichtverletzung des Mandatsvertrages nur teilweise, gegebenenfalls überhaupt nicht mehr, für einen Schaden einzustehen hätte. Das würde in der weiteren Konsequenz zudem eine «Entlastung» des Anwalts von der bei der anwaltlichen Beratung zu beachtenden Sorgfaltspflicht bedeuten. Dies widerspreche nicht nur dem Berufsbild des Anwalts, sondern lasse sich auch mit dem dargelegten Zweck der Rechtsschutzversicherung nicht in Übereinstimmung bringen, nach dem die Versicherung allein den Schaden des Versicherungsnehmers übernehmen und nicht zugleich den Rechtsanwalt entlasten will.

Die Auffassung, wonach die Erteilung des Deckungsschutzes einer Zustimmung des Mandanten zu einer Prozessführung gleichstehe, verkenne, dass zwischen dem Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant einerseits und dem Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsschutzversicherung zu unterscheiden ist. Auch wenn diese Unterschiede in der Praxis oft verwischt werden dürften, weil der Anwalt in aller Regel die Kommunikation mit dem Versicherer führt, sei der Rechtsschutzversicherer weder Erfüllungsgehilfe noch Vertreter des Mandanten gegenüber dem Anwalt. Schon deshalb verbiete es sich, dessen Deckungszusage mit dem Einverständnis des Mandanten mit dem Prozess gleich zu setzen.

Praxishinweis

Die Deckungszusage ist zum Schutz des Versicherungsnehmers ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das spätere Einwendungen und Einreden des Versicherers ausschließt, die ihm bei Abgabe der Deckungszusage bekannt waren oder die er zumindest für möglich gehalten hat beziehungsweise mit denen er zumindest rechnete (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl. 2010, § 17 ARB 2000 Rn. 17 m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieses Zwecks hat bereits das OLG Koblenz (Urteil vom 16.02.2011 - 1 U 358/10, NJW-RR 2011, 761) entschieden, dass die Deckungszusage des Rechtsschutzversicherers (Schutz-)Wirkung regelmäßig, das heißt ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Einzelfall, nur gegenüber dem Versicherungsnehmer entfalte und der von ihm beauftragte Rechtsanwalt daraus nichts zu seinen Gunsten herleiten könne. Dem schließt sich das OLG Köln ausdrücklich an und lehnt die jüngst vom AG Köln (Urteil vom 04.06.2018 - 142 C 59/18, BeckRS 2018, 22869) vertretene divergierende Ansicht ab.

Lediglich ausnahmsweise kann sich der Vertrauensschutz einer Deckungszusage auch auf den Anwalt erstrecken. Eine solche Ausnahmesituation liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsschutzversicherer über die mangelnden Erfolgsaussichten der beabsichtigen Rechtsverfolgung informiert wurde (vgl. OLG Celle,Beschluss vom 05.07.2010 - 3 U 83/10, NJW-RR 2010, 1400).

Redaktion beck-aktuell, 30. Juli 2019.